Schwimmbecken – hier das Freibad Möhringen – dürfen nicht unbeaufsichtigt sein. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Inselbad in Untertürkheim ist die Spitze des Eisbergs. Weil Aufsichtspersonen fehlen, wurden die Öffnungszeiten gekürzt. Auch anderswo wird improvisiert. Und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Stuttgart - Arvid Donert muss dieser Tage viel Überzeugungsarbeit leisten. Den Leiter des größten Stuttgarter Freibads, des Inselbads, trifft bisweilen der Unmut der Badegäste. Vier haben sogar ihre Dauerkarte zurückgegeben. Wahrscheinlich waren es Frühschwimmer, denn die stehen aktuell in Untertürkheim vor verschlossener Tür. Die Öffnungszeiten sind verkürzt worden. Im Mai konnte man erst um 10 Uhr ins Wasser springen, jetzt, ab dem 1. Juni, ist ab 11 Uhr offen, dafür aber bis 20.30 Uhr.

Es fehlt Aufsichtspersonal. In Stuttgart werden 45 Saisonkräfte zusätzlich zum Stammpersonal benötigt, allein das Inselbad braucht wegen seiner Größe 15. Stadtweit fehlen jedoch acht bis zehn Saisonkräfte, schätzt der Bäder-Personalleiter Wolfgang Tielesch. Wache am Beckenrand schieben dürfen nur Schwimmmeister – der richtige Terminus ist Fachangestellter für den Bäderbetrieb – oder Rettungsschwimmer mit Silber-Abzeichen, und die sind rar. Warum diese Fachleute fehlen, das ist laut Arvid Donert ein vielschichtiges Problem. Die Konkurrenz der Bäder untereinander spiele ebenso eine Rolle wie das hohe Mietniveau in der Stadt. Zudem scheiterten Schwimmer zunehmend am Ablegen der Silber-Abzeichen-Prüfung oder entschieden sich für lukrativere Tätigkeiten.

Der Verdienst ist wenig attraktiv

Das Hauptproblem ist jedoch der Nachwuchsmangel. Die dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe ist out. In Baden-Württemberg kann man den Beruf an der Mannheimer Heinrich-Lanz-Schule erlernen. Zahlen des Regierungspräsidiums Karlsruhe belegen das schwindende Interesse: 2005 nahmen an der Abschlussprüfung 127 junge Menschen teil, zehn Jahre später waren es 47. Im vergangenen Jahr hatten sich immerhin 67 Prüflinge gemeldet. Edgar Koslowski, der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Schwimmmeister, führt den Schwund zum einen auf geburtenschwache Jahrgänge zurück, zum anderen auf den Trend zur akademischen Ausbildung, er sagt aber auch: „Es gibt immer weniger Jugendliche, die in der Freizeit arbeiten wollen. Die wollen chillen.“ Zumal der Verdienst unattraktiv sei. „Wenn sie ausgelernt sind, kommen sie mit 1400, 1500 Euro netto heim, das ist nicht viel Geld“, findet Edgar Koslowski.

Auch Uwe Klatte, der Ausbildungsleiter bei den Stuttgarter Bäderbetrieben, kennt die Krux. Die sechs Ausbildungsplätze in der Landeshauptstadt sind aktuell zwar besetzt, aber „wir tun uns extrem schwer“. Von der Vielseitigkeit des Jobs erzählen er und seine Kollegen zwar auf Messen oder in Schulen, er hat aber auch festgestellt: Früh aufstehen und am Wochenende arbeiten, das steht bei Jugendlichen nicht hoch im Kurs. Zudem strebten heute viele nach höheren Schulabschlüssen, „da fallen wir dann schon wieder raus“, weiß Klatte.

Landesweit fehlen 400 Fachleute

Die Auswirkungen spüren nicht nur Stuttgarter. In Karlsruhe und Sindelfingen haben in dieser Saison Schwimmhallen zugunsten der Freibäder zu, das Freibad in Pfullendorf wiederum hat bis auf Weiteres um eine Stunde morgens reduziert, weil eine Angestellte das Team verlässt. Ersatz finden? „Ausgeschlossen!“, entfährt es dem dortigen Badebetriebsleiter Markus Eggerl. Selbst über eine Personalvermittlung sei „alles ausgebucht. Wer brauchbar ist, steht in Lohn und Brot, der sucht nicht. Es ist massiv“, sagt er. Laut Edgar Koslowski fehlen in Baden-Württemberg bis zu 400 Fachleute, bundesweit sogar 2500. „Die Lage ist generell immer prekärer“, sagt er, und das wird sich aus seiner Sicht nicht ändern, bis Dienstleistungsberufe nicht bessergestellt werden. In Stuttgart hat man bereits im November mit einer großen Werbekampagne und Plakaten Saisonkräfte gesucht. „Es haben sich null beworben“, sagt Arvid Donert. In seinem Untertürkheimer Inselbad wird es nicht zuletzt deswegen wohl bis Mitte Juli bei den verkürzten Öffnungszeiten bleiben. Bis die ausgelernten Azubis endlich kommen.