Was aus den Hochbehältern der Sindelfinger Stadtwerke in die Haushalte fließt, sei so sauber, wie es nur sein könne, beteuert der Energieversorger. Foto: Stadtwerke

Auch 4,5 Monate nach einem Bakterienfund ist für die Sindelfinger Stadtwerke unklar, was den Enterokokkenbefall ausgelöst hat. Ein Gutachten besagt, dass „kein strukturelles Problem“ vorlag. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe es eh nie gegeben, versichern die Wasserlieferanten.

Sindelfingen - Auch viereinhalb Monate nach der Trinkwasserverunreinigung, die viele Sindelfinger verunsichert hat, bleibt rätselhaft, was den Bakterienbefall Anfang September 2021 ausgelöst hat. Eine kausale Ursache sei trotz intensivster Recherchen nicht gefunden worden, hieß es am Dienstag bei einem Pressegespräch mit den beiden Stadtwerke-Geschäftsführern. So unklar aber die Gründe bleiben – „für uns ist entscheidend, dass es sich nur um etwas Punktuelles, nicht um etwas Strukturelles gehandelt haben kann“, sagen Dr. Karl Peter Hoffmann und Gebhard Gentner. Für sie ist der schlagzeilenträchtige Fall damit abgeschlossen. „Eine Gefahr für die Bevölkerung hat eh zu keiner Zeit bestanden“, versichern die Stadtwerke-Chefs.

 

Ultimative Vorsicht vor möglichen Fäkalien

Wie seinerzeit berichtet, waren am 9. September vergangenen Jahres bei einer Routineuntersuchung in einer Kita auf dem Sindelfinger Goldberg verunreinigte Trinkwasserproben festgestellt worden – sogenannte Enterokokken. Eine einzige Enterokokke pro 100 Milliliter Wasser freilich lässt bereits die Alarmglocken schrillen. Nicht, weil diese bereits gesundheitsschädlich wäre. Sondern weil Enterokokken ein Indikator sind – ein Anzeigeinstrument, dass ein größeres Problem für die Konzentration verantwortlich sein könnte. Fäkalstoffe etwa.

Das Abkochgebot kam sofort vom Gesundheitsamt

Noch am selben Donnerstagabend hatten die Stadtwerke deshalb vor dem „Verzehr“ des Trinkwassers gewarnt und das Kreisgesundheitsamt informiert. Von dort wurde auch sofort ein Abkochgebot ausgesprochen. Vor allem die Kernstadt und der Süden Sindelfingens wurden als Problemherd identifiziert. Die Bevölkerung wurde auf allen möglichen Kanälen gewarnt – per Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr, via Radio, Zeitungen, den Webseiten von Stadt und Stadtwerken, Social-Media-Kanälen. „Das hat auch prima funktioniert“, sind Gebhard Gentner und Dr. Karl Peter Hoffmann bis heute erleichtert über die damalige Info-Kette. Denn natürlich seien die Verbraucher noch tagelang verunsichert gewesen, räumen sie ein. Um Gesundheitsgefahren zu vermeiden, war das Trinkwasser sofort vorsorglich gechlort worden.

Chlor hilft, Chemie soll aber keine Regel sein

Was in Südeuropa oder Amerika an der Tagesordnung sei, sei in Deutschland aber nur im Notvorsorgefall angezeigt, sagt der 57-jährige Diplom-Ingenieur Gebhard Gentner. Chemische Zusätze wolle man im Normalfall ja keine ins Wasser geben.

Einen solchen Verunreinigungsfall, heißt es von dem Energieversorger aus der Rosenstraße, habe es in den letzten 25 Jahren in Sindelfingen nicht gegeben. Um so akribischer sei man auf die detektivische Spurensuche nach dessen Ursache gegangen. „Da ist jede unserer Anlagen komplett auf links gedreht worden“, meint Dr. Karl Peter Hoffmann (60). Alle Behälterkammern seien geleert und gereinigt, Wände und Decken auf Risse und möglichen Insektenbefall untersucht und Leitungen durchgespült worden. Jede Belüftungsanlage sei mit Infrarotkameras durchfahren worden. Auch ein externes Büro und ein technisch-wissenschaftliches Labor habe man eingeschaltet. Hoffmann: „Wir haben also gemacht, was nur ging, aber letztlich keine Ursache gefunden.“ Sicher sei aber, dass der Schadensfall nicht aus dem Rohrleitungsnetz, an oder in Hochbehältern der Stadtwerke und auch nicht in den Zuläufen entstanden sei. Auch nicht zwischen den rund einem Dutzend Hochbehältern, weil die sowieso keine Verbindung untereinander hätten.

Kurios waren ein paar gefundene Ohrenzwicker – aber nicht schuld

Kurios an dem Fall, der bis zum Jahresende Wellen schlug, war der Fund von Ohrenzwickern. Die überleben wohl tatsächlich hohe Wasserdrücke. „Solche Kleintiere könnten theoretisch als Verschmutzungsquelle in Frage kommen“, sagt Fachmann Gentner. Aber die Enterokokken-Arten, die man an den Tierchen fand, hätten mit der gefundenen Art im Trinkwasser nicht übereingestimmt. Das sei also auch keine Erklärung. Eine tote Maus, ein totes Kaninchen – „Fälle, die es durchaus schon gab in Deutschland“ – habe man nicht gefunden.

Eine heißlaufende Hotline will man nicht mehr

Bei den Stadtwerken versichert man, das Wasser weiter mit Argusaugen zu bewachen mit jährlich stichprobenartig 200 bis 250 Entnahmen. Baue man sanierungsbedürftige Hochbehälter um, erhielten sie transportable Chloranlagen integriert und neueste Behälterentlüftungen. Denn eine Lawine von Anrufern wie Ende 2021 will man keine mehr. Junge Mütter sorgten sich um ihre Babynahrung, Zahnwehgeplagte um ihren Zahnarztbesuch. Und so mancher habe seinen Durchfall auf die Stadtwerke geschoben, schmunzelt Dr. Karl-Peter Hoffmann, „selbst wenn er nachweislich außerhalb des betroffenen Gebiets wohnte“.

Gesetzliche Auflagen beim Trinkwasser besonders streng

Rein, reiner, Wasser
 Trinkwasser gilt im allgemeinen als das sauberste Lebensmittel überhaupt. Die gesetzlichen Auflagen durch die Trinkwasserverordnung sind deshalb sehr hoch. Das hat einen guten Grund. Frühere Seuchen wie Cholera, Typhus oder Ruhr nahmen vor allem durch verschmutztes Wasser ihren unheilvollen Lauf.

Ursachenforschung
 An die Ursachenforschung des Bakterienbefalls von Sindelfingen war auch der Zulieferer Bodenseewasserversorgung (BWV) eng beteiligt, ja selbst das Landesgesundheitsministerium unter Koordination des Landratsamts Böblingen.

Lerneffekt
 Die Stadtwerke wollen künftig noch enger mit der  BWV in Kontakt sein, wenn die mit Baumaßnahmen auf Sindelfinger Gemarkung tätig ist. Die Hochbehälter, oft alt, aber wohl in gutem Zustand, sollen nach modernsten Kriterien aufgewertet werden, sobald für sie Sanierungen anstehen. (sd)