Jörg Steegmüller arbeitet in seinem Atelier am Kopf einer Figur für den Freizeitpark Traumland auf der Schwäbischen Alb Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Jörg Steegmüller ist Charakterdarsteller. Allerdings nicht als Schauspieler vor der Kamera. Stattdessen verleiht er Puppen und Figuren Ausdruck: In seinem Atelier entstehen die Zutaten, die Freizeitparks, Filme und Fußballclubs brauchen.

Ostfildern/Stuttgart - Einen kurzen Moment lang stutzt der Besucher. Mit diesem Empfangskomitee war nicht zu rechnen. Öffnet sich die Tür zu Jörg Steegmüllers Atelier, warten dahinter zahlreiche Prominente mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Franz Beckenbauer, Dieter Bohlen und Kollegen haben es sich hier in einem Gewerbegebiet am Rande von Ostfildern-Ruit gemütlich gemacht. Besser gesagt: deren charaktervoll nachgebildete Porträts.

Die Räume sind ein Kuriositätenkabinett. Werkzeuge vom schweren Gerät bis hin zum filigranen Pinsel finden sich da, die jedes Bastlerherz höher schlagen lassen. Nachbildungen von Figuren aus „Star Wars“-Filmen stehen beieinander. Es riecht nach Holz und Gips. Konzentriert modelliert Steegmüller einen kleinen Kopf. „Das Traumland auf der Bärenhöhle hat eine Ritterarmee bestellt“, sagt der 40-Jährige. Auf einem Schaumstoffballen sitzt der Rohbau eines Kosmonauten für den Europapark in Rust.

Steegmüller baut vollbewegliche Figuren und Kulissen für Freizeitparks oder die Filmbranche. An Roland Emmerichs „Der Patriot“ hat er einst mitgewirkt, im „Tigerentenclub“ erklärt, wie man gruselige Geisterbahnen bestückt. Eben war ein Filmteam der Krimiserie „Soko Stuttgart“ da, um sein Atelier als Drehort zu beäugen. Im Blühenden Barock in Ludwigsburg hat er Dornröschen Leben eingehaucht. „Mit Ton, Kulisse, Beleuchtung und Drehbühne“, sagt er stolz. Für Loriot hat er zu dessen 85. Geburtstag den berühmten Badewannen-Sketch der Herren Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner mit Bronzefiguren nachgebaut. Die Kostüme des VfB-Maskottchens Fritzle sowie dessen Hoffenheimer und Wolfsburger Kollegen kommen aus seiner Werkstatt.

Steegmüller hat 20, 25 freie Mitarbeiter - "allesamt Genies"

Steegmüller muss vielseitig sein. Er arbeitet mit allen Materialien vom Gips bis zum Silikon. Offiziell heißt er Bildhauer und Modelleur, doch Skulpteur gefällt ihm besser. Manchmal werkelt er allein, bei größeren Projekten holt er Helfer dazu. „Ich habe 20, 25 freie Mitarbeiter, allesamt Genies“, sagt er lächelnd. Die Kunden sind sehr unterschiedlich und damit die Ansprüche. Zeit, Kosten und Einsatzort spielen eine Rolle.

Auch grauslige Dinge sind dabei. Im Regal liegen zwei Katzenleichen fürs Fernsehen, die täuschend echt aussehen. Dabei ist der Grusel gar nicht Steegmüllers größte Herausforderung. „Gruselig ist unvollendet. Die wahre Kunst ist, eine freundliche und charaktervolle Figur zu schaffen. Da muss man mehr ins Detail gehen“, sagt er. Das schaffe auch kein Computerprogramm: „Ein guter Bildhauer ist in der Lage, in einem Porträt die Seele eines Menschen zu zeigen.“

Der 40-Jährige hat bereits als Kind begonnen, Puppen zu bauen, Comics zu zeichnen und Geschichten zu erfinden. Seine früheren Lehrer können ein Lied davon singen, die darin gerne mal eine Hauptrolle spielten. „Ich lebe sehr in der Märchenwelt“, sagt er. Seit 2000 ist er sein eigener Chef. Die Leidenschaft liegt in der Familie: Mit dem Vater war Steegmüller ein Jahr lang als Messebauer unterwegs. „Da lagen tolle Materialien in der Werkstatt, die wollte ich als Kind schon ausprobieren“, erinnert er sich.

Wo er hinkommt, sieht er Gesichter, Gebäude, Szenen

Die Liste der Auftraggeber ist lang, Leute wie ihn gibt es nicht viele. Die Arbeit lässt den Skulpteur kaum ruhen. „Man nimmt sie überallhin mit, man wird selbst zu ihr“, sagt Steegmüller. Wo er hinkommt, sieht er Gesichter, Gebäude, Szenen. Bei all den Projekten hat er sich besonders das Faible für Porträts bewahrt. „Man beschäftigt sich dabei viel mit den Menschen“, sagt Steegmüller, „das ist spannend, da werde ich meditativ und denke über das Leben nach.“ Die passende Untermalung unterstützt dieses Hineinfühlen. In einer Ecke stapeln sich CDs und Kassetten. „Musik und bildhafte Kunst sind eng verwandt“, sagt er.

Einen Traum erfüllt sich Steegmüller gerade. „Ich entwerfe ein Modell für eine Geisterbahn, die meinen Ansprüchen entspricht“, erzählt er. Auf Schaustellermessen will er einen Abnehmer dafür finden. Es ist damit zu rechnen, dass diese Bahn besonders wird. Gruselig – aber doch charaktervoll.