Foto: Paul Janositz

Schloss und See. See und Schloss. Um sie dreht sich fast alles in Schwerin, auch die Bundesgartenschau 2009.

Fünf Flügel, elf Geschosse, 652 Räume, unzählige Erker, eine vergoldete Prunkkuppel: Mächtig thront das Märchenschloss auf einer Insel im Schweriner See. Fürs Disneyland hätte man es nicht besser erfinden können, doch es atmet Geschichte, die Geschichte eines einst mächtigen und wohlhabenden Geschlechts im deutschen Norden. Die Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin ließen nicht nur opulente Residenzen bauen, sie sammelten auch Kunst, Porzellan, Münzen und Waffen – ein Erbe, das heute der Landeshauptstadt Mecklenburg- Vorpommerns mit rund 97.000 Einwohnern zugute kommt. "Sie ist zwar die kleinste in Deutschland, aber die schönste", sagen die Schweriner stolz.

Die Lage jedenfalls ist einmalig. Das Wasser von sieben Seen macht ein Drittel der Stadtfläche aus, ein Drittel grünt als Wald, Wiese oder Park. Der Rest ist bebaut mit klassizistischer Pracht, herrschaftlichen Villen und hübschen Fachwerkhäusern in urigen Gassen. Da Schwerin im Zweiten Weltkrieg von zerstörerischem Bombardement verschont blieb, stehen die Plattenbauten der DDR-Zeit vorwiegend außerhalb der Altstadt. Der Turm des imposanten Backsteindoms ist einen halben Meter höher als der der Petrikirche in Rostock. Die Hansestadt an der Ostsee ist traditionell Schwerins große Konkurrentin. 1990 aber setzte sich die kleine Schöne durch und wurde Landeshauptstadt.

Legislative und Exekutive des armen Bundeslandes erfreuen sich bester Residenzen: Dem Landtag steht ein Drittel des Schlosses zur Verfügung, in Sichtweite residiert die Staatskanzlei in den ehemaligen Kollegiengebäuden, das Innenministerium im Arsenal am Pfaffenteich und das Justizressort im Neustädtischen Palais. Schwerin ist eine Stadt der kurzen Wege, für Touristen ideal.

Ziel Nummer eins ist natürlich das Schloss. Rechtzeitig zur Bundesgartenschau fielen die letzten Baugerüste der Restauratoren. Erhöht steht die bisquitfarbene Residenz auf den slawischen Burgwällen und Bastionen des 16. und 17. Jahrhunderts. Bereits 1018 erwähnt, war die Burg im Mittelalter Sitz des mächtigen Obotritenfürsten Niklot. 1160 wurde er vom Sachsenherzog Heinrich dem Löwen vertrieben, der im selben Jahr die Stadt Schwerin gründete. Niklots Nachkommen passten sich dem neuen Herrscher an, wurden als Lehensträger Sachsens eingesetzt und 1348 mit der Herzogswürde belohnt.

Durch mehrere Brände verwüstet und durch die Verlegung des Hofs 1756 ins Jagdschloss Ludwigslust vernachlässigt, begann für das Schloss mit Großherzog Paul Friedrich eine neue Epoche. 1837 erklärte er Schwerin wieder zur Residenz, sein Sohn Friedrich Franz II. ließ das Schloss unter anderen von den Schinkel-Schülern Friedrich August Stüler und Georg Adolph Demmler umgestalten. Nach 14-jährigen Bauarbeiten war der Märchenpalast mit einer prunkvollen Orangerie 1857 perfekt. Den barocken Schlosspark ergänzte Peter Joseph Lenné mit einem englischen Landschaftsgarten, der Burggarten auf der Schlossinsel trägt ebenfalls seine Handschrift.

Zur Bundesgartenschau (Buga) 2009 wurden die historischen Anlagen restauriert, neue hinzugefügt. Unter dem Motto "Sieben Gärten mittendrin" analog der sieben Seen des alten Schwerin legen sich die Gärten wie eine Perlenkette um Schloss und See. Alle sind am Wasser, eine schwimmende Fußgängerbrücke verbindet Schlossbucht und Ufergarten, wo der Flaneur mit Blick auf das Schloss tafeln kann