Kam es bei einem Pärchen über den einvernehmlichen Sex hinaus zu einer Vergewaltigung? Diese Frage hatte ein Ludwigsburger Gericht zu klären. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Ein 21-Jähriger und eine 16-jährige Jugendliche haben Sex miteinander. In wieweit geschah das einvernehmlich? Diese Frage musste ein Ludwigsburger Gericht klären.

Kornwestheim - Ob in einer Kornwestheimer Wohngemeinschaft im Jahr 2020 Filme wie „Fifty Shades of Grey“ nachgeahmt werden sollten, konnte das Ludwigsburger Jugendschöffengericht nicht erhellen. Im Falle eines 21-Jährigen und seiner 16-jährigen Sex-Partnerin ging es vielmehr darum, ob er sie nach einem einvernehmlichen Geschlechtsakt noch vergewaltigt hat. Nein, befand das Gericht über den harten Sex mit Schlägen und Peitsche – und verurteilte den Mann lediglich zu einer Geldstrafe wegen einfacher Körperverletzung.

Das Opfer wurde zum Sex-Date gebracht

Eine Liebesbeziehung bestand zwischen dem heute 23-jährigen Angeklagten und der 17-Jährigen jedenfalls gewiss nicht, als sie sich zum Sex in einem Zimmer der WG trafen, befand das Gericht. Die Mitbewohnerin, die gerade in der Küche kochte, bekam auch nicht so viel mit, als hätte sie am 11. oder 12.  Juni 2020 ins Zimmer stürmen müssen, um einem Vergewaltigungsopfer zu helfen. Das vermeintliche Opfer hatte sich von einer Freundin zum Sex-Date zum Kornwestheimer Bahnhof bringen und auch von dort wieder abholen lassen. In der Stuttgarter Königstraße erzählte die damals 16-Jährige dann ihrer Freundin, dass ihr der Sex zu brutal gewesen sei. „Das musst du anzeigen“, riet die Freundin. Was dann auch geschah. Würgen mit dem Schal, Schläge mit der flachen Hand, Schläge mit der Faust, Schläge mit der Peitsche: das alles fand sich unter anderem in der Anklage der Stuttgarter Staatsanwaltschaft über das Sex-Treffen, welches mit einvernehmlichem Geschlechtsverkehr begonnen habe und dann aber gewalttätig geworden sei.

Hat das Opfer deutlich genug nein gesagt?

Die Kernfrage bei der sechsstündigen Gerichtsverhandlung inklusive Glaubwürdigkeitsgutachten über die Jugendliche war, ob diese deutlich genug gemacht hat, dass sie nach dem einvernehmlichen Sex keinen härteren mehr haben will. Der Ankläger meinte ja, als er in seinem Strafantrag ein Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung für den Kornwestheimer forderte, den die Jugendliche aus Kindertagen kannte und nach Jahren zufällig wieder traf. Der Verteidiger meinte nein in seinem Plädoyer auf Freispruch. „Keine Verurteilung wegen Vergewaltigung“, befanden am Ende auch die Vorsitzende Richterin Franziska Scheffel und zwei Laienrichter.

Gefährliche Körperverletzung, wie angeklagt, hat es aus ihrer Sicht ebenfalls keine gegeben. Die Verletzungsfolgen vom Schlag eines Gegenstandes aus Leder, von dem der Angeklagte sagte, es handelte sich um eine Art Gerte wie aus dem Reitsport, die er im Sex-Shop gekauft habe, waren auch eher unerheblich, sodass am Ende nicht mehr als eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu jeweils 20 Euro für eine einfache Körperverletzungen übrig blieb. Dem Opfer wurde es irgendwann zu viel, nachdem sie anfangs noch recht angetan von seinem Charme war, wie es bei der Urteilsbegründung hieß.

Hat das Opfer möglicherweise gelogen?

Davon, dass die Jugendliche bei ihrer Strafanzeige gelogen hat, ging eine Psychologin und Kriminologin in ihrem Gutachten indes nicht aus. Im Sex zwischen den beiden erkannte die Sachverständige ein „Turbulenzgeschehen“ – also eine rasche Abfolge von Ereignissen – bei dem es sein könne, „dass das Wahrnehmungssystem nicht mehr alles mitbekommt“. Wann und ob die Jugendliche beim Sex mit dem Angeklagten Signale zum Aufhören gegeben hatte, überlasse sie der „juristischen Bewertung“.

Einig waren sich die Prozessbeteiligten darin, dass der größere Teil des Sexualgeschehens einvernehmlich und nur ein kleiner Teil strittig war. „Ein sexuelles Interesse bestand von beiden“, stellte die Vorsitzende Richterin fest. „Man wollte sich ausprobieren, wobei eine gewisse Brutalität eine Rolle spielte.“