Das Ende eines Überholmanövers: Das Wrack des Rennwagens liegt verpackt auf einem Abschleppwagen Foto: 7aktuell.de/Eyb

Der schwere Unfall beim Solitude Revival mit Oldtimer-Rennautos wirft Sicherheitsfragen auf. Für die Strecke, für die im Alltag Tempolimits gelten, waren auf Teilabschnitten weitaus höhere Geschwindigkeiten erlaubt.

Stuttgart - Noch immer liegt der 66-jährige Fahrer des Rennwagens Ronart-Jaguar vom Typ W 152 im Krankenhaus. Am Sonntag gegen 14.30 Uhr war der Mann aus dem Nordschwarzwald, der dort eine Lamborghini-Werkstatt betreibt, mit seinem Rennwagen auf der L 1189 zwischen dem Dreispitz und dem Katzenbacher Hof in Richtung Büsnau von der Straße abgekommen, hatte sich mit seinem 45-jährigen Beifahrer überschlagen und war in einen Streckenposten gerast. Ein Strohrundballen verhinderte Schlimmeres: Drei Streckenposten kamen leicht verletzt davon.

Die Polizei ermittelt nun wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Fahrer. „Ein entsprechender Vorgang ist von der Verkehrspolizeidirektion auf dem Weg zu uns“, bestätigte am Montag ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft.

Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der 66-Jährige mit hoher Geschwindigkeit in einer langen Rechtskurve einen Vordermann überholen wollen. Dabei geriet der Ronart-Jaguar aus dem Jahr 1969 offenbar in den Grünstreifen – und außer Kontrolle. Der Wagen flog in ein Waldstück. Folgen: Ein Schwer- sowie vier Leichtverletzte und 60 000 Euro Schaden.

Für Alltagsverkehr gültige Tempolimits waren aufgehoben

Für den Führerschein hat das keine Folgen: „Es gibt verkehrsrechtlich allerdings keine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn. Denn die für den Alltagsverkehr gültigen Tempolimits waren für die Veranstaltung Solitude Revival aufgehoben. „Man könnte auch sagen, die Strecke war Privatgelände“, so Widenhorn. Alles mit dem Segen der Straßenverkehrsbehörden von Leonberg, Stuttgart und Böblingen. Auf Grundlage eines Gutachtens des Deutschen Motor-Sport-Bundes (DMSB), das Stuttgart zuvor eingefordert hatte.

Das Gutachten sah dabei verschiedene Tempolimits vor, die indes teilweise weit über den im Alltag gültigen Werten lagen. „Auf dem Unfallabschnitt selbst waren 120 km/h erlaubt“, sagt Revival-Sprecher Bastian Atzger, „und später auf der Gerade sogar 160 Kilometer pro Stunde.“ Der Alltagsautofahrer muss sich auf 60 beziehungsweise 80 km/h beschränken. Allerdings habe der Kurs auch rigide gehandhabte Langsamfahrstellen gehabt, so Sprecher Atzger: „Auf dem Abschnitt runter zum Schatten wurde das Tempo auf 50 begrenzt, und das war durch Schikanen sichergestellt“, sagt er. Im Start-Ziel-Bereich galt Tempo 60.

"Die können sich doch auf speziellen Oldtimer-Rennen austoben"

Eigentlich war auch keine Eile geboten: Beim Solitude Revival handelte es sich um kein Rennen, sondern eine Präsentationsfahrt. „Die können sich doch auf den vielen speziellen Oldtimer-Rennen austoben, aber nicht hier“, schimpft Rennfahrer-Legende Hans Herrmann. Dabei hat die Geschwindigkeitsfrage auf der Solitudestrecke eine lange Tradition. Die pfeilschnelle Berg- und Talbahn mit 18 Prozent Steigung und elf Prozent Gefälle wurde so unfallträchtig, dass 1964 das letzte Formel-1-Rennen stattfand. Der Schotte Jim Clark setzte mit einem Durchschnittstempo von 179,4 km/h den Streckenrekord.

Das war jenseits aller Sicherheitsgrenzen. Das Innenministerium erteilte für 1966 keine Genehmigung mehr für die Rennen. Sicherheit ging auch beim Solitude Revival im Jahr 2011 vor – keiner der Oldtimer-Teilnehmer durfte schneller als Tempo 80 fahren. Die Vorgabe der Behörden stieß auf heftige Kritik. Das DMSB-Gutachten sollte offenbar ein Kompromiss sein. „Die darin enthaltenen Sicherheitsmaßnahmen haben ja auch gewirkt“, sagt Undine Binder-Farr, Sprecherin der Stadt Leonberg. Die Strohballen etwa haben Schlimmeres verhindert. Das Konzept des Rettungsdienstes habe bestens funktioniert. Die mit gelben und roten Flaggen sowie Funkgeräten ausgestatteten Streckenposten hätten sofort die Rettungskräfte alarmieren und die Teilnehmer auf der Strecke stoppen können. „Wir müssen nun erst einmal die Ermittlungsergebnisse abwarten“, sagt Stadtsprecherin Binder-Farr.

Freilich ist dies nicht der erste schwere Unfall bei einer Oldtimer-Schau. Bei der Solitude Rallye am 20. Juni 2004 hatte ein 65-Jähriger in Gerlingen die Kontrolle über seinen Abarth 3000 V 8 verloren und war in die Zuschauermenge geschleudert. 13 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Auch damals musste die Veranstaltung abgebrochen werden. Die Ermittlungen ergaben ein Bündel an Ursachen: Der Fahrer war mit 70 bis 80 statt der erlaubten 50 km/h unterwegs, die Rennreifen waren kalt und hatten wenig Haftung, die Fahrbahn war teils verschmutzt, außerdem hatte der Fahrer eine falsche Lenkbewegung gemacht. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld eingestellt – der Unglücksfahrer musste aber eine fünfstellige Geldauflage zahlen.