Nach dem Urlaub von Chefdiplomatin Alliot-Marie fordert Opposition ihren Rücktritt.

Paris - Michèle Alliot-Marie, Frankreichs neue Außenministerin, tritt von einem Fettnäpfchen ins andere. Nur drei Tage vor der überstürzten Flucht von Tunesiens Diktator Ben Ali hatte MAM, wie die Franzosen die 64-Jährige nennen, dem wankenden Machthaber noch großzügig die Hilfe Frankreichs angeboten. Damit nicht genug. Wie das Satireblatt "Canard Enchaäné" nun enthüllt, ist die Chefdiplomatin während ihres Weihnachtsurlaubs in Tunesien samt Anhang zudem in einem Privatjet auf Kosten des Ben-Ali-Clans durchs Land gedüst. Just in jenen Tagen also, als das Volk sich vom Joch des Unrechtsregimes befreit, als Mohammed Bouazizi, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hatte, noch mit dem Tode ringt.

Der Tunesien-Trip der Ministerin - sie wird begleitet von ihrem Partner Patrick Ollier, ebenfalls Minister unter Präsident Nicolas Sarkozy, sowie ihren betagten Eltern - ereignet sich zwischen Weihnachten und Neujahr. Nach einigen Tagen im Badeort Hammamet zieht es die prominenten Reisenden nach Tabarka in das vornehme Sentido-Beach-Hotel des Geschäftsmanns Aziz Miled. Dieser, den sie einen "langjährigen Freund" nennt, rät seinen Pariser Gästen ab vom anstrengenden Landtrip auf kurvenreicher Strecke und bietet stattdessen seinen komfortablen Privatjet an.

Was mag MAM zu diesem fragwürdigen Flug bewogen haben? Mangelndes Fingerspitzengefühl? Grenzenlose Überheblichkeit? Oder vielleicht nur naiver Pragmatismus? Der Jet, eine neunsitzige Maschine vom Typ Challenger setzt schon nach zwanzig Minuten auf der Landebahn in Tabarka auf. Und beendet eine Spritztour, die mit gut einmonatiger Verspätung im fernen Paris eine pikante Staatsaffäre auslösen wird.

Aziz Miled stand an der Spitze des skrupellosen Ben-Ali-Clans

Zwar gibt die Chefin des Außenministeriums den Flug gegenüber dem "Canard" freimütig zu, doch die Behauptung, bei Aziz Miled handele es sich um einen Vertrauten Ben Alis, lässt sie von ihrem Sprecher ausdrücklich ins Reich der Fabel verweisen. Es ist ein Dementi, das auf sehr tönernen Füßen ruht.

Denn Aziz Miled führte die Geschäfte seiner Fluggesellschaft Nouvelair bis zum Sturz des Regimes ausgerechnet mit Belhassen Trabelsi. Der Bruder der geschassten Präsidentengattin Leila Trabelsi stand als "Pate" an der Spitze des skrupellosen und raffgierigen Ben-Ali-Trabelsi-Clans. Zu seinem weitverzweigten, mafiösen Unternehmensimperium gehörten Fluggesellschaften und Hotelketten, Fernseh- und Radiostationen sowie Tunesiens größtes Zementwerk. Ferner lenkte er die Geschicke der Banque de Tunisie, der größten Privatbank des Landes. Mit Ben Ali, dem gestürzten Diktator, flüchtete auch der verhasste Schwager - letzterer nach Kanada.

MAMs eilfertig erteilte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" widerspricht auch diametral einer Entscheidung des Schweizer Bundesrats vom 19. Januar. Darin wird das in der Schweiz gebunkerte Vermögen des Ben-Ali-Trabelsi-Clans eingefroren. Die lange Liste der Betroffenen enthält auch den Namen von Aziz Miled.

Frankreichs Opposition fordert nach den Enthüllungen des "Canard" wegen der "surrealistischen Reise" den Rücktritt der Außenministerin. Doch diese denkt nicht daran, ihren Platz in der Regierung zu räumen. "Alles Lügen", giftete sie am Mittwoch - gereizt und dünnhäutig - nach der Kabinettssitzung im Elysée-Palast in die Reportermikrofone.