Es ist ja zum Haare raufen, wie rasch das geht: Die Fünfjährige Luise Bartels beobachtet, wie das Dach auf ihr Vogelhäuschen montiert wird. Foto: factum/Granville

Im Jugendforschungszentrum lernen Heranwachsende den Umgang mit Baumaterialien und Werkzeugen, etwas über Physik und Technik – und wie man ein Elektrorad baut.

Sindelfingen - Luise Bartels ist ziemlich aufgekratzt. Die Fünfjährige baut ein Vogelhäuschen, bei dem das Dach montiert werden muss. Das übernimmt gekonnt der ehemalige Gymnasiallehrer Peter Hartkopf. Er ist ehrenamtlich im Jugendforschungszentrum (JFZ) Sindelfingen beschäftigt und hat früher neben Englisch auch Physik und das Fach Naturwissenschaft und Technik unterrichtet.

Lange Wartelisten bei IT-Projekten

Dem 66-Jährigen geht es darum, die Kinder an praktische Tätigkeiten heranzuführen. In diesem Fall lernen die Zöglinge des Kindergartens Goldberg in Sindelfingen, wie ein solches Holzhäuschen beschaffen sein muss, damit es den Anforderungen genügt. „Die Praxis findet in vielen Schulen gar nicht mehr statt“, erklärt der JFZ-Leiter Heinz Ulmer, „was wir hier machen, ist mitunter auch der Ersatz für den fehlenden Werkunterricht.“

Der Sinn und Zweck des JFZ ist in erster Linie, Kinder und Jugendliche für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern und mit ihnen zu experimentieren. In diesem Jahr nahmen 400 Schüler an Projekttagen und Kursen teil, im vorigen Jahr waren es noch 350. „Bei Lötkursen, bei unseren Holztechnikangeboten und besonders bei IT-Projekten, bei denen Roboter und auch kleine Computer gebaut werden, haben wir lange Wartelisten“, berichtet Ulmer. Das JFZ könnte sich noch mehr Schulklassen und Kindergartengruppen annehmen, wenn es mehr Räume und mehr Personal hätte.

Ehemalige Pädagogen und Ingenieure als Mentoren

Künftig soll durch eine Erweiterung Abhilfe geschaffen werden. „Wir benötigen dafür aber auch mehr Geld“, sagt Ulmer. Denn schließlich muss für die Räume in der Gottlieb-Daimler-Schule II Miete bezahlt, Material für die Projektstunden gekauft und das ehrenamtliche Personal mit einem Stundenbeitrag von zehn Euro entschädigt werden. Für die jungen Teilnehmer sind sämtliche JFZ-Angebote kostenlos.

15 Ehrenamtliche arbeiten im JFZ. Es sind ehemalige Pädagogen, Elektroingenieure, oder sie waren im Maschinenbau tätig. Geballte Kompetenz wartet auf die Zöglinge, die aus Schulen im gesamten Kreis kommen. Manchmal werden sie auch von ihren Lehrern begleitet. Das Kultusministerium stellt ein Wochendeputat von zwölf Stunden zur Verfügung. „Wir wollen die Kinder und Jugendlichen für die Technik interessieren und die nötigen Fachkräfte heranziehen, an denen großer Mangel herrscht“ erklärt der Landrat Roland Bernhard. Und zwar ohne Leistungsdruck und möglichst auf spielerische Weise.

Wie Rennwagen mit Hilfe von Luftballons fahren

Volker Rose, früher Ingenieur im Entwicklungslabor der Firma IBM und ebenfalls JFZ-Leiter, hat den Kindergartenkindern vom Goldberg auch gezeigt, wodurch man einen Rennwagen zum Fahren bringen kann. Dazu wurden an Spielautos Luftballons angebracht, die von den Kindern aufgeblasen wurden. Durch die entweichende Luft setzten sich die Fahrzeuge in Bewegung. „Das war total toll“, sagt Luise, „ich habe gar nicht gewusst, dass man so etwas überhaupt machen kann.“

Ein anderer Spezialist ist Helmut Wagner, in seinem Beruf zuvor als Konstruktionsleiter angestellt. Mit den Absolventen des Technischen Gymnasiums der Gottlieb-Daimler-Schule baute er Fahrräder zu Pedelecs um. „Im Unterricht lernen die Jugendlichen das nicht. Und die Eltern haben meist keine Zeit oder keine Werkstatt im Keller, um sich mit ihren Kindern mit solchen technischen und praktischen Dingen zu beschäftigen“, erklärt Wagner.

Luise dagegen hat daheim schon ein Vogelhäuschen gebaut. „Wir haben zwei Bäume in unserem Garten“, erklärt die Fünfjährige. An einem hänge bereits ein Häuschen. Das Neue komme an den anderen.

Die Kinder und Jugendlichen haben schon einige Preise gewonnen

Einrichtung:
Das Jugendforschungszentrum (JFZ) wurde im Jahr 2013 auf Initiative des Landkreises und des Sindelfinger Oberbürgermeisters Bernd Vöhringer (CDU) an der Gottlieb-Daimler-Schule II eingerichtet. Schwerpunktmäßig geht es um die Bereiche Umwelt und Energie.

Techniknachwuchs 
Manche Schulen nutzen das JFZ für Projektgruppen. Es wird experimentiert und an Beiträgen für den Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“ gearbeitet. Die Kinder und Jugendlichen haben bereits einige Preise gewonnen, auch auf internationaler Ebene.

Finanzierung
: Das JFZ verfügte zuletzt über ein Jahresbudget von 60 000 Euro. Die Stadt Sindelfingen und der Kreis Böblingen gaben jeweils einen Zuschuss von 15 000 Euro, die Stadt Holzgerlingen steuerte 5000 Euro bei. Der Rest wurde von Sponsoren geleistet.