Das Auktionshaus Nagel schweigt über die Herkunft – doch es spricht sich herum: Von der Kaufhaus-Erbin Heidi Horten stammt viel Luxus (Versicherungswert: elf Millionen Euro), der in Stuttgart versteigert wird. Dies wird im Abseits gefeiert – mit Taschen von Hermès.
Ist es Tina Turner? Oder Heidi Ho rten? Seit Tagen ist in Stuttgart auf den Killesberghöhen gerätselt worden, aus welchem Nachlass die immense Sammlung an Statussymbolen und Luxusartikeln stammt, die bei einem Versicherungswert von elf Millionen Euro zum Aufruf kommt. Die Einladung zum Event „Fashion Luxury“ in der Boutique Abseits von Winni Klenk hat die Gerüchteküche dazu befeuert.
Dass ein Stuttgarter Auktionshaus, nämlich das 1922 gegründete Unternehmen Nagel, das der 32-jährige Fabio Straub als Inhaber führt, an die spektakulären Lose aus Privatbesitz gekommen ist, erregte in der Branche weltweit Aufsehen – selbst in Hongkong werden vor der Nagel-Auktion Teile der Handtaschen von Hermès und Co., Tischuhren sowie eine Louis-XV.-Kommode mit vergoldetem Schwarzlackdekor präsentiert.
Alle Fragen lächelt Fabio Straub charmant weg
Die im Mai 2023 verstorbene Tina Tuner hat mit der glanzvollen Versteigerung eines reichen Lebens nichts zu tun. Die Spur führt nach Österreich, wo die im Juni 2022 mit 81 Jahren verstorbene Kaufhaus-Magnatin Heidi Horten gelebt hat. Nagel-Chef Fabio Straub – sein verstorbener Vater Robin Phillip Straub hatte 1990 das Auktionshaus von Gert K. Nagel gekauft – darf nicht verraten, wie die bisherige Besitzerin heißt. Alle Fragen dazu lächelt er charmant weg. Das Geheimnis darum macht es noch spannender.
Wer den Katalog zu „Kunst & Luxus aus Privatbesitz“ durchblättert, kann nur staunen. Dies alles soll einer einzelnen Frau gehört haben? Rasch kommen einem Bilder von Menschenschlangen vor einem der Tafelläden in Stuttgart in den Kopf. Gerecht war die Welt aber noch nie.
Oder ist es späte Gerechtigkeit, dass sich über die Veräußerung des Horten-Nachlasses eine Stiftung freuen kann? Die Kaufhaus-Erbin, die als Sekretärin in den 1960ern den um 32 Jahre älteren Unternehmer Helmut Horten (er starb 1987) kennengelernt hatte, blieb kinderlos. Ihr letzter Mann Karl Anton Goess, der noch lebt, unterschrieb bei der Hochzeit den Verzicht auf ein Erbe.
Der üppige Nachlass geht an die Helmut-Horten-Stiftung, die sich laut Satzung für „medizinische Forschung, Heilbehandlungen und Krankenpflege“ einsetzt. Doch wie kann man mit 600 Designertaschen (darunter sind 42 von der heiß begehrten Marke Hermès) der Krankenpflege dienen? Die Stiftung will deshalb die Luxussammlung zu Geld machen – dabei wird ihr unter anderem in Stuttgart geholfen, was eine große Auszeichnung für den junge Fabio Straub ist.
Versteigert wird am 25. Juni
Versteigert werden die Schätze der Milliardärin, darunter sind Antiquitäten, die teuersten Uhren, Silber, exquisite Dosen und Miniaturen sowie 600 luxuriöse Damenhandtaschen, am 25. Juni. Um dies bei der wohlhabenden Kundschaft bekannt zu machen, geht Nagel auf Werbetour, die am Donnerstagabend daheim in Stuttgart in der Boutique Abseits am Kleinen Schlossplatz schwung- und stimmungsvoll gestartet ist.
Das Team von Fabio Straub hat einige Taschen aus dem Nachlass mitgebracht, zu denen Models die passende Mode von Winni Klenk vorführen. Dessen Credo lautet: „Der Modewelt entkommt niemand.“
Man hört viele „Aaaahs“ und „Oooohs“. Ein bisschen ist es wie bei einem Charity-Event – sollte jemand Preziosen aus dem Nachlass ersteigern, kommt es den sozialen Zwecken der Stiftung zugute. Deshalb spricht es sich rasch herum, dass es dabei um den Reichtum von Frau Horten geht, was offiziell weder an diesem Abend noch in den Onlineauftritten oder den Katalogen des Auktionshauses Nagel zu erfahren ist.
Verknappungsstrategie steigert den Marktwert
Das Stillschweigen dürfte Gründe haben: Christie’s in London sagte 2023 die Versteigerung der Schmuckkollektion von Heidi Horten ab, weil ihr erster Ehemann den Grundstein für sein Vermögen in der NS-Zeit gelegt hatte – unter anderem hatte er Kaufhäuser von enteigneten Juden übernommen.
Mit einer Verknappungsstrategie hat Hermès die Birkin Bag zum heiß begehrten Sammlerinnenobjekt gemacht. Entweder ist man so berühmt, dass das Modehaus auf einen zukommt – oder man kauft viel bei ihm ein. Die Idee dafür hatte die Schauspielern Jane Birkin vor 40 Jahren, die beklagte, dass es keine praktische Wochenendhandtasche für Mütter gebe. Sie beschrieb das perfekte Modell bis ins Detail. Hermès-Chef Jean-Louis Dumas machte daraus das Erfolgsmodell, das für Käuferinnen heute auch eine Kapitanlage ist. Bei der Nagel-Auktion ist der Startpreis für die Birkin Bag vierstellig, für eine Kelly Bag sogar fünfstellig.
DooWopMädla wissen, was Frauen in ihrer Handtasche haben
Doch was verstauen Frauen in ihrer Handtasche? Für Männer bleibt es ein ewiges Rätsel. „Die Taschen werden immer kleiner“, sagt eine Expertin beim Event im Abseits, „da geht kaum noch ein Handy rein.“
Wie gut, dass die schwäbische Girlsband DooWopMädla das Geheimnis in einem neuem Lied endlich lüftet: „A Bombole, a Kaugummi, ond dort ganz en dr Eck, do isch sogar, mr sieht es kaum, a Stückle Bäradreck.“