Im Beruf wie im Privaten hat Namenserfinder Manfred Gotta ein besonderes Faible für Autos: In seiner Garage steht unter anderem ein Morgan Roadster. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Im Schwarzwaldort Forbach tüftelt Manfred Gotta an Produktnamen. Viele davon sind Welterfolge geworden. Auch weil Gotta Freude daran hat, mit seinen Erfindungen hin und wieder anzuecken.

Stuttgart/Forbach - Zur Begrüßung steckt sich Manfred Gotta (67) seinen Zigarrenstummel in den Mundwinkel. Dann schüttelt er einem die Hand, angenehm kräftig. So wie der Geruch des Zigarrenqualms, der ihn umweht. Da steht er also: der Namenspapst. Der Erfinder so prominenter Wortschöpfungen wie Vectra (Auto), Targobank (Bank), Megaperls (Waschpulver) und Evonik Industries (Chemieunternehmen).

Treffpunkt für das Gespräch: der Verkaufsraum des Autohändlers Merz & Pabst in Nürtingen, spezialisiert auf Roadster der Marken Morgan und Lotus. Warum hier? „Mein Morgan steht drüben auf der Hebebühne. Ich lasse noch mal eine Inspektion machen, bevor ich mit meiner Frau nach Italien fahre“, sagt Gotta. Dass er sich so ein Hobby leisten kann, verdankt er seinem Erfindungsreichtum. Kein anderer schuf so viele bekannte, erfolgreiche Produktnamen wie Gotta. „Ich kann gut davon leben“, sagt der gebürtige Hesse bescheiden.

Doch wie kommt man auf solche Ideen? „Nehmen wir mal den Twingo, daran kann ich es am besten erklären.“ Zuerst mal gehe es ihm ums Zuhören. Zudem will Gotta das Unternehmen kennenlernen, die Kultur, die dort herrscht. Geht es um ein Auto, muss er mit ihm allein sein: „Ich lasse mich mit dem Auto einschließen.“ Dann nähert er sich diesem Wesen, das für ihn wie ein Mensch ist.

„Ein Auto hat Augen, Gesicht, Herz und sogar Beine“, sagt Gotta. „Und eine Seele, die es zu ergründen gilt.“ Der erste Eindruck sei der entscheidende: „Wie bei einem Menschen.“ Gotta setzt sich hinters Lenkrad, atmet den Geruch des Wagens ein. „Dann kann es auch mal ganz schnell gehen“, sagt er. In der Regel sei die Namensfindung aber ein längerer Prozess, bei dem er aus bis zu 300 Ideen die besten auswählt. Wie er dabei vorgeht, kann er nicht sagen: „Es ist einfach eine Gefühlssache.“ Mittlerweile hat er etwa 20 freie Mitarbeitern, die ihm Ideen zuliefern. Meist Journalisten und Werbetexter. Möglichst keine großen Autonarren: „Sonst spulen sie nur Gelerntes ab.“ Und genau das will Gotta nicht.

Die besten Wortkreationen gehen in die Marktforschung. Potenzielle Konsumenten bewerten die Vorschläge. „Gefällt ein Name allen, fliegt er sofort raus.“ Ein guter Name müsse polarisieren und Diskussionen auslösen. Nur eine ungewöhnlich markante Wortschöpfung komme auf dem Markt an. Gotta macht das am Beispiel einer Marmelade deutlich: „Wenn Sie eine feine Sorte ‚Gourmet‘ nennen, findet das jeder gut. Steht sie dann im Regal, wird keiner das Glas kaufen. Denn der Name ist zu oft gehört und gesehen. Er geht unter.“

Zunächst arbeitete Manfred Gotta in der Werbung. „Ich war nie Texter“, sagt der Wortschöpfer. „Auch wenn das oft geschrieben wird.“ Zu den Kreativen wollte er nie gehören. Stattdessen beriet er die Kunden lieber direkt. Etwa einen Hersteller von Katzenfutter. „Damals hatte ich die Idee, dass man ein Menü mit Fleisch und Gemüse produzieren könnte, statt immer nur Fleischprodukte zu verkaufen.“ Der Name war schnell gefunden: Katzenschmaus. Der Kunde war begeistert und ging in die Produktion. „Später habe ich mich über den Namen geärgert. Außerhalb von Deutschland funktioniert er natürlich nicht.“ Da dämmerte Gotta, wie wichtig es ist, dass ein Produktname auf der ganzen Welt verstanden wird. Er erkannte die Marktlücke und machte sich selbstständig. Ohne einen einzigen sicheren Auftrag in der Tasche zu haben.

Womit Gotta eine neue Ära einleitete

Er putzte Klinken, landete schließlich bei Opel. Die Rüsselsheimer suchten 1986 händeringend einen Namen für den Nachfolger des Ascona. Gotta stellte einen Kostenvoranschlag – und scheiterte: „Denen war das viel zu teuer.“ Aber er blieb bei seinem Preis, der aus heutiger Sicht gar nicht so hoch erscheint. Drei Monate später durfte Gotta seine Vorschläge dann doch vorstellen. Zum geforderten Preis. „Als ich dem Vorstand präsentieren musste, flatterten mir die Nerven.“ Keine Viertelstunde später war alles gelaufen. Dem Vorstand gefiel der Name, der nächste Opel hieß Vectra. Womit Gotta eine neue Ära einleitete.

Zuvor waren Dienstgrade aus der Marine die Inspiration für die Modellnamen: Kapitän, Admiral, Kadett. Von nun an endete jeder Opel-Namen auf ein A: Astra, Omega, Insignia, Zafira. Eine Regel, die gerade wieder aufgeweicht wird. Seit 2014 rollt neben dem Opel Adam auch der Opel Karl über die Straßen. Was Gotta nicht nachvollziehen kann: „Soll der nächste dann Emil heißen?“ Die Vermenschlichung des Namens enge viel zu sehr ein, sagt Gotta.

Nach dem Coup mit dem Vectra klopften auch andere Konzerne an. Den kleinen, knubbeligen Renault taufte er Twingo. Den noch kleineren Mercedes-Benz dann Smart – S für Swatch, M für Mercedes und Art (englisch: Kunst) für die Kunst, die hinter diesem Konzept steckt. Das gab zwar Knatsch mit dem Ideengeber und Swatch-Gründer Nicolas Hayek. Der hatte sich die Rechte an dem Namen Smartmobil gesichert. Doch Mercedes-Benz entschied sich trotzdem für Gottas verkürzte Version.

Die meisten Ideen kommen Gotta in seinem Büro unterm Dach. 1996 hat er ein altes Fachwerkhaus in Forbach mitten im Schwarzwald gekauft. Auf Großstadt hatte er keine Lust mehr. Das Haus hat für ihn „den Charme einer Großmutter, die man gern besuchen kommt“. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht: „Dafür macht mir mein Beruf viel zu viel Spaß. Gott sei Dank sehe ich auch noch nicht aus wie ein Greis!“

Macht es ihn noch stolz, wenn er seine Wortschöpfungen auf der Straße oder im Supermarkt sieht? „Das ist mittlerweile normal geworden. Aber am Anfang war ich natürlich extrem neugierig, wann ich denn endlich eines meiner Babys in echt sehen darf.“ Apropos Babys: Wie kam eigentlich der Name seines 18-jährigen Sohns zustande? „Das habe ich meiner Frau überlassen“, sagt Gotta und lacht. „Ich habe mich einfach nicht getraut.“ Die Wahl fiel auf Julien. Ein guter Name, findet Gotta. Obwohl es nicht seine Idee war. Ausnahmsweise.