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Wer liegt beim Solarausbau vorn? Unser Ranking für Baden-Württemberg zeigt es – und erklärt, wie Kommunen vor Ort mithelfen können.

Der vergangene Samstag war ein guter Tag für die Energiewende in Baden-Württemberg. Zeitweise wurden knapp 90 Prozent des Bedarfs mit Strom aus dem Südwesten gedeckt. Zwei Drittel davon kamen wiederum, jedenfalls tagsüber, aus Solaranlagen. Kohle- und Gaskraftwerke mussten kaum etwas zuliefern. „Sonnenstrom ist schon heute die Stütze der Energiewende in Baden-Württemberg“, sagte vergangenes Jahr die Umweltministerin Thekla Walker anlässlich der Photovoltaikpflicht auf allen neuen Wohngebäuden. Seit Jahresbeginn gilt sie auch bei Dachsanierungen.

 

Baden-Württemberg meint es ernst mit dem Solarausbau. Wie weit man damit vor Ort ist, war bislang jedoch unklar. Zwar muss jede ans Stromnetz angeschlossene Solaranlage in das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eingetragen werden. Eine gemeindescharfe Auswertung gibt es aber nicht. Dabei treibt der Vergleich den Ehrgeiz vor Ort an: Was läuft gut, was nicht? Wo gäbe es noch Flächen für Photovoltaik?

Das Solarranking für Baden-Württemberg

Unsere Redaktion hat gemeinsam mit der bundesweit tätigen Initiative „Wattbewerb“ die Daten für alle baden-württembergischen Kommunen mit Stand Ende Juli ausgewertet und daraus das Solarranking für Baden-Württemberg erstellt. Es zeigt, wie viel Leistung pro Kopf und Gebäude installiert ist. Die Leistung wird in Kilowattpeak (kWp) angegeben, also dem unter Idealbedingungen Möglichen. Drei Kilowattpeak braucht es bei einer gut positionierten Anlage, um einen durchschnittlichen dreiköpfigen Haushalt mit Strom zu versorgen.

Innerhalb Baden-Württembergs sind die Unterschiede gewaltig: In Großstädten wird mit 0,1 bis 0,5 Kilowattpeak pro Einwohner nur ein Zehntel dessen erzeugt, was Klein- und Mittelstädte schaffen.

Großstädte haben es schwerer

Das hat auch mit der Gebäudestruktur zu tun. In Großstädten stehen typischerweise viele Mehrfamilienhäuser, es wohnen also mehr Menschen unter einem Dach – in Stuttgart, Freiburg und Heidelberg sind es im Schnitt mehr als acht, in Ehingen an der Donau dagegen nur vier. „Im ländlichen Raum gibt es mehr Einfamilienhäuser, auf denen mehr Platz für Photovoltaikanlagen pro Kopf ist“, schreibt die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) in einer Auswertung zum Solarzubau im Land.

Das oberschwäbische Ehingen landet im Vergleich der Mittelstädte auch deshalb so weit vorn, weil es viele freie Flächen hat. Mehr als die Hälfte des dort erzeugten Solarstroms wird auf Äckern und anderen Freiflächen produziert – in dicht bebauten Großstädten undenkbar. Dennoch zeigt der Vergleich von Städten mit ähnlicher Struktur, dass einige beim Solarausbau weiter sind als andere. Zumal „das Potenzial um zwei bis drei Größenordnungen größer ist als die tatsächliche aktuelle Erzeugung“, so die KEA.

Was bringt den Solarausbau vor Ort voran? Dazu haben wir einige der besten Gemeinden im Ranking befragt (siehe Umfrage). Holger Bruch vom „Wattbewerb“ glaubt, dass neben strukturellen Faktoren die Stimmung unter den Einwohnern einen Einfluss hat.

„Initiativen wie ‚70599 Lebenswert’ in den Stuttgarter Stadtbezirken Plieningen und Birkach können viel auslösen und Bewegung reinbringen.“ Das sei auch die Idee hinter dem „Wattbewerb“: den lokalen Ehrgeiz anstacheln und Menschen erreichen, die von sich aus womöglich nicht auf die Idee gekommen wären, über Photovoltaik nachzudenken, nach dem Motto: Wenn der Nachbar das hinkriegt, dann schaffe ich es sicher auch – oder kann ihn vielleicht einfach mal zu seinen Erfahrungen befragen. Zum Beispiel auf dem Vaihinger Wochenmarkt, auf dem Bruch Solarmodule vorführte. Oder in Botnang, wo jüngst ein Kollege eine Sammelbestellung von Photovoltaikmodulen organisierte.

Solarwettbewerb ist kein Selbstläufer

Dass der Wettbewerbsgedanke bei der Energiewende helfen kann, zeigen etliche lokale Debatten, ob eine Gemeinde am „Wattbewerb“ teilnehmen soll oder nicht. Im bayerischen Wolfratshausen lehnten Gemeinderat und Bürgermeister das ab, weil es sich um ein „Spiel ohne Grenzen“ handle, das der Verwaltung bloß Mehrarbeit beschere. Die Stadt Moers (Nordrhein-Westfalen) dagegen hielt eine „Solarwattwanderung“ zu einigen beispielhaften Anlagen in einem aufwendig gemachten Video fest. Bis 2018 gab es mit der „Solarbundesliga“ einen ähnlichen Wettbewerb.

Jedes Solarmodul hilft bei der Energiewende. An Pfingsten wurde laut dem Bundesverband Solarwirtschaft die Marke von drei Millionen Anlagen geknackt. Zuletzt kam jeden Monat mehr als ein Gigawatt Leistung dazu. Die von der Bundesregierung für 2023 angepeilten neun Gigawatt Zubau dürften locker erreicht werden – das ist mehr als doppelt so viel wie die mittlerweile abgeschalteten letzten drei Atomkraftwerke Ende 2022 noch erzeugten. Das hohe Tempo ist notwendig, weil bis 2030 mindestens 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien kommen sollen.

Auch in Großstädten ist noch viel zu holen

Baden-Württemberg liegt im Bundesländervergleich im vorderen Mittelfeld, wenn man den PV-Zubau gemessen an der Landesfläche betrachtet – und weiter hinten, wenn man die neu installierte Leistung je Einwohner vergleicht. Da haben Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die Nase vorn. Ähnlich wie im Städtevergleich tun sich auch dicht besiedelte Bundesländer schwerer als dünn besiedelte mit großen Flächen für Freiflächenanlagen und einem hohen Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern.

„Die Bedeutung von größeren PV-Anlagen und Freiflächenanlagen am Leistungszubau verdrängte die Bedeutung der Kleinanlagen“, heißt es in einer aktuellen Fraunhofer-Studie. Doch auch in dicht besiedelten Großstädten ist noch viel zu holen. Eine Auswertung der dpa zeigte vergangenes Jahr, dass in Nürnberg fast 70 Prozent der neu dazugekommenen Dachfläche mit PV-Modulen bestückt wurden, in München dagegen nur gut 20 Prozent. Stuttgart lag mit 57 Prozent auf Platz vier der untersuchten 14 Städte.

Daten nicht eindeutig

Die Energiewende vor Ort zu analysieren, ist übrigens trotz des zentralen Marktstammdatenregisters alles andere als leicht. Anlagen sind teilweise nicht eindeutig einer Gemeinde zugeordnet, Eingabefehler werden von einem eigens eingerichteten Team bei der Bundesnetzagentur mühsam nachträglich kontrolliert.

Für unser Solarranking wurden offensichtlich fehlerhafte Einträge nicht berücksichtigt und einzelne größere Anlagen händisch der richtigen Gemeinde zugeordnet. Ohne solche Korrekturen betrüge die Unschärfe in den Daten ausweislich unserer Auswertung bis zu zehn Prozent.

Zum Projekt „Solarranking“

Thema
 Im windarmen Baden-Württemberg ist Photovoltaik die wichtigste erneuerbare Energiequelle. Wie gut kommt das Land beim Ausbau voran? Das zeigt unser Solarranking sowie eine lose Artikelreihe in den kommenden Wochen.

Daten
 Die Analyse basiert auf Zahlen aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Dort müssen alle Solaranlagen angemeldet werden. Für die Auswertung kooperieren wir mit dem Verein „Wattbewerb“, der mit einem spielerischen Wettkampf den Solarausbau in ausgewählten deutschen Kommunen begleitet.