Der Solarausbau geht in Baden-Württemberg unterschiedlich schnell voran. Wir haben nachgefragt, was die Gründe sind – und welche Konzepte den Ausbau beschleunigen.
Das Solarranking Baden-Württemberg zeigt, wie gewaltig die Unterschiede beim Photovoltaik-Ausbau im Land sind. Gemessen an ihrer Einwohnerzahl erzeugen manche Gemeinden mehr als das Zehnfache dessen, was die Kommunen im hinteren Teil des Rankings schaffen.
Das hat auch, aber nicht nur mit Strukturunterschieden zu tun. Große Städte mit vielen Mehrfamilienhäusern, in denen relativ viele Menschen unter einem Dach leben, tun sich bei solchen Rankings schwerer als Kleinstädte mit vielen Einfamilienhäusern. Warum aber ist die PV-Leistung pro Kopf in Ulm fünfmal so hoch wie in Stuttgart? Was ist das Erfolgsrezept von Ehingen? Und warum kommen wohlhabende Gemeinden wie Neckargemünd kaum vom Fleck? Das haben wir die zuständigen Abteilungsleiter und Bürgermeister selbst gefragt.
Stuttgart: „Kosten für Installation können höher sein als der Nutzen“
„Ballungsgebiete mit hoher Verdichtung schneiden beim PV-Ranking erwartungsgemäß schlecht ab. Die Kosten für die Installation durch Gerüste oder Kräne können bei einem mehrgeschossigen Gebäude im dicht bebauten Gebiet deutlich höher ausfallen als die Kosten für die PV-Anlage an sich“, sagt der Abteilungsleiter Energie bei der Stadt Stuttgart, Jürgen Görres, „daher fördert die Stadt Stuttgart auch die Installationskosten innerhalb der Solaroffensive.“
Zwar sei Stuttgart im landesweiten Solarranking ganz hinten. Man dürfe Stuttgart aber nicht mit Städten wie Ulm vergleichen, die nur gut ein Sechstel der Einwohnerzahl hätten. „Im bundesweiten Vergleich der Großstädte mit mehr als 500 000 Einwohnern steht Stuttgart im guten Mittelfeld“, so Görres.
Ulm: „Kapazitäten noch nicht ausgeschöpft“
Der Ulmer Oberbürgermeister Cunter Czisch sieht seine Stadt als PV-Vorreiter. Bestätigt wird die Einschätzung durch Platz eins im Solarranking der baden-württembergischen Großstädte. „Ulm hat schon früher wiederholt den ‚Titel‘ in der Solarbundesliga geholt“, berichtet Czisch. Vor allem für den Geschosswohnungsbau habe man sich etwas einfallen lassen müssen, 90 Prozent aller neuen Wohnungen fielen darunter.
Czisch: „Durch die städtische Förderung von Mieterstrom wurde bereits ein Modellprojekt umgesetzt. Seit 2021 fördern wir mit 750 000 Euro im Jahr PV-Installationen für Privatpersonen, Unternehmen und Vereine. Mit solchen Programmen lässt sich die Zahl der privaten Anlagen steigern. Die größten Zuwächse entstehen aber über Freiflächenanlagen. Unternehmen verfügen oft über große versiegelte Flächen. Solche Standorte bieten sich ebenfalls für Photovoltaik an, auch hier sind Förderprogramme sinnvoll.“
Ehingen: „Wollen Vorbildfunktion einnehmen“
Die Stadt Ehingen (Donau) liegt unter den Mittelstädten (20 000 bis 100 000 Einwohner) ganz vorn. „Wir beschäftigen uns als Nachhaltige Stadt schon seit 2012 verstärkt mit der Energiewende, der PV-Ausbau spielt eine bedeutende Rolle. Wir wollen hier eine Vorbildfunktion einnehmen und haben frühzeitig Bebauungspläne für Freiflächenanlagen aufgestellt“, sagt der Oberbürgermeister Alexander Baumann.
20 Liegenschaften der Stadt seien derzeit mit PV-Anlagen bestückt. Einfamilienhäuser lieferten wenige Kilowatt, große Firmen- oder Schuldächer dagegen „schon einmal mehrere Megawatt“, sagt Baumann. Zur guten Platzierung tragen vor allem die fünf Freiflächenanlagen bei. „Zwei davon wurden erst kürzlich in Betrieb genommen, übrigens ohne städtische Förderung“, berichtet Baumann: Die Betreiber seien meist regionale und überregionale Projektierer für Erneuerbare Energien.
