Hochauflösende 3D-Aufnahme des Wracks der Titanic in 3821 Meter Tiefe. Foto: AFP/BBC/Atlantic Produtcions/Magellan

Hochauflösende 3D-Bilder der „Titanic“ könnten neue Erkenntnisse darüber liefern, wie es zu dem verhängnisvollen Untergang vor mehr als 100 Jahren kommen konnte. Der britische Sender BBC hat erstmals die neuen Aufnahmen des Wracks veröffentlicht.

Hochauflösende 3D-Bilder der „Titanic“ könnten neue Erkenntnisse darüber liefern, wie es zu dem verhängnisvollen Untergang des berühmten Passagierschiffs vor mehr als 100 Jahren kommen konnte.

Der britische Sender BBC hat jetzt erstmals neue Aufnahmen des Wracks veröffentlicht, das in 3821 Meter Tiefe auf dem Grund des Atlantiks liegt.

700 000 Bilder für 3D-Aufnahmen

Erstellt worden waren die detailreichen Aufnahmen im Sommer 2022 von einem auf die Tiefsee spezialisierten Kartografie-Unternehmen.

Mehr als 200 Stunden untersuchten U-Boote das Wrack und machten über 700 000 Bilder, die zu dem 3D-Scan zusammengesetzt wurden. Eine Produktionsfirma drehte einen Dokumentarfilm über das Projekt.

Der Planungsleiter der Expedition, Gerhard Seiffert, sagte der BBC, die Teilnehmer hätten nichts berühren dürfen, „um das Wrack nicht zu beschädigen“.

Die neuen Bilder zeigen das vom Heck getrennte Vorderschiff, als wäre es aus dem Wasser gehoben worden. Dabei sind selbst kleinste Details zu sehen, etwa die Seriennummer des Schiffspropellers.

Was genau geschah am 14./15. April 1912 im Nordatlantik?

Die Aufnahmen könnten Historikern und Wissenschaftlern dabei helfen, herauszufinden, was genau im April 1912 mit dem Passagierschiff geschah. Bislang glichen ihre Nachforschungen angesichts des zunehmenden Verfalls des Wracks einem Wettlauf gegen die Zeit.

„Jetzt können wir die ‚Titanic’ endlich ohne menschliche Interpretation betrachten, nur basierend auf Beweisen und Daten“, betont Parks Stephenson, der die „Titanic“ seit vielen Jahren untersucht.

Der Luxusdampfer war im April 1912 bei der Fahrt vom englischen Southampton nach New York gesunken, nachdem er mit einem Eisberg zusammengestoßen war.

Seit dem Fund des Wracks im Jahr 1985 knapp 650 Kilometer vor der Küste Kanadas war die „Titanic“ ausgiebig erforscht worden. Allerdings war es Kameras nie gelungen, das Schiff in seiner Gesamtheit aufzunehmen.

1514 Menschen fanden in den eisigen Fluten den Tod

Der Untergang der „Titanic“ ist die wohl bekannteste Katastrophe der Seefahrt. Am 10. April 1912 fuhr der als unsinkbar geltende Luxusliner auf seiner Jungfernfahrt vom britischen Southampton nach New York.

Am 15. April gegen 2.20 Uhr sank die „Titanic“, nachdem sie am 14. April um 23.40 Uhr im Nordatlantik – etwa 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland – einen Eisberg gerammt hatte. 1514 der mehr als 2200 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. Das Unglück zog in die Geschichtsbücher ein – und später auch in die Drehbücher Hollywoods.

1985: Robert Ballard entdeckt Überreste der „Titanic“

Am 1. September 1985 hatte der US-Ozeanograf Robert Ballard zusammen mit seinem französischen Kollegen Jean-Louis Michel das Wrack des legendären Schiffs geortet. Ein Jahr nach der Entdeckung tauchte er hinab.

„Es war ein unglaubliches Erlebnis“, schilderte er später seine damaligen Eindrücke. „Wir haben alles sorgfältig fotografiert und ein komplettes Mosaik des Schiffes erstellt.“

Sehen Sie hier: Wrack der „Titanic“ im Jahr 1986

Meeresboden von Abfall übersät

Als Ballard 2004 zur „Titanic“ zurückkehrte, erkannte er die Szenerie kaum wieder. Der Meeresboden war mit Bierdosen und anderem Abfall übersät, klagte er in einem Artikel für das „National Geographic Magazine“.

Durch das Aufsetzen von U-Booten – unter anderem mit dem „Titanic“-Regisseur James Cameron an Bord – seien einige Decks dem Einsturz nahe oder bereits eingeknickt. Bergungsunternehmen hätten „Tausende Objekte von dem Ort entfernt, der für mich heilig ist“.

Sehen Sie hier: Wrack der „Titanic“ im Jahr 2004

Bakterien zerfressen stählerne Überreste

Seitdem ist niemand mehr zum Wrack hinabgetaucht. Bis zum August 2019: Im Rahmen der „Five Deeps“-Expedition begab sich Vescovos Team zum Wrack. Doch die Forscher mussten feststellen, dass sich seit den letzten Aufnahmen viel verändert hat. Starker Seegang und bakterieller Eisenfraß machen dem Koloss zu schaffen.

Sehen Sie hier: 3D-Reise ins Innere der „Titanic“

Wrack wird instabil und fällt zusammen

Info: Wrack der „Titanic“

Wrack
Schon in 15 bis 20 Jahren könnten die Überreste komplett verschwunden sein, schätzen Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) für Polar- und Meeresforschung. „Das Wrack ist von Biofilmen und Rost überzogen“, erklärt AWI-Leiterin Antje Boetius.

Bakterien
Forscher entdeckten vor einigen Jahren in den Rostflocken eine Bakterienart, die nach ihrem Fundort „Halomonas titanicae“ genannt wurde. „Eigentlich wächst dieses Bakterium gerne im Warmen bei über 30 Grad“, erklärt Antje Boetius. „Aber dort, wo das Wrack liegt, sind es vier Grad.“

Tiefsee
In der kalten Tiefsee müssten die Schiffsüberreste geschützt sein. Tatsächlich aber zersetzen die Mikroben trotz der Kälte die Schiffswände. „Sie tragen dabei nicht langsam Millimeter für Millimeter die Oberfläche ab, sondern verursachen Lochfraß“, erläutert die Meeresbiologin. „Dadurch wird das Wrack instabil und fällt irgendwann zusammen.“ Auch den Grund für die Zersetzung des Unesco-Weltkulturerbes kennen die Wissenschaftler. „Die Bakterien entziehen dem Eisen Elektronen als Energiequelle, um wachsen zu können. Sie leben also direkt vom Metall.“