Die neuen Spielplätze sind weitläufiger und moderner als die bestehenden, aber derlei Argumente wollen die Gegner der Pläne nicht gelten lassen. Foto: factum/Granville

Die Stadt entwirft ein Konzept für moderne Spielplätze samt einem neuen Park – und erntet wütenden Protest. Mehr als 700 Bürger haben dafür unterschrieben, dass die alten Spielplätze bleiben sollen.

Böblingen - Das Tempo ist gemächlich bemessen. Vier Minuten setzt das Planungsbüro Kukuk für einen Fußweg von 200 Metern an. Diese 200 Meter ist ein alter Spielplatz entfernt von einem neuen, der gebaut werden soll. Das Büro hat für die Stadt Herrenberg ein übergreifendes Konzept für neue Spielplätze entworfen, deren lautmalerische Namen die Gedanken hinter den Entwürfen spiegeln sollen.

„Im Tal der Gegensätze“ sollen die Kinder sich austoben, in der „Wasserfabrik“ matschen. „Dem Himmel so nah“ wie möglich sollen sie auf Schaukeln kommen, und an einem künstlichen Bachlauf möge „Alles im Fluss“ sein, gleich, ob es schwimmt oder sinkt. Die neuen Spielplätze sind moderner und größer als die bestehenden, aber das ist nur der kleinere Teil des Konzepts. Dessen Zentrum ist ein Bürgerpark, 28 500 Quadratmeter groß, einschließlich Aussichtspunkten, Grillplätzen, Toiletten, Hängematten gar, ein Treffpunkt für alle Herrenberger, die gerade Muße haben.

Bürgerinitiativen nennen die Pläne kinderfeindlich

Diese Pläne seien herzlos, kinderfeindlich, menschenverachtend. Dieses Vokabulars bedienen sich zwei Bürgerinitiativen. Ihnen geht es formal um jene 200 Meter Fußweg, die das Gelände für die geplante Wasserfabrik von einem alten Spielplatz in ihrem Wohngebiet entfernt ist. Unterschriftenlisten kursieren, mehr als 700 Namen stehen auf ihnen. Die Unterzeichner beharren allesamt darauf, dass ihre alten Spielplätze tauglicher seien als die neuen.

Unmut entlädt sich über der Verwaltung, allen voran über den Oberbürgermeister Thomas Sprißler. Der hatte angesichts der Massivität des Protestes den Punkt Spielflächen von der Tagesordnung des Gemeinderats gestrichen, um die Gemüter zu beruhigen. Dennoch vergingen bei der Bürgerfragerunde zu Sitzungsbeginn 20 Minuten, in denen die Gegner der Spielplatzverlegung ihre Argumente und Vorwürfe erneuerten.

Die beginnen beim Verdacht, das Gelände für die Wasserfabrik sei von Schadstoffen vergiftet und von einem Mobilfunkmasten verstrahlt. Sie münden in den Vorwurf der Geschäftemacherei und enden in der Behauptung, die Pläne seien als Geheimsache behandelt worden.

Im Rathaus herrscht Ratlosigkeit

„Wir sind ratlos“, sagt Stefan Kraus. „Wir dachten, wir hätten ein richtig gutes Konzept.“ Kraus leitet die Abteilung Technische Dienste, ist damit einer der Hauptverantwortlichen für die Pläne. Er hat zugesichert, dass seine Mitarbeiter einen gut Teil der Verwirklichung selbst erledigen, auf dass sie bezahlbar bleibt. Dazu soll auch beitragen, dass die alten Spielplätze als Baugrund vermarktet werden. Die Gegner der Pläne sehen darin nicht Kompensation, sondern vermuten Geldgier. 500 000 Euro müssen gemäß Kalkulation aus der Stadtkasse bezahlt werden. Auf zwei Millionen summieren sich die Gesamtkosten. Mit dem Vorschlag, die volle Summe zu investieren, „hätten wir gar nicht antreten müssen“, meint Kraus. Das Nein des Gemeinderats wäre gewiss gewesen.

Nun ist sein Ja fraglich. Die Pläne scheinen dem Himmel recht fern. Die letzte Ausschusssitzung zum Thema verlief turbulent, vor allem, weil die SPD-Fraktion auf die Argumentationsschiene der Gegner einschwenkte. „Wenn ich dort wohnen würde und nichts davon gewusst hätte, hätte ich vielleicht ähnlich reagiert“, sagt Kraus. Der Konjunktiv scheint angebracht, denn von dem Vorhaben können nur neu Hinzugezogene nie gehört haben. 2012 beriet der Gemeinderat erstmals. 2013 folgte die erste Bürgerbeteiligung, 2014 der nächste Ratsbeschluss, 2015 und zuletzt im vergangenen April waren neuerlich die Bürger um ihre Meinung gebeten worden. Das Amtsblatt informierte, alle Zeitungen berichteten mehrfach. Dass nach Jahren der Diskussion „ein so massiver Widerstand entsteht, hat niemand von uns geahnt“, sagt Kraus. Aus allem, woraus nun ein Vorwurf erwächst, „haben wir nie einen Hehl gemacht, nicht aus der Verlagerung und nicht aus der Gegenfinanzierung“. Andere Vorwürfe, wie der des Schadstoffs im Boden, seien nachweislich falsch.

Die Mitmachstadt steht vor einem Problem

Nun steht die selbsterklärte Mitmachstadt Herrenberg vor dem Problem, dass es ihr schwer fällt, ein Vorhaben gegen massiven Bürgerprotest durchzusetzen. Vorerst soll eine Liste mit Fragen und Vorwürfen der Gegner schriftlich abgearbeitet werden. Aber nicht nur Kraus ahnt, „dass es ganz schwierig wird, einen Konsens herzustellen“. Letztlich ruht die Hoffnung darauf, dass die Bürger den Bürgerprotest ersticken. Gedacht ist an eine Art Forum, auf dem das Thema neuerlich diskutiert werden soll. „Dann können auch diejenigen ihre Meinung sagen, die das Konzept gut finden“, sagt Kraus. Sofern sie es wollen.