Chris Striebel in seiner neuen Heimat Kuba Foto: Chris Striebel

Stuttgarter hinterlassen Spuren rund um den Globus – ob als Ärzte, Künstler, Unternehmer, Architekten oder Wissenschaftler. In unserer Serie stellen wir Menschen und ihre Auslandsprojekte vor. Heute: Chris Striebel, der ein Hotel auf Kuba eröffnet hat und gerade den Aufbruch in eine neue Zeit erlebt.

Stuttgart/Baracoa - Es lag in der Luft. Auf Kuba, prophezeiten Kenner und politische Beobachter schon seit geraumer Zeit, werde bald nichts mehr so sein, wie es war. Erste wirtschaftliche Lockerungen nach mehr als 50-jährigem Stillstand unter der kommunistischen Käseglocke galten als sichere Anzeichen, dass sich bald alles ändern würde.

Dann der Paukenschlag: US-Präsident Barack Obama, dessen Land 1959 ein Wirtschaftsembargo gegen Kuba verhängte, kündigte vor kurzem eine neue Offenheit gegenüber dem Inselstaat an und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Nun geht es Schlag auf Schlag: Die Amerikaner, die bis zur Vertreibung von Präsident Battista die Insel fast als ihr ureigenstes Territorium betrachteten, dürfen sich ihr Urlaubsparadies zurück erobern. Und endlich wieder kubanische Zigarren kaufen. Kenner raten: Wer noch den kommerzfreien nostalgischen Charmes mit pittoresk bröckelnden Fassaden und sensationellen Oldtimer-Autos erleben will, muss sich beeilen.

Bereits Columbus warf hier die Anker

„Es wird mit mindestens vier Millionen – oder sogar mehr – US-amerikanischen Touristen pro Jahr gerechnet“, sagt der Stuttgarter Chris Striebel aus Kuba. Der ehemalige Gastronom hat die Insel zu seinem neuen Zuhause erkoren und in dem Ort Baracoa ein Hotel eröffnet: Das „Arca de Noe“, also eine Arche Noah, am östlichsten Zipfel der Insel.

Genau genommen ist es ein Hotelito, ein kleines Hotel. Mit vier Zimmern, gruppiert um eine große Sala, hinter der Art-Deco-Fassade der Casa Rosada mit Säulen und Veranda. „Das Haus, einstöckig, ist von 1939“, sagt Striebel. Es hat herrliche Fliesenböden, eine Dachterrasse mit Blick aufs Meer, eine zweite ebenerdig und überdacht, einen Patio mit Brunnen und den intimen Charme einer privaten Herberge. Eine Residencia, klein, aber fein. Mitten im Zentrum von Baracoa, im besten Viertel, genannt La Punta, die Spitze, zwischen dem offenen Meer auf der einen und einer kleinen Bucht auf der anderen Seite. Christoph Columbus ankerte schon 1492 in dieser geschützten Bucht: „Das Kreuz, das der Amerika-Entdecker errichtete, steht heute im Museum.“

„Es war ein relativ kühner Entschluss, mit 50 eine sichere Existenz aufzugeben“, erinnert sich Chris Striebel. Aber nun könne er sagen, es sei die absolut richtige Entscheidung gewesen. Von Beruf eigentlich Industriedesigner, ist er vielen Stuttgartern durch seine gastronomische Tätigkeit aus zwei Lokalen bekannt: Dem ehemaligen Fresko in der Staatsgalerie, als Mitarbeiter der unvergessenen Wirtin Helga Hofmann, und dann vom Teehaus im Weißenburger Park, das er elf Jahre lang als Geschäftsführer und Pächter und zuletzt zusammen mit Tadija Zelenika betrieb.

„Baracoa ist die älteste Stadt Kubas“

Dem Stuttgarter Winter entfloh er regelmäßig: Nach Asien, Südamerika, in die Karibik. Und immer wieder nach Kuba. Fluchten auf Zeit mit Rückkehr-Garantie. Bis er sich im Herbst 2012 endgültig von seinen Gästen verabschiedete. Einmal, weil es in der beruflichen Partnerschaft knirschte und zum andern, weil er sich sowieso vorgenommen hatte, mit 50 noch mal etwas Neues anzufangen. Auf zu den neuen Ufern von Kuba.

„Kuba ist anders als all die 24 Länder, durch die ich bisher gekommen bin“, stellt Striebel fest. Hinter ihm lag da schon eine achtmonatige Weltreise.

Als Striebel dann am 10. Februar 2013 in Havanna gelandet war, wusste er sofort, welchen Ort er ansteuern wollte: Seine Lieblingsstadt Baracoa. „Es ist die älteste Stadt Kubas, 1511 gegründet, und der Name bedeutet Ort der vielen Wasser“, sagt er. In einer grünen und tropischen Landschaft mit vielen Flüssen, sauberem Wasser, dem Nationalpark Alexander Humboldt, Canyons und Schluchten, freiem und kostenlosem Zutritt zu schönen Stränden und vor allem, schwärmt Striebel, authentischem Leben und wunderbaren Menschen. Wie Lidia, die heute 59-jährige Ur-Großmutter, in deren Casa Particular, so heißen die Privatunterkünfte, er bei seinen bisherigen Besuchen immer gewohnt hat. Und die so fantastisch koche, dass sie schon einmal zusammen ein Lokal eröffnen wollten. Daraus wurde nichts, doch der Plan blieb verlockend. „Und wie es manchmal so ist, wenn es das Schicksal gut mit einem meint: Gerade wurde die Casa Verde, ein Haus von 1908 im Kolonialstil, zum Kauf angeboten. Damit nicht genug der glücklichen Zufälle, ergab sich die Möglichkeit, auch das Nachbarhaus zu erwerben: Die Casa Rosada im Art-Deko-Stil einer alten herrschaftlichen Residenz.“ Ideal für ein kleines Hotel, fanden Striebel und Lidia.

Im Jahr kommen rund 2,8 Millionen Touristen

Nun ist es nicht so, dass ein Deutscher ohne permanente Aufenthaltsberechtigung einfach ein Haus kaufen kann. Ein paar rechtliche Umwege und das hundertprozentige Vertrauen in die „absolut integere Lidia“ waren schon nötig, um Miteigentümer dieser Häuser zu werden.

„Es war so, als ob sie auf mich gewartet hätten.“ Dass alle Umbauten und Modernisierungen mit Bädern und neuer Elektrik innerhalb von drei Monaten geklappt haben, erscheint ihm immer noch wie ein Wunder. Im September wurde ein großes Einweihungsfest mit der ganzen Nachbarschaft gefeiert. Und die Zeichen stehen auf Expansion mit weiteren Zimmern und einem Restaurant, denn auch ohne den erwarteten Ansturm der Amerikaner ist der Fremdenverkehr im Aufwind: Jährlich kommen 2,8 Millionen Touristen, jedes Jahr werden es etwa drei Prozent mehr. Und die 80 000- Einwohner-Stadt Baracoa soll in Zukunft sogar einen internationalen Flughafen bekommen. „Kuba“, sagt Chris Striebel, „ist ein lebendiges Museum. Was ich jetzt hier erlebe, ist für mich ein Traum, aus dem ich am liebsten nicht mehr aufwachen möchte.“