Stefan Clarenbach glaubt, dass die Solarbranche noch viel Potenzial bietet. Foto: Ott

Stefan Clarenbach von Degerloch Solar sieht keinen Grund, sich über die Kürzung der Einspeisevergütung aufzuregen.

Degerloch - Die Bundesregierung senkt die Einspeisevergütung für Sonnenstrom kräftig, das Protestgeschrei ist laut in der Solarbranche und unter den Häuslebesitzern, die eine Anlage aufs Dach bauen wollen. Nicht immer zu Recht, sagt Stefan Clarenbach, Vorsitzender des Vereins Degerloch Solar.


Herr Clarenbach, Sie haben auf dem Dach Ihres Hauses in Degerloch eine Fotovoltaik-Anlage.
Ja, ich gehöre wohl mit zu den Ersten in Stuttgart, die sich Solarzellen aufs Dach montiert haben. Das war 1995, ich habe den Strom für den Eigenbedarf genutzt. 2003 habe ich meine Anlage umgerüstet und speise seitdem Strom ins Netz ein.

Dann haben Sie prächtig von der Einspeisevergütung profitiert, 2003 wurde die Kilowattstunde Solarstrom noch mit mehr als 40 Cent vergütet. Ärgert es Sie, wegen der Subventionskürzung ab März statt aktuell 22 Cent nur noch 16,50 Cent zu bekommen?
Nein, ich bekomme die anfängliche Vergütung 20 Jahre lang. Man muss sich aber anschauen, was die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 mit der Einspeisevergütung bezwecken wollte: die Einführung einer Technologie zu fördern und sie wettbewerbsfähig zu machen. Das ist erfüllt. Im Übrigen viel früher, als erwartet.

Der Vorsitzende eines Vereins zur Förderung der Solarenergie sagt: Es reicht. Warum?
Die Hersteller haben in den vergangenen Jahren gut gelebt. Aber sie haben weniger in die Forschung und die Verbesserung ihrer Produkte investiert als andere High-Tech-Branchen. Durch die hohen Subventionen war es den Kunden nicht so wichtig, wie teuer und wie effizient eine Anlage war. Diese Versäumnis rächt sich jetzt. Die Konkurrenz aus Asien ist ebenbürtig – und vielfach günstiger.

Dennoch: Ist es angesichts des geplanten Atomausstiegs nicht das falsche Zeichen, jetzt aus der Förderung der Solarenergie herauszugehen?
Zum einen wird die Förderung ja nicht eingestellt, die Subvention wird nur gedrosselt. Zum anderen muss man die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Es geht um hohe Milliardenbeträge. Kann man mit dem gleichen Fördergeld auf anderen Gebieten nicht noch mehr für den Klimaschutz erreichen? Etwa, indem man energetische Sanierung fördert und somit überhaupt weniger Energie erzeugen muss.

Im Schnitt scheint die Sonne über Stuttgart 1820 Stunden pro Jahr. Wie viel tragen die Stuttgarter zu den 20 Prozent bei, die der Solarstrom im deutschen Strommix inzwischen ausmacht? Wenn ich bei Ihnen aus dem Fenster schaue, sehe ich wenige Solarzellen auf den Dächern.
Ja, die Dichte der Fotovoltaik-Anlagen ist hier noch ausbaufähig. Bis vor wenigen Jahren war Stuttgart, solartechnisch gesehen, eine Wüste. Als Degerloch Solar 2001 auf dem Dach der Filderschule hier im Ort eine Anlage errichtet hat, galten wir noch als Leuchtturm-Projekt. Aber inzwischen ist viel passiert. 2009 hat sich die Bürgerenergie-Genossenschaft gegründet und einige größere Projekte verwirklicht, unter anderem 2010 die Anlage auf dem Dach des Degerlocher Wilhelms-Gymnasiums. Die Stadt hat lange Zeit gezögert und erst neuerdings damit begonnen, auf öffentlichen Gebäuden Solarzellen anzubringen.

Glauben Sie, dass die Eigenheimbesitzer in Degerloch, Sillenbuch, Birkach oder Plieningen trotzdem weiter Solarzellen aufs Dach bauen werden?
Ich befürchte fast, dass es zunächst einen Einbruch geben wird. Es ist ein Verständnisproblem: Bei den Bürgern wird vor allem ankommen, dass es weniger Geld für das Einspeisen gibt. Aber das bedeutet ja nicht, dass man keine Gewinne mehr macht. Die Einspeisevergütung sinkt zwar rapide, allerdings ist der Preis für die Module in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls rapide gesunken. 2006 kostete eine Anlage, die 1000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt, noch 5000 Euro, heute sind es wenig mehr als 2000 Euro.

Aber es rechnet sich nicht mehr so wie früher.
Das stimmt. Wer rein ökonomisch an die Sache herangeht, kann nach der Kürzung der Subventionen zu diesem Schluss kommen. Wer hingegen grün denkt, seinen Beitrag zur Energiewende leisten will, für den ist eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach eine sinnvolle Alternative, sein Geld anzulegen. Zumal sie ja trotzdem noch eine, wie ich finde, vernünftige Rendite von rund fünf Prozent bringt.

Trotzdem: Ist damit aus dem Zukunftsprojekt Solarenergie nicht vorerst die Luft heraus?
Nein, auf keinen Fall. Das bezweifeln nicht mal die Vertreter der Solarbranche, die aktuell laut klagen. Die Technik bietet ein unglaubliches Potenzial, wir müssen nur eine Möglichkeit finden, die Sonnenenergie zu speichern. Das Problem ist bekannt: Solarstrom lässt sich nicht konstant erzeugen. Sobald man ihn speichern kann, kann sich jeder Haushalt nahezu autark mit Solarstrom versorgen. Damit wäre zugleich das zweite, große Problem gelöst.

Welches?
Die Überforderung der Stromnetze, nicht nur durch die Wind-, sondern auch durch die Solarenergie. Ein Beispiel: Ein großer Teil des Solarstroms in Deutschland wird von riesigen Solarfeldern in Brandenburg erzeugt. Dort gibt es gar nicht genug Abnehmer. Bislang fehlt jedoch die Möglichkeit, diesen Strom in weiter entfernte Regionen mit hoher Nachfrage zu leiten. Wenn ich das, was ich erzeuge, selbst verbrauche, muss ich das Stromnetz nicht erst mühsam ausbauen.

Das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Autarkie widerspricht natürlich den Interessen der Stromkonzerne. Denn wenn sich die Haushalte weitestgehend selbst mit Strom versorgen, bricht ihnen die Hälfte der Nachfrage weg. Von den 600 Terawattstunden Strom, die in der Bundesrepublik im Jahr verbraucht werden, nehmen rund 50 Prozent die privaten Haushalte, Handel und Kleingewerbe ab. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass die die Subventionen der kleinen Anlagen, die einen Privathaushalt durchaus mit Strom versorgen können, nicht so massiv gekürzt werden. Denn genau sie sind wichtig für den Ausbau der dezentralen Stromerzeugung.
Das Gespräch führte Annegret Jacobs.