Finanzminister Christian Lindner ist zufrieden. Zusammen mit seinen EU-Kollegen hat er eine Reform der Schuldenregeln beschlossen. Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Ein monatelanger Streit ist zu Ende. Durch eine grundlegende Reform sollen die alten Schuldenregeln für Staaten den neuen Realitäten anpasst werden.

Am Ende geht es sehr schnell. Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich nach kurzer Beratung auf Pläne für eine Reform der europäischen Schuldenregeln verständigt. Sehr zufrieden äußerte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner. „Die neuen Fiskalregeln für die EU-Mitgliedsstaaten sind realistischer und wirksamer zugleich“, schrieb er am Mittwoch auf dem Kurznachrichtenkanal X (ehemals Twitter) nach einer Videokonferenz. „Sie verbinden klare Zahlen für niedrigere Defizite und sinkende Schuldenquoten mit Anreizen für Investitionen und Strukturreformen.“ Lindner sieht nach diesem Treffen die von ihm vertretene „Stabilitätspolitik“ gestärkt. Auch die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag äußerte sich erleichtert. Sie sei „froh, dass wir nach langer Diskussion und harten Verhandlungen eine gute Übereinkunft zu den EU-Budgetregeln erzielt haben“.

Keine starren Schuldenregeln mehr

Durch die geplante Reform soll der EU-Stabilitätspakt modernisiert werden, um einerseits Investitionen zu ermöglichen und zugleich eine zu hohe Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten zu vermeiden. Auch sind wirksamere Sicherheitslinien für den Abbau von Haushaltsdefiziten und Staatsverschuldung als bisher vorgesehen. Zentrales Element ist, dass die Schuldenregeln nicht mehr völlig starr angewendet werden. In Zukunft soll die individuelle Situation der Länder stärker berücksichtigt werden. Die Pläne müssen von den Ländern noch angenommen und mit dem Parlament verhandelt werden.

Überraschendes Treffen in Paris

Schon vor der Videokonferenz hatte sich Christian Linder sehr zuversichtlich, dass nach dem wochenlangen Ringen eine Einigung möglich sei. Grund dafür war auch ein überraschendes Treffen des Bundesfinanzministers mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire am Dienstag in Paris. Beide Länder hatten bei den Verhandlungen in den vergangenen Monaten sehr unterschiedliche Positionen vertreten. So stemmte sich Paris etwa gegen strenge und einheitliche Vorgaben für den Schulden- und Defizitabbau hoch verschuldeter Länder, was von Berlin aber gefordert wurde. Diese Differenzen scheinen nun ausgeräumt.

Die alten Regeln sind ausgesetzt

Die bislang geltenden Regeln schreiben vor, Schulden bei maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu halten. Wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind sie vorübergehend bis 2024 ausgesetzt. Bislang müssen Staaten normalerweise fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, im Jahr zurückzahlen. Eine Rückkehr zu den alten Regeln wird als Gefahr für die wirtschaftliche Erholung Europas gesehen. Zudem wurde das Regelwerk auch schon vor der Pandemie oft missachtet – auch von Deutschland.