Auch in den Ferien gibt es zahlreiche Möglichkeiten zu lernen. Foto: dpa

Ob englischsprachige Ferien auf dem Bauernhof oder die Teilnahme am Robotikcamp: Immer mehr Angebote sorgen dafür, dass Schüler zunehmend in den Ferien pauken. Sollten sie dies tun?

Stuttgart - Familienurlaub, Freibadbesuche und eine Auszeit vom Lernen und der Schule – das ist es normalerweise, was die meisten von den großen Sommerferien erwarten. Dennoch gibt es immer mehr Angebote, die Schüler in den Ferien zum Lernen animieren wollen. Egal ob englischsprachige Ferien auf dem Bauernhof, mehrtägige Robotikcamps oder das Abivorbereitungscamp am Bodensee – rund 100 Anbieter sorgen dafür, dass Jugendliche auch in den Ferien büffeln können.

Genaue Zahlen, wie viele Kinder in Baden-Württemberg bereits an Ferienkursen und Sprachreisen teilnehmen, gibt es bislang nicht, da viele verschiedene Anbieter Kurse im Programm haben. Die Nachfrage nach Nachhilfe habe in den vergangenen Jahren jedoch stark zugenommen, sagt Carsten Rees, der Vorsitzende des Landeselternbeirates. Schuld daran sei der Leistungsdruck, den die Kinder verspürten. Viele Eltern wollten unbedingt, dass ihre Kinder das Gymnasium besuchten und gute Noten erzielten.

Carsten Rees empfindet es dennoch als positiv, wenn Schüler Ferienangebote wahrnehmen, bei denen sie etwas lernen. Schließlich sei es auch nicht gut „ins lernerische Nirvana zu fallen“. Sprachreisen und Lerncamps seien oft jedoch auch eine Frage des Geldbeutels. Viele Familien könnten sich dies schlichtweg nicht leisten.

„In den Sommerferien sollten Kinder und Jugendliche in erster Linie das tun, worauf sie Lust haben – ganz ohne Stundenplan, Hausaufgaben und Notendruck“, meint die Kultusministerin Susanne Eisenmann. Daraus entstünden auch Kreativität und neue Motivation. Dennoch glaubt sie, dass es für manche Schüler und Schülerinnen hilfreich sein kann, das neue Schuljahr rechtzeitig in den Blick zu nehmen.

„Kinder sollten auch mal Langeweile und Pausen haben“

Ähnlich sieht das Christiane Konnertz, die Inhaberin des Veranstalters „Das Lernteam“, der diverse Feriencamps anbietet. Es hänge von der individuellen Situation der Schüler ab, ob in den Ferien gelernt werden sollte oder nicht, sagt sie. Kindern, die große Defizite in der Schule hätten und vielleicht sogar eine Klasse wiederholen müssten, würden die Lerncamps helfen, Lücken zu schließen und mit weniger Druck in das neue Schuljahr zu starten. Bei den Feriencamps könnten die Schüler sowohl Unterrichtsinhalte als auch ihre Kenntnisse in Lernmethodik und Rhetorik vertiefen. Konnertz ist überzeugt, dass es den meisten Eltern nicht darum gehe, die Noten der Kinder zu verbessern, sondern, die Kinder selbstständiger werden zu lassen. Zudem knüpften die Schüler oft neue Freundschaften in den Camps.

Es könne und sollte nicht gänzlich vermieden werden in den Ferien zu lernen, glaubt auch die Erziehungswissenschaftlerin Gudrun Schönknecht von der Pädagogischen Hochschule in Freiburg. „Auch beim Spielen im Wald und dem Besuch im Museum oder Zoo lernen Kinder“, sagt sie. Schönknecht rät dazu, während der Ferien kein Fachwissen zu büffeln. Gegen Sprachreisen und Lerncamps in den Ferien sei grundsätzlich nichts einzuwenden. Wenn Schüler allerdings in den Ferien lernten, sei es wichtig, Pausen festzulegen und zu planen, wann gelernt werde. Die Erziehungswissenschaftlerin warnt davor, die Ferien zu stark durchzutakten „Bei vielen Kindern ist die Freizeit bereits sehr stark durchorganisiert und verschult. Kinder sollten auch mal Langeweile und Pausen haben“, meint Schönknecht.

Eltern sollen gelassener reagieren

Matthias Schneider, der Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissen, ist überzeugt, auf den Kindern laste schon während der Schulzeit genug Leistungs- und Erwartungsdruck. Er glaubt, es habe keine positiven Effekte in den Ferien zu lernen. Die Sommerferien seien im europaweiten Vergleich ohnehin recht kurz. Schneider meint, es sei Sinn und Zweck der Ferien, dass Kinder auch einfach mal ins Freibad gingen. Eltern rät er zu mehr Gelassenheit. Wichtiger als einzelne Noten sei es für die Entwicklung der Kinder, ihnen zu zeigen, dass die Eltern allgemein stolz auf sie seien.