Snowboarderin Silvia Mittermüller bei der offiziellen Einkleidung der Olympia-Mannschaft für die Olympischen Winterspiele 2018. Foto: dpa/Tobias Hase

Silvia Mittermüller macht Snowboard Germany mitverantwortlich für Depressionen und Suizidgedanken. Der Verband widerspricht - und bietet seine Hilfe an.

München - Schwere Depressionen, konkrete Suizidpläne: Snowboarderin Silvia Mittermüller spricht offen über das vielleicht dunkelste Kapitel ihres Lebens - und gibt Snowboard Germany eine Mitschuld an ihrem Leiden. „Der Verband hat mich da reingetrieben“, sagt die 36-Jährige im Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Als Ursache für ihre gesundheitlichen Probleme nennt Mittermüller den Verlust ihres Kaderplatzes 2018.

Sportdirektor Andreas Scheid weist die Anschuldigungen zurück. „Wenn wir gewusst hätten, dass sie in eine Depression hineinrutscht oder sich als Opfer fühlt, hätten wir das aufgearbeitet. Wir haben Sportpsychologen, Ärzte, wir hätten ihr alles zur Verfügung gestellt“, sagt er dem SID.

Mittermüller berichtet von konkreten Suizidplänen.

Kreuzbandrisse, Gehirnerschütterungen, Achillessehnenriss: Mittermüller hat im Laufe ihrer Karriere immer wieder mit teils schweren Verletzungen zu kämpfen. Nach einem Trainingssturz im September 2017, bei dem sie eine Hirnblutung erlitt, erkämpft sie sich mit übermenschlichem Einsatz ihren großen Traum von der Olympiateilnahme. Doch in Pyeongchang leidet sie unter Fieber, stürzt im Training erneut, verletzt sich am Knie - und wird Letzte. Wenige Wochen später offenbart ihr der Verband, dass er nicht mehr auf sie setzt.

„Man sagte mir ins Gesicht: Du hast keine sportliche Zukunft“, berichtet sie im Spiegel, „ich sei zu alt und zu verletzt, um je wieder auf Weltcup-Niveau fahren zu können.“ Dadurch verlor Mittermüller auch ihren Platz als Sportsoldatin und die Unterstützung der Deutschen Sporthilfe. Sie sei daraufhin in eine Krise gefallen, sagt sie, die Diagnose im Sommer: „schwere depressive Episode“. Mittermüller berichtet von konkreten Suizidplänen. Erst 2019 habe sich ihr Zustand wieder gebessert.

Comeback-Plan der Münchnerin

Scheid wirkt überrascht, als er davon hört. Das Aus für Mittermüller erklärt er mit dem Neuaufbau der Freestyle-Sparte im Verband nach den verpassten Zielen bei den Winterspielen. „Wir haben gesehen, dass wir - unabhängig von Silvia - nicht wettbewerbsfähig sind. Deshalb wollten wir über den Nachwuchs völlig neu aufbauen, zentralisiert in Berchtesgaden.“ Der seither eingetretene Erfolg, betont er, gebe dem Verband recht: „Wir stehen im Freestyle so gut da wie noch nie.“

Mittermüller sei damals angeboten worden, die Infrastruktur des Verbandes weiter zu nutzen, zum Abtrainieren oder für physiotherapeutische Maßnahmen - „auch ohne Kaderplatz“, sagt Scheid. Der frühere Cheftrainer betont, der Verband sei „jederzeit für ein Gespräch offen. Wir wollen und werden öffentlich nicht mit Dreck schmeißen.“

Auch dem Comeback-Plan der Münchnerin, die für eine Weltcup-Rückkehr in Eigenregie die notwendigen Ranglistenpunkte eingefahren hat, stehe Snowboard Germany nicht im Wege. „Wir sind keine Verhinderer, sondern Förderer des Wettkampfsports“, sagt Scheid. Mittermüller, die einen Weltcup und 2005 Silber bei den X-Games gewann, will in der kommenden Woche in Calgary starten.