Vor 25 Jahren wurde in Sindelfingen eine Frau auf offener Straße getötet. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen einen 69-Jährigen erhoben.
Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage wegen Mordes gegen einen Mann erhoben, der 1995 eine 35 Jahre alte Frau getötet haben soll. Wann der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart stattfinden wird, ist noch unklar.
Am späten Abend des 14. Juli 1995 war Brigitta J. auf dem Nachhauseweg. Die allein lebende Stuttgarterin arbeitete erst seit kurzem als Saisonkraft in einer Sindelfinger Textilfirma und wollte mit der S-Bahn von der Haltestelle Goldberg aus heimfahren. Gegen 23.40 Uhr soll sie auf ihren Mörder getroffen sein. An der Tilsiter Straße überfällt der Täter die Frau, die er laut Staatsanwaltschaft nicht kannte. Er tötet sie mit mehr als einem Dutzend Messerstichen und Schnitten. Dieser Täter soll der heute 70-jährige Hartmut M. sein. Er sitzt in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess.
Zur Tatzeit vor 25 Jahren hatte der Tatverdächtige im Kreis Böblingen gelebt. Er war von der Polizei in Zusammenhang mit dem Mord zwar überprüft worden, weil Zeugen seinen Wagen in der Nähe des Tatorts gesehen hatten. Mit ihren damaligen Möglichkeiten war es den Ermittlern aber nicht gelungen, einen Tatverdacht gegen den Mann zu erhärten.
DNA-Spur führt zum mutmaßlichen Täter
Es wurde die Sonderkommission Tilsit eingerichtet, doch alle Spuren verliefen im Sand. Auch ein Beitrag in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ brachte keinen Erfolg. Die von den Angehörigen des Opfers ausgelobte Belohnung von umgerechnet 8500 Euro blieb liegen.
Mord verjährt nicht. Deshalb werden ungeklärte Fälle beim kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamts Baden-Württemberg regelmäßig einer sogenannten Wiederholungsüberprüfung unterzogen. Der Fall der 1995 getöteten Frau war 2018 an der Reihe. Die Experten nahmen eine damals am Körper des Opfers sichergestellte DNA-Mischspur unter die Lupe – Treffer. Die DNA passt zu Hartmut M., der zwischenzeitlich im Gefängnis gesessen hatte.
Der einstige Topmanager war 2007 vom Landgericht Würzburg zu zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Er soll 2001 in Oberfranken eine 51 Jahre alte Anhalterin getötet haben. Er soll sie mit Klebeband gefesselt, ihr die Kehle durchgeschnitten und sie im Unterholz an der A 70 bei Thurnau zurückgelassen haben. Deshalb war seine DNA im System gespeichert.
In den zwölfeinhalb Jahren Gesamtstrafe ist auch noch die Verurteilung wegen Erpressung enthalten. Er soll seit September 2004 den Shell-Konzern erpresst haben. Seine Forderung damals: vier Millionen Euro – sonst fliegen Molotowcocktails auf die Autobahn.
2017 wird Hartmut M. vorzeitig aus der Haft in Hamburg-Fuhlsbüttel entlassen. Er taucht unter.
Zusammen mit den Hamburger Kollegen spürten die Ludwigsburger Kripobeamten, die den Fall übernommen hatten, den 70-Jährigen in einer Schrebergartenkolonie auf, wo er in einem Gartenhaus wohnte. Am 12. Februar dieses Jahres ließ sich Hartmut M. widerstandslos festnehmen. Jetzt ist es an der Stuttgarter Justiz, den Fall aus dem Jahr 1995 endgültig aufzuklären.