„Bonsoir Stuttgart!“ ruft sie auf den Marktplatz – Sista K., die Sängerin von Watcha Clan aus Marseille. Foto: Leif Piechowski

Vorurteile müssen draußen bleiben. So lässt sich das Motto des Festivals zusammenfassen. Doch sind Klischees verbreiteter als uns lieb ist? Wir schauen uns diese Woche auf dem Marktplatz um und nehmen dabei das eine oder andere Stereotyp unter die Lupe.

Stuttgart - Christine Hegemann mag es scharf. Die 67-jährige Stuttgarterin sitzt an einem Tisch auf dem Stuttgarter Marktplatz beim Festival der Kulturen. Beim indischen Verein Bharat Majlis hat sie eine Portion Pakora verspeist – frittiertes Gemüse im Teigmantel. „In Südindien hab’ ich mal etwas gegessen, da hat alles gebrannt“, sagt sie.

Nach einem Brand sieht es beim türkischen Kulturverein Tohum aus. Aber es raucht nur der Grill, auf dem die Kebabspieße gebraten werden. Die 27-jährige Deniz sitzt an einem Tisch und verkauft Essensmarken, die mit den Worten „Adana“ oder „Gözleme“ beschriftet sind, das sind Spezialitäten aus Anatolien. „Döner haben wir keinen“, sagt sie. Deswegen fragt bei Tohum auch niemand: „Mit scharf oder ohne scharf?“. Jener Floskel-Klassiker aus dem Dönerladen wird gelegentlich zitiert, um zu konstatieren, dass Türken angeblich kein richtiges Deutsch können. Aber stimmt es wirklich, dass der Mann am Drehspieß nicht weiß, wie es richtig heißen müsste? Türkischexperten sagen: Eine Formulierung wie „mit scharf“ ist auch im Türkischen nicht korrekt. Warum man den Satz trotzdem oft hört? Vielleicht glaubt der deutsche Dönerkonsument gerne, dass der Türke hinterm Tresen lange stutzt, ehe er begreift. Die Dönerverkäufer wiederum haben verstanden, sie lassen uns in dem Glauben. „Mit scharf oder ohne scharf?“ – Wer auf diese Frage grinsend antwortet, bekommt ein, zwei Löffel „scharf“ zusätzlich ins Fladenbrot geschaufelt. Wieder nur ein Vorurteil?

Wie auch immer. Beim Stand der thailändischen Gruppe internationale Jugendarbeit hat man nicht mit Chili gespart, versichert Puttachart Sindlinger. Ihr Pavillon ist nahe der Schulstraße, wo auch Redakteure der Stuttgarter Nachrichten am Wochenende auf dem Festival vertreten sind. Die 41-jährige empfiehlt das rote Curry, und sie hat Recht. Es kann einem dabei kann schön heiß werden. Heißblütig werden bisweilen viele deutsche Männer, findet die gebürtige Thailänderin. Sie betreibt ein Massagestudio. „Wir müssen auf alle unsere Flyer schreiben, dass wir keine Erotik anbieten, weil sonst viele etwas anderes erwarten“, sagt sie.

Zur Beruhigung empfiehlt sich ein Mojito, am Stand der Cuba-Cooperación. Das ist ein Cocktail aus Limettensaft, Rum und frischer Minze. Rodolfo Larrudé mixt einen Mojito nach dem anderen. Wie viele Mojitos kann man an einem Tag trinken? Höchstens acht, heißt es bei den Kubanern. Alex Santana vom Verein der brasilianischen Kulturförderung PBK-Palmares bietet mehr. „Ich schaffe zehn Caipirinhas, wenn es darauf ankommt“, sagt er. Bescheidener ist man beim Humanitären Kulturverein Morava Stuttgart. Die Serben haben Sliwowitz im Angebot. Aber mehr als zwei Gläschen Hochprozentiges will sich hier niemand zutrauen.

Vor dem Stand des Vereins Treffpunkt Polen hat sich ein Fachgespräch darüber entsponnen, woher der beste Wodka kommt. Uli Rieck verteilt Kostproben eines edlen Kräuterwodkas aus Polen, den man auf keinen Fall in einem Zug trinken sollte. „Viel zu schade, das müssen sie genießen“, sagt der 52-jährige Korntaler. Genießen will diesen Abend auch Gabriele Meder. Die 50-jährige Stuttgarterin im grünen Sommerkleid tanzt vor der Bühne zur Musik der indischen Gruppe Indigo Masala: „Die Musik macht mich einfach fröhlich.“ Ganz ohne Hochprozentigem.