Mehrere Hundert Einzelpersonen und Vereine in Deutschland sollen wegen der angeblichen Unterstützung der Gülen-Bewegung vom türkischen Geheimdienst ausspioniert worden sein.
München - Der türkische Geheimdienst spioniert einem Bericht zufolge in großem Umfang mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland aus. Der türkische Geheimdienst MIT führe eine Liste mit den Namen von hunderten angeblichen Unterstützern des islamischen Predigers, den Ankara für den Putschversuch im vergangenen Sommer verantwortlich macht, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (Dienstagausgabe) unter Berufung auf gemeinsame Recherchen mit dem NDR und dem WDR.
Neben mehr als 300 Einzelpersonen seien auch gut 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzurechnende Vereine, Schulen und sonstige Einrichtungen aufgeführt. Das Dokument enthält dem Bericht zufolge Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern sowie in vielen Fällen Fotos der Betroffenen. Der MIT-Chef übergab die Liste demnach am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl. Dieser habe das Dossier an die Bundesregierung, den Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt sowie die Polizeibehörden in den Bundesländern übermittelt.
Eine Auswertung habe ergeben, dass etliche der Fotos offenbar heimlich aufgenommen worden seien, etwa durch Überwachungskameras. Die türkische Regierung macht den Geistlichen Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch im Juli verantwortlich und verfolgt seine Anhänger als „Terroristen“. BND-Präsident Kahl widersprach dieser Darstellung unlängst. „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen“, sagte er dem „Spiegel“.
Laut dem Bericht des Rechercheverbundes von „SZ“, WDR und NDR sind erste Bundesländer dazu übergegangen, die auf der Liste aufgeführten Türken vor den Nachstellungen des MIT zu warnen. In Niedersachsen habe der Verfassungsschutz diese Aufgabe übernommen, in Nordrhein-Westfalen koordiniere das Landeskriminalamt sogenannte Gefährdeten-Ansprachen. Bereits seit einiger Zeit ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen mutmaßlicher Spionageaktivitäten im bundesweiten Dachverband der türkischen Moscheegemeinden (Ditib). Imame des Verbandes sollen im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Informationen über Gülen-Anhänger nach Ankara übermittelt haben.