Donaueschingen: „Immer für Photovoltaik geworben“
„Wir nutzen schon seit Jahren städtische Gebäudedächer für Photovoltaikanlagen – zuerst durch die Vermietung großer Dächer an Investoren, zunehmend auch als Eigeninvestition“, sagt der Donaueschinger Oberbürgermeister Erik Pauly. Auch seine Kommune landet im Solarranking weit vorne.
19 weitere städtische Gebäudedächer seien derzeit im Blick, so Pauly: „Wir prüfen die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen auf Parkplätzen und erstellen eine Planung für Freiflächenanlagen. Die Stadtverwaltung hat immer für Photovoltaik geworben, etwa über die Kampagne Solar-Kommune der Deutschen Umwelthilfe. Wir haben Gewerbebetriebe angeschrieben und Geburtshilfe bei einem gewerblichen Energie-Effizienz-Netzwerk geleistet.“
Blaufelden: „Freiflächen sind unser Vorteil“
Die Gemeinde Blaufelden in Hohenlohe liegt im Ranking der Kleinstädte auf Platz drei. Hier wird pro Kopf zehnmal so viel Solarstrom erzeugt wie in Ulm. „Unsere Landwirte haben schon um die Jahrtausendwende begonnen, in PV-Anlagen zu investieren. Seither kamen viele Privatleute und Unternehmen dazu“, berichtet der Bürgermeister Michael Dieterich, „in Blaufelden nutzen wir also Scheunen und Maschinenhallen ebenso wie Gewerbebauten, Häuser und Garagen“.
Private PV-Betreiber spielten beim Ausbau die wichtigste Rolle. Die Gemeinde hat vor einigen Jahren einen Grundsatzbeschluss zu Photovoltaik auf gemeindeeigenen Gebäuden gefasst, darunter die Mehrzweckhalle. „Blaufelden hat wie andere Gemeinden in der Hohenloher Ebene einen Vorteil, weil wir nicht nur Dächer, sondern auch viele Freiflächen haben – fast 70 Prozent unseres Gemeindegebiets sind Landwirtschaftsfläche. Das spielt für uns in den kommenden Jahren eine große Rolle“, so Dieterich. Sein Tipp an andere Kleinstädte: „Der gemeinsame Austausch, die optimale Erfassung möglicher PV-Flächen und der Nachhaltigkeitsgedanke sind wesentliche Grundlagen für einen optimalen Ausbau im eigenen Gebiet.“
Neckargemünd: „Denkmalschutz schränkt Ausbau ein“
In Neckargemünd geht der Solarausbau kaum voran. Die Werte pro Kopf sind ungefähr so hoch wie in den baden-württembergischen Großstädten. Wie kommt’s? „Größere Bereiche unseres Stadtgebiets unterliegen dem Denkmalschutz. Das schränkt den PV-Ausbau ein“, sagt der Bürgermeister Frank Volk. Dafür fördere die Verwaltung den Ausbau von Balkonmodulen, wenn eine Anlage auf dem Dach nicht möglich sei. Hemmend wirke ein vor 15 Jahren erschlossenes Neubaugebiet, bei dem in weiten Teilen eine satzungsgemäße Pflicht zum Fernwärmeanschluss mit gleichzeitigem PV-Verbot besteh.
„Die recht geringen Werte pro Kopf haben zudem mit unseren fast 1000 Internatsbewohnern zu tun“, sagt Volk. Dennoch wolle die Stadtverwaltung als Vorbild handeln und verbaue neben dem Stadion und auf einer ehemaligen Deponie Photovoltaik, zudem gibt es alle vier Wochen eine kostenlose Energieberatung im Rathaus. „Für kleinere Gemeinden ist es eine Herausforderung, Förderprogramme zu finanzieren und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Die Struktur ist kleinteilig, es gibt viele potenzielle Adressaten für Photovoltaik“, sagt Volk: „Große Wohnungsunternehmen, die viele Objekte betreuen und mit denen wir kooperieren können, fehlen hier. Außerdem gibt es kein Neubaugebiet, für das die Photovoltaikpflicht gilt.“