Ausnahmezustand an den Zapfsäulen: Superkraftstoff ist zurzeit fast 30 Eurocent teurer als Diesel. Das ist mehr als doppelt so viel wie im langjährigen Vergleich. Foto: dpa

Millionen US-Amerikaner sind derzeit in Ausflugsstimmung und reisen Tausende Kilometer durch ihr Land. Das wirkt sich auch auf die Tankstellenpreise bei uns in Deutschland aus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum gibt es so enorme Unterschiede zwischen Diesel- und Benzinpreisen?

Die Nachfrage nach Superbenzin ist enorm hoch. In den USA registriere man derzeit „die höchsten Fahraktivitäten aller Zeiten“, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. Die sogenannte Driving-Season, in der jeden Sommer Millionen US-Amerikaner tausende Kilometer quer durchs Land touren, fällt dieses Jahr besonders stark aus. Auch Öl-Experte Bergmann sagt: In den USA werde „deutlich mehr Sprit vergurkt als normal“. Die hohe US-Nachfrage, die in den vergangenen Wochen nur durch Benzin-Lieferungen von Europa in die USA gedeckt werden konnte, treibt auch die Super-Preise in Europa nach oben. Die Raffininerien laufen unter Volllast. Das Kuriose dabei: Wenn Raffinieren Superbenzin herstellen, fällt dabei stets ein fixer Anteil Diesel und Heizöl mit an. Diesel findet im Moment aber nur schwer Abnehmer. Die Fahrzeugflotten in den USA werden hauptsächlich mit Super betrieben, und in Europa stagniert der Fahrzeugmarkt. Die Heizsaison ist noch nicht angebrochen. Dieser Umstand erklärt die derzeit relativ günstigen Dieselpreise – und die sehr viel höheren Superpreise. Nach ADAC-Angaben ist der Superpreis im Jahresverlauf seit Januar um rund 20 Cent gestiegen, der Dieselpreis nur um gut 6 Cent.

Wie hoch ist die Diesel-Super-Schere?
Im Durchschnitt liege die Spreizung zwischen Diesel- und Super-(E10)-Preisen bei „fast 30 Cent“ sagt der Sprecher des Hamburger Mineralölwirtschaftsverbands Alexander von Gersdorff. Das ist ein extrem hoher Wert. Zwischen Anfang 2011 und Ende 2014 lag die durchschnittliche Preisdifferenz zwischen Diesel- und Superkraftstoff (E10) nach MWV-Daten bei 13 Cent.
Was kosten die wichtigsten Brennstoffe ?
Seit Juni sind die Preise für Rohöl erneut auf Talfahrt. Von seinen Jahres-Höchstständen jenseits der 65 Dollar (59 Euro) haben sich die Notierungen für ein Barrel – 159 Liter – der für Europa relevanten Nordsee-Sorte Brent mittlerweile wieder unter die Marke von 50 Dollar (46 Euro) bewegt. Damit ist Rohöl in etwa so teuer wie im Januar. Der Ölpreis ist damit nur noch halb so hoch wie vor einem Jahr – und hat wieder das Niveau von 2009 erreicht, als die Finanzkrise die wirtschaftliche Entwicklung ausgebremst hatte. Langfristig betrachtet ist Öl aber immer noch teuer. Vor der Jahrtausendwende notierte das Fass über lange Zeitphasen bei rund 20 Dollar (18 Euro). Und Heizöl? Bei einer Abnahmemenge von 3000 Litern kostet Heizöl derzeit zwischen 63 und 65 Cent je Liter – ein im mittelfristigen Vergleich moderater Preis.
Wie sieht es bei Benzin und Diesel aus?
Die Preise von Benzin und Diesel lassen sich mit den Rohölnotierungen nur bedingt vergleichen. Oft laufen die Entwicklungen parallel, manchmal sind sie aber auch gegenläufig. Im Moment entwickeln sich die Benzin- und Dieselnotierungen an den Tankstellen in Deutschland stark auseinander – ein Vorgang, der Seltenheitswert hat. Notierten beide Sprit-Sorten Ende 2011 mit rund 1,50 Euro je Liter auf annähernd gleichem Niveau, kostet Super aktuell rund 1, 45 Euro je Liter. Diesel gibt es bereits für unter 1,15 Euro je Liter. Die Preis-Schwankungen zwischen den Tankstellen sind allerdings beträchtlich.
Wie funktionieren die Öl- und Benzinmärkte weltweit?
Grundsätzlich muss man den Markt von Rohöl von den Produktmärkten – also hauptsächlich Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl – trennen. Sie unterliegen nicht den gleichen Einflussfaktoren. Angebot und Nachfrage – und damit der Preis – können also sehr unterschiedlich sein. Rohöl wird meist direkt zwischen den Lieferanten – etwa Ölgesellschaften in den Golfstaaten – und den Abnehmern gehandelt. Meist werden langfristige Lieferverträge geschlossen. Müssen kurzfristig Mengen zugekauft werden erfolgt dies über so genannte Spotmärkte, die oft in Ölhäfen wie Houston, Singapur oder Rotterdam angesiedelt sind. Auch über Börsen wechselt Öl den Besitzer. Dort kaufen und verkaufen aber meist Finanzinvestoren oder Hedgefonds das Öl zu spekulativen Zwecken. Speziell in London und New York sind diese Öl-Akteure aktiv. Wie hoch der Ölpreis ist, hängt stark mit sogenannten Fundamentaldaten zusammen, also etwa den Konjunkturerwartungen oder den Fördermengen des Öl-Kartells Opec.
Wie bilden sich aber die Benzin- und Dieselpreise?
Der Preis für die Rohölprodukte Diesel, Benzin und Heizöl in Europa wird in Rotterdam gebildet. Der dortige Marktpreis definiert den Referenzpreis für den Kontinent. Auf ihn addieren sich Transportkosten bis zur Zapfsäule, Kosten für Verwaltung, staatlich vorgeschriebene Reservehaltung für Notfälle und die Gewinnspannen der Konzerne. Dieser sogenannte Deckungsbeitrag der Mineralölkonzerne wird vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV) mit rund 12 bis 13 Cent je Liter angegeben. Dazu kommen Energie und Mehrwertsteuer. Alles zusammen ergibt den Preis an der Zapfsäule von aktuell rund 1,45 Euro je Liter für Super. Zum Vergleich: Ein Liter Ottokraftstoff ab Rotterdam kostet derzeit 46 Euro-Cent, Diesel gut 43 Cent. Mehr als die Hälfte des Spritpreise sind daher vom Staat bestimmt.
Welche Rolle spielen die Raffinerien?
Die Raffinieren spielen für den Preis von Sprit eine entscheidende Rolle, sind sie doch das Scharnier zwischen dem Rohölgeschäft und dem Tankstellenvertrieb. In Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2010 sank die Ölnachfrage und viele Raffinieren gerieten in Schwierigkeiten oder machten ganz dicht. Um überhaupt noch im Geschäft zu bleiben, senkten sie ihre Gewinnspannen, was für die Spritpreise an der Zapfsäule dämpfend wirkte. Heute sieht die Lage ganz anders aus. Raffinerien weltweit laufen unter Volllast. In den USA – dem wichtigsten Spritmarkt der Welt – seinen die Raffinieren zu 96 Prozent ausgelastet, sagt etwa Klaus Bergmann, der als Geschäftsführer des Energiedienstleisters Esyoil ein langjähriger Kenner der Szene ist. Derzeit erzielten die Werke „Höchstmargen“.
Welche Rolle spielt der schwache Euro?
Der im Vergleich zum Dollar derzeit schwache Euro ist ein Grund dafür, dass Diesel und Super in Europa im Moment nicht günstiger zu haben sind. Die Erklärung: Weil man in Europa immer mehr Euro für den Kauf eines Dollar aufwenden muss, steigt hierzulande – relativ gesehen – auch der Preis von Rohöl, das in Dollar abgerechnet wird. Die Euro-Preise für Sprit an der Zapfsäule gehen also auch nach oben.
Wie lange werden wir die derzeitigen Preise sehen?
Die starke Preisdifferenz zwischen Diesel und Superkraftstoff wird sich nach Meinung von Commerzbank-Analyst Fritsch verringern. Mit dem Ende der Fahrsaison wird die US-Nachfrage zurückgehen und mit Beginn des Herbstes die Heizölnachfrage – und damit auch der Dieselpreis – steigen. Die grundsätzlich moderaten Ölpreise von rund 50 Dollar das Barrel werden uns noch einige Zeit lang erhalten bleiben. Experte Bergmann sagt beispielsweise: „Wir werden das noch mehrere Jahre sehen.“