Bis zum 8. September ist die Stammstrecke gesperrt. Bis dahin sollen Busse die S-Bahn ersetzen. Foto: /Jürgen Brand

Am ersten Montag der Stammstreckensperrung der S-Bahn muss das Bahnpersonal viele Fragen beantworten – und manchmal auch wüste Beschimpfungen aushalten. Eindrücke vom Stuttgarter Hauptbahnhof.

„Das soll ein Bahnhof sein?“ Die Frau schiebt ihren Kinderwagen kopfschüttelnd weiter, nachdem sie mit der Bahn angekommen war, in die S-Bahn umsteigen wollte und zum Bus geschickt wurde. Der „Reisendenlenker“ ruft ihr noch hinterher: „Aber ja, das ist ein echter Bahnhof.“ Woraufhin sich einige der Umstehenden umblicken und zweifelnd die Augenbrauen heben.

 

Grüne Linien zeigen den Weg

Seit dem Wochenende ist die S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen gesperrt, und die Bahn hat wirklich viel gemacht, um die Reisenden auf den richtigen Weg zu bringen. Rund um den Hauptbahnhof, durch die Bahnsteighalle, über die umliegenden Gehwege schlängelt sich eine dicke grüne Linie, die mit grünen Quadraten und Pfeilen in die eine Richtung zum Bus-Ersatzverkehr führen soll, mit gelben Quadraten und Pfeilen in die andere Richtung zu den S-Bahnen, die in der Zeit der Sperrung oben an den Bahnsteigen halten. Dazu informieren unzählige große und kleine Plakate, Transparente und Hinweisschilder über die Sperrung, den Grund dafür und natürlich auch über die vielen anderen Baustellen im und um den Bahnhof.

Trotzdem sagt ein Reisender angesichts der Informationsflut und vielfachen Linienführung: „Wer noch nie hier war und sich gar nicht auskennt, kann da schon verzweifeln.“ Und an diesem ersten Ferienmontag scheinen tatsächlich viele da zu sein, die vorher noch nie in Stuttgart waren. Manche fühlen sich wie auf einem Rundwanderweg, andere beim Zirkeltraining, wieder andere bei einer verwirrenden Schnitzeljagd, in der die vielen Pfadfindergruppen an diesem Montagmorgen fast schon symbolträchtig sind.

„Reisendenlenker“ steht auf der Weste

Der „Reisendenlenker“ – so steht es hinten auf seiner weithin sichtbaren Weste – hat zwischen den beiden rigoros mit großen Spanplatten praktisch unkenntlich gemachten S-Bahn-Abgängen alle Hände voll zu tun. „Richtung Cannstatt?“, wird er gefragt. „Oben im Bahnhof“, deutet er in die richtige Richtung. „Feuersee?“, kommt schon der nächste an. „Vorne beim Yormas links hoch und dann der Linie nach bis zum Anfang der Königstraße, da fährt der Ersatzverkehr.“

Eine Frau will wissen, wo sie ihre Fahrkarte kaufen kann – und steht direkt vor dem Fahrkartenautomaten. Eine andere sucht den Kundenservice, weil sie ihre Polygo-Card umschreiben lassen kann. Das hat zwar nichts mit der S-Bahn-Sperrung zu tun, aber die „Lenker“ sind ja für alle Reisenden da.

„Es gibt einige Berufstätige, die sich nicht damit beschäftigt haben“, erzählt er in einer der wenigen und dann minimal kurzen Nachfrage-Pausen. „Die haben weder im Internet noch sonst wo geschaut. Aber das kriegen wir schon hin“, bekräftigt er unverwüstlich freundlich und zuversichtlich. Und muss dann doch zweimal schlucken, als ein wirklich schlecht gelaunter Mann ihn ganz nah angeht: „Jetzt fährt hier auch keine S-Bahn mehr oder wie“, ranzt er den Bahn-Mitarbeiter an. Die Erklärung, dass nach 40 Jahren halt die Gleise erneuert werden müssten, interessiert ihn nicht. „Das ist mir scheißegal“, schreit er laut und fährt dann gleich fäkalträchtig fort: „Leck mich doch am Arsch.“

Rüpel bleiben die absolute Ausnahme

Zum Glück für die vielen freundlichen Helferinnen und Helfer bleiben solche Ausfälligkeiten von Reisenden an diesem Vormittag die Ausnahme. Und bestätigen übereinstimmend, egal ob oben am Bus-Ersatzverkehr oder drinnen an den Bahnsteigen: „Es ist alles okay, es passt.“