Melanie Schweizer (rechts) und ihre Mutter Margit freuen sich, wenn sie in ihrem Laden Bräute glücklich machen. Foto: Leonie Schüler

Zu Melanie Schweizer ins Second-Hand Brautmode-Geschäft kommen Bräute auf der Suche nach Schnäppchen und solche, die ihr Hochzeitskleid loswerden möchten. Doch weshalb gibt es für die Besitzerin manchmal einen Grund zum Heulen?

Stetten - Es raschelt leise, wenn Angelina Scharf sich durch die Berge von weißem Stoff, Tüll, Spitze und Glitzer wühlt. Die 57-Jährige ist auf der Suche nach einem Kleid für ihre Hochzeit, die bereits in wenigen Tagen stattfinden wird. Schlicht soll es sein, elfenbeinfarben, „bisschen bauschig, aber nicht zu viele Stickereien“, sagt die künftige Braut. Für sie ist es bereits die zweite Vermählung; bei der ersten hat sie kein Brautkleid getragen. „Umso mehr freue ich mich auf diese Hochzeit. Egal wie alt man ist: Einfach mal einen Tag Prinzessin sein, das wünscht man sich.“

 

Für ihre Kleidersuche ist Angelina Scharf extra von Reutlingen nach Stetten in das Second-Hand Brautmode-Geschäft „Trau Dich“ gefahren. Dass sie den Weg auf sich genommen hat, hat nicht nur mit den günstigen Preisen der Brautkleider aus zweiter Hand zu tun, sondern auch mit dem Thema Nachhaltigkeit. „Ich finde es Verschwendung, wenn man ein Kleid nur einen Tag trägt. Es wäre doch schade, wenn es nicht noch einmal zur Verwendung käme“, sagt die Bald-Braut. Der Zustand der Kleider sei tipptopp – wie könne es auch anders sein, bei den wenigen Stunden, die sie zuvor in Gebrauch gewesen seien.

Die Kleider kosten von 200 Euro an aufwärts

Melanie Schweizer hat das Second-Hand Brautmode-Geschäft vor fünfeinhalb Jahren gegründet. Mehrere hundert Kleider hängen an den Ständern zur Auswahl: Günstige Modelle von 200 Euro an aufwärts ebenso wie pompöse, die mit Swarowski-Steinen verziert sind und trotz Rabatt einen vierstelligen Betrag kosten. Maximal ein halbes Jahr werden die Kleider und Accessoires wie Schleier, Schmuck und Schuhe angeboten, danach müssen sie gegen eine Gebühr wieder abgeholt werden. In der Region Stuttgart ist es das einzige Geschäft seiner Art. Die Idee dazu ist gereift, als Melanie Schweizer nach der Babypause ihrer inzwischen sieben und zehn Jahre alten Kinder etwas Eigenes auf die Beine stellen wollte. Für das Thema Liebe und Partnerschaft habe sie immer schon ein Faible gehabt: „Ich habe zwei, drei Freundinnen verkuppelt.“

Ihren eigenen Brautkleidkauf hat die gelernte Zahnarzthelferin als Desaster in Erinnerung. Nachdem sie von ihrem Freund in Las Vegas mit einem Antrag überrascht worden war und ihm in ihren Urlaubsklamotten das Ja-Wort gegeben hatte, sollte bei der großen Feier in Deutschland ein klassisches Brautkleid her. „Die Suche war ganz schlimm“, erzählt sie. Sie habe das Gefühl gehabt, die Verkäuferinnen hätten ihr etwas aufs Auge drücken wollen, das überhaupt nicht zu ihr passt. Deshalb ist es ihr Grundsatz, den Käuferinnen viel Zeit bei der Auswahl zu lassen. „Wichtig ist, dass die Braut entscheidet. Sie muss sich wohlfühlen und lieber noch mal drüber schlafen.“ Dass jemand sein Brautkleid wieder zurückbringt, sei ihr noch nicht passiert – ganz im Gegensatz zu den Kundinnen, die ihre Fehlkäufe in ihren Laden an der Stettener Hauptstraße bringen. Dann würden aus den Tränen über das falsche Kleid manches Mal doch noch Freudentränen über das Passende. „Wir heulen gerne mit, wenn eine glückliche Braut hier ist“, sagt Schweizers Mutter Margit, die im Laden mithilft. Überhaupt sei das Schönste an ihrer Tätigkeit: „Die glücklichen Bräute. Für sie ist es ein wichtiger Tag, und es ist schön, dass wir daran Anteil haben“, sagt Melanie Schweizer.

Bilder vom Brautkleid müssen reichen

Maren Aust ist eine der Bräute, die ihr Kleid zum Verkauf vorbeibringen. „Ich hänge nicht daran. Ich habe Bilder davon. Zu Hause am Schrank hing es wie ein Mahnmal. Und anziehen tut man es ja eh nicht mehr, selbst wenn man noch mal heiratet“, sagt sie und lacht. Das sieht eine andere Kundin aus Stetten genauso, die ihr Hochzeitskleid verkaufen möchte. Vergangenen September hat sie geheiratet, inzwischen wölbt sich eine kleine Babykugel unter ihrem Pullover. Sie erzählt: „Eigentlich wollte ich das Brautkleid meiner Mama anziehen. Aber das war total vergilbt. Ich denke, dass mein Kind mein Kleid auch nicht mehr anziehen wird.“

Dass ihre Tochter einmal ihr Brautkleid anziehen möchte, damit rechnet auch Melanie Schweizer nicht. Dennoch bietet sie es in ihrem Laden nicht zum Verkauf an. Ihre Tochter solle es wenigstens einmal sehen und anfassen können. „Es ist eben Typsache, ob man dran hängt oder nicht.“