Marco Fierro kredenzt seinen Gästen gerne italienische Weinraritäten. Foto: Horst Rudel

Junger Wein im alten Gemäuer: In der Geislinger Enoteca stehen unbekannte Tropfen auf der Karte. Interessant ist auch die Hausgeschichte des Uraltgebäudes.

Geislingen - Viele Jahre lang hat Martin Stahl seine Freizeit auf einer der damals spannendsten Baustellen Geislingens zugebracht: Der Zimmermann und Holzbauingenieur aus Kuchen hatte noch als Student das älteste Haus der Stadt gekauft und sanierte es. Dabei entdeckte er Rockknöpfe französischer Soldaten, die in Geislingen einst Winterquartier bezogen hatten, und zahllose Griffelspitzen. Diese stammen wohl vom ersten Finanzbeamten der Stadt, dem Kornschreiber, der dort seinen Dienstsitz hatte. Heute beherbergt das einzige mit Reet gedeckte Haus weit und breit mit der Enoteca ein kleines italienisches Restaurant samt Weinhandlung.

Das Gebäude wurde zweimal errichtet

Dass sich aus dem Bauschutt die Geschichte eines Hauses ablesen lässt, ist nicht ungewöhnlich. Seltener kommt es allerdings vor, dass ein Haus zweimal gebaut wird. Im Fall des Kornschreiberhauses trennen den Wiederaufbau und die Ersterrichtung 1397 immerhin 600 Jahre. „Von den tragenden Teilen war vieles verrottet“, beschreibt Stahl die Ausgangslage der Rekonstruktion. Noch heute trügen alle Originalteile, die damals systematisch in Zeichnungen und Listen erfasst worden seien, eine nummerierte Metallplakette.

Und wenn sich Gäste der Enoteca heute für diese Hausgeschichte interessieren, können sie die Rekonstruktion in drei Alben nachlesen. Sie liegen in der urigen Wirtsstube im Erdgeschoss aus, die Uneingeweihte häufig im Stolperschritt betreten, denn die Bodenschwelle weist nach dem alten Vorbild eine beträchtliche Höhe auf.

Auf den Tisch kommt nur frische Kost

Kaum eingetreten, steht man schon in dem zweigeteilten urgemütlichen Gastraum mit alten Balkendecken und vertäfelten Wänden. Das ist das Reich von Marco Fierro. Anders als sein Vater Alfredo Fierro, der jahrzehntelang Lokale und Pizzerien wie zuletzt das Da Alfredo in der Stuttgarter Straße betrieb, zieht der Sohn in der Enoteca keine Pizzen aus dem Ofen. Dafür sei in der kleinen Küche auch gar kein Platz, bekennt der Gastronom, der 28 Jahre lang im elterlichen Betrieb gearbeitet hatte, bevor er sich mit der eigenen Enoteca einen Traum erfüllt hat.

Zum guten Essen, das dort als Mix aus schwäbischen und italienischen Klassikern stets frisch und „immer ohne Convenienceprodukte“ unter der Regie seiner Mutter Gabriele gekocht wird, kredenzt der Sommelier Marco Fierro ausgesuchte italienische Weine. Von meist unbekannten Winzern stammen die Tropfen, die der Wirt zu frittierten Sardinen, Pasta mit Salsiccia, gegrilltem Rotbarsch oder Geschnetzeltem mit Spätzle empfiehlt.

Der Wirt hat eine Vorliebe für unbekannte Tropfen

„Ich unterstütze lieber kleine Cantinas, die auch nur kleine Mengen ausbauen und das oft in Bioqualität“, erklärt Fierro. Genauso wichtig wie die Qualität sei ihm der persönliche Kontakt zu den Produzenten, zu denen er häufig freundschaftliche Beziehungen pflege.

Jahr für Jahr sei das Angebot weiter gewachsen, das er bereits einige Jahre in der ebenfalls Enoteca genannten Miniweinhandlung im Hause Blumen Burr in der Bahnhofstraße aufgebaut habe. Ein Schwerpunkt seien säurearme Weißweine, aber auch Proseccos wie der Col di Stella, den sein Freund Peter Barian im verträumten Vittorio di Veneto bei Conegliano auf Champagnerhefe reifen lasse.

Die feine Perlage des Proseccos lässt sich auch gut an heißen Tagen auf der lauschigen Terrasse des Kornschreiberhauses genießen. Sie gleicht einer Mulde neben dem aus Tuffstein gebauten alten Amtsgericht, wo man sich behütet von der Ziegelsteinmauer wie im Süden fühlen kann.