Nach dem Schwimm-Marathon ist vor dem Marathon: Ginna Gonzáles trainiert regelmäßig im Hallenbad Feuerbach. Foto: Georg Friedel

Bei einem Wettbewerb im Hallenbad Feuerbach schwimmt Ginna Gonzáles 25,8 Kilometer. Für diese Distanz müsste man den Neckar vom Cannstatter Wasen bis hinauf nach Wendlingen schwimmen.

Feuerbach - Schwimmen hat sie in ihrer Heimatstadt Bogotá gelernt. „Mit sechs Jahren habe ich meine ersten Schwimmzüge gemacht, mit sieben Jahren haben mich meine Eltern in einem der örtlichen Schwimmclubs angemeldet“, sagt die 29-jährige Kolumbianerin, die derzeit an der Universität Stuttgart studiert.

Für Ginna González bedeutet Wasser allerdings mehr als nur eine sportliche Herausforderung. Es ist „ihr“ Element, um gesund und beweglich zu bleiben: „Ich habe Probleme mit dem Iliosakralgelenk. Bei mir ist ein Bein etwas länger als das andere.“ Sie berichtet, dass sie aufgrund des Iliosakralsyndroms mitunter ein leichtes Knacken im Beckenbereich verspürt. Schlimmer seien allerdings die heftig ziehenden Schmerzen, die vom Rücken bis in die Beine ausstrahlen können. Im Wasser fühlt sie sich frei und ist ohne Beschwerden: „Schwimmen ist eigentlich die einzige Sportart, die ich völlig schmerzfrei ausüben kann“, sagt die Zuffenhäuserin.

10 Kilometer waren das ursprüngliche Ziel

Um ihren Durst nach Bewegung zu stillen, trainiert sie im Unisport-Team ein- oder zweimal in der Woche abends im Hallenbad Feuerbach an der Wiener Straße. Dort hingen Anfang des Jahres auch im Eingangsbereich die Plakate, die auf den Schwimm-Marathon am 28. Februar hinwiesen. Die Bäderbetriebe Stuttgart veranstalteten den Wettbewerb, weil das Hallenbad Feuerbach an diesem Tag vor 50 Jahren eröffnet wurde. „Ich wollte es einfach mal versuchen und habe mich per E-Mail angemeldet“, berichtet González.

Als morgens um 7 Uhr Anke Senne, Geschäftsführerin der Stuttgarter Bäderbetriebe, den Startschuss für den Schwimm-Marathon gibt, ahnt González noch nicht, dass sie bis abends um 19 Uhr durchhalten wird und am Ende 1034 Bahnen in dem 25-Meter-Becken zurückgelegt haben wird. „Ich hatte zuvor noch nie eine so lange Distanz geschwommen. Mein ursprüngliches Ziel war, zehn Kilometer zu schaffen.“ Die ersten drei Kilometer spult sie in etwa 60 Minuten herunter. Es folgt eine etwa 20minütige Pause. Sie ruht sich aus, isst ein wenig, trinkt ein bisschen. Dann steigt sie wieder ins Schwimmbecken. In diesem Rhythmus macht sie weiter. Pausen sind während der zwölf Stunden jederzeit erlaubt.

Irgendwann ist das Blatt vollgestrichelt

Bis gegen 13 Uhr hat sie bereits 12 Kilometer im Wasser hinter sich gebracht. Ihr Betreuer und Motivator am Beckenrand ist ihr Freund Alfonso. Als alle mitgebrachten Vorräte weggegessen sind, macht sich der Chilene auf den Weg und kocht am heimischen Herd für seine bessere Hälfte aus Kolumbien eine große Portion Spaghetti, während sie fleißig im Wasser weiter ihre Kreise zieht. Mit dem fertigen Gericht fährt er wieder in die Feuerbacher Schwimmhalle.

Die kohlehydratreiche Kost wirkt Wunder. González steigt erneut ins Wasser. Meistens krault sie, manchmal schwimmt sie auch Brust oder Rücken. Eine Bahn reiht sich an die nächste, Muskulatur und Kondition spielen erstaunlich gut mit. Am Beckenrand zählt eine städtische Angestellte die geschwommenen Runden und führt eine Strichliste. Irgendwann ist ihr Blatt komplett vollgestrichelt.

Die Mitschwimmer weit hinter sich gelassen

Langsam erwacht in Ginna González der Siegeswille, auch weil ihr chilenischer Freund ihr regelmäßig die Zwischenergebnisse der Konkurrenten durchgibt. Nach über der Hälfte der Distanz liegt ihr schärfster Kontrahent noch 60 Bahnen vor ihr. Nun dreht sie richtig auf. Während um sie herum das Jubiläumsfest gefeiert wird, reiht sie einen Zug an den nächsten. Sekunde um Sekunde, Minute um Minute und Stunde um Stunde. Die Zeit verschwimmt, Gedanken fließen beim Schwimmen ineinander. Das Wasser schimmert blaugrün. An einigen Stellen tanzen Lichtfunken auf der leicht gekräuselten Wasseroberfläche. Aus dem Lautsprecher erklingt Shakira und Landsfrau González singt trotz der Strapazen in Gedanken mit. Am Ende dieses Tages hat sie die anderen Mitschwimmer weit hinter sich gelassen. Selbst in den Team-Wertungen kommt keine der Mannschaften auch nur annäherend an ihre Distanz heran. Nur zum Vergleich: Wer 25,8 Kilometer am Stück im Wasser zurücklegen wollte, müsste den Neckar vom Cannstatter Wasen bis hinauf nach Wendlingen schwimmen.

Längst sucht González neue Herausforderungen. „Ich möchte mal einen 24-stündigen Schwimm-Marathon machen.“ Mit dem Zweitplatzierten bei dem Wettkampf in Feuerbach tauscht sie sich von Zeit zu Zeit im Internet aus. „Er postet mir ab und an, wann und wo in Kürze Wettbewerbe im Langstreckenschwimmen stattfinden.“