Tampa Bay. Foto: dapd

Wirbelsturm “Isaac” droht Mitt Romneys Krönungsparteitag in Tampa die Schau zu stehlen.  

Ab sofort finden sie hier wieder “Spin” von Spang. Und das gleich in Hurrikan-Stärke.

Wirbelsturm “Isaac” droht Mitt Romneys Krönungsparteitag in Tampa die Schau zu stehlen. Der erste Tag fiel den Launen der Natur bereits zum Opfer. Statt unter dem Motto “Wir können es besser” auf die Bilanz von Präsident Obama einzudreschen, könnte die Schlagzeile für diesen Montag nun lauten: Vom Winde verweht. Wie es an den kommenden Tagen weitergeht, ist ungewiss. Nach letztem Stand der Dinge dreht “Isaac” leicht westlich ab. Das ist gut für Tampa, aber bedenklich für New Orleans. Denn in diese Richtung nimmt der Hurrikan nun Kurs auf.

New Orleans? War da nicht was? Genau – Hurrikan “Katrina” kommt in den Sinn. Der katastrophale Sturm, der zum Sinnbild für die George W. Bush Versäumnisse im Inneren wurde. Eine Katastrophe, an die sich kein Republikaner gerne zurückerinnert. Schon gar nicht während eines Parteitages, auf dem der eigenen Kandidat glänzen soll. Wenn sich die GOP am Mittwochabend den Fernsehschirm mit Bildern aus New Orleans teilen müsste, wäre dies ein PR-GAU. Zudem müssten sich die Republikaner dann rhetorisch zurückhalten. Alles andere wäre schlechter Stil.

“Ich konzentriere mich darauf, Millionen Menschen nicht im Stich zu lassen”, sagt Romney

Vorsorglich teilte Romney am Sonntagmorgen schon einmal aus. “Ich konzentriere mich darauf, Millionen Menschen nicht im Stich zu lassen”, erklärte der Kandidat in einem Interview mit dem republikanischen Haussender FOX zu seiner Motivation, die Nachfolge Barack Obamas anzutreten. Er sei nicht seit acht Jahren auf einem “Ego-Trip”, sondern fühle die Verantwortung etwas für das Land zu tun. Mit Blick auf seine Auslandskonten meinte Romney, er habe sich für nichts zu entschuldigen. Obama mache Wahlkampf mit “Ärger und dem Säen von Zwist”.

Team Obama konterte mit einem Webspot, der sich lustig macht über Romneys Versuch, sich als “warme” und “zugängliche” Person auf dem Parteitag neu zu erfinden. Dafür verdiene er ein “N” wie in “Funktioniert Nicht”. Mit dem ehemaligen republikanischen Gouverneur von Florida Charlie Crist gewann Obama am Sonntag einen wichtigen Unterstützer in dem heiß umkämpften Sonnenstaat.

Für Romney bringt die erzwungene Verkürzung des ursprünglich auf vier Tage angelegten Parteitags einige Probleme mit sich. Statt eines ununterbrochenen viertägigen “Infomercial” muss er die heiße Phase im Präsidentschaftswahlkampf nun mit einer Improvisation beginnen. Ob es ihm unter diesen Umständen gelingt, sich den Amerikanern als warmherziger Kandidat vorzustellen, der zugänglich und offen daher kommt und selbstverständlich über seinen mormonischen Glauben spricht, bleibt abzuwarten. Dabei helfen soll eine Kulisse, die optische Nähe schafft. Denn allein darum geht es bei den Parteitagen: Politisches Theater für Fernsehen und neue soziale Medien aufzuführen.

Mühe haben die Planer nun das erzreaktionäre neue Parteiprogramm vor den Kameras zu verbergen. Versuchen werden sie es auf jeden Fall, weil die Amerikaner doch ziemlich abgeschreckt sein dürften, wenn sie zur besten Sendezeit erführen, wofür Romney und seine Retro-Truppe heute stehen. George W. Bush erscheint im Vergleich dazu wie ein liberaler Vordenker. Hier ein paar Highlights aus dem Programm:

Eextreme Positionen erklären, warum Romney als Kandidat bei Frauen, Latinos und verschiedenen Minderheiten weit hinterherhinkt

Die Republikaner wollen Abtreibungen in jedem Fall verbieten – auch bei Vergewaltigung und Inzucht. Sie ziehen mit einem Verfassungszusatz (!) gegen die Homoehe zu Felde, setzten sich für einen durchgängigen Zaun an der Grenze zu Mexiko ein, wollen Einwanderungs- und Wahlrecht weiter verschärfen, während sie das Recht auf Waffenbesitz ganz weit auslegen. Nicht einmal Einschränkungen bei Halbautomatischen Schnellfeuer-Gewehren und Magazinen, wie sie zuletzt bei dem Batman-Massaker zum Einsatz kamen sollen eingeschränkt werden.

Diese extremen Positionen erklären, warum Romney als Kandidat bei Frauen, Latinos und verschiedenen Minderheiten weit hinterherhinkt. Daran wird auch das Bühnendesign nicht viel ändern. Mal die großen Fernsehsender diesmal auf eine live-Berichterstattung der Eröffnungsnacht verzichten und auch an den drei Folgetagen jeweils nur eine Stunde aus Tampa übertragen.

Für den Rest hat Romney während der Hundstage des Sommers selber gesorgt. Warum er mitten im Sommerloch mit dem stahläugigen Liebling er Tea-Party Paul Ryan bereits seinen Vizepräsidentschaftskandidaten präsentierte, statt wie üblich bis kurz vor dem Parteitag zu warten, wenn die Amerikaner politisch wieder auf Empfang schalten, bleibt sein Geheimnis. Jedenfalls hat dem Herausforderer Präsident Barack Obamas diese Entscheidung nicht viel gebracht. In Umfragen war der “Schub” kaum merkbar. Mit etwa einem Prozent half Ryan dem Kandidaten so wenig wie lange niemand zuvor.

Statt über Wirtschaft und Jobs zu sprechen, fanden sich Romney und Ryan über Tage in der Defensive

Im Gegenteil sorgte dessen Wahl zum “Running Mate” zu einer anhaltenden Kontroverse über die Abtreibungs-Politik der Partei. Hatte sich Ryan doch seit Jahren für die radikalen Positionen stark gemacht, die jetzt im Programm stehen sollen. Dummerweise gehörte er dabei zu den Unterstützern von Vorstössen des republikanischen Senatskandidaten aus Missouri Todd Akin. Dieser brachte gerade mit seiner absurden Behauptung, das Frauen die “wirklich vergewaltigt” worden seien, eine ungewollte Schwangerschaft “natürlich” abstoßen könnten, sogar Sarah Palin auf die Barrikaden.

Statt über die Wirtschaft und Jobs zu sprechen, fanden sich Romney und Ryan über Tage in der Defensive. Das könnte eine Weile so weitergehen. Hat sich Team Obama Ryan Dank der Abtreibungskontroverse noch gar nicht wegen der ungeliebten Privatisierungs-Pläne für die staatliche Alters-Krankenversicherung “Medicare” vorgeknöpft.

Als wäre dies nicht genug, Romney „off message“ zu bringen, veröffentlichte die Webseite „Gawker“ rund 1000 Seiten an brisanten Informationen aus Romneys früherer Firma Bain Capital. Die von Bain als „echt“ bestätigten Unterlagen bekräftigen den Eindruck, dass für den 250 Millionen Dollar schweren Kandidaten andere Regeln gelten, als für die Mehrzahl der Amerikaner.

Schließlich sorgte Romney am Freitag in seinem Heimatstaat Michigan für Furore als er die Verschwörungstheorie über Obamas Staatsbürgerschaft in den Wahlkampf einführte. Ein Thema des rechten Rands, von dem sich der Kandidat bisher ferngehalten hatte, um Wähler der Mitte nicht abzuschrecken. Hurrican “Isaac” fügt sich in dieser Perspektive nahtlos in einen Wahlkampf ein, der bisher von Pleiten, Pech und Pannen geprägt war. Ob Romney das Blatt in Tampa wenden kann, wird sich daran ablesen lassen, wie sehr er seine Umfragewerte im Nachhinein verbessern kann. Die Umfragen der vergangenen Wochen zeigen bisher ein bemerkenswert stabiles Rennen. Obama hat sowohl bei den “registrierten” Wählern wie auch bei den “wahrscheinlichen” Wählern national die Nase knapp vorn. Ebenso verhält es sich in den umkämpften “Swing-States”. Den grössten Aufschwung bei einem Parteitag hatte einst Bill Clinton erlebt, der nach der “Convention” 1992 16 Prozent zulegen konnte. Romney wäre schon mit sehr viel weniger zufrieden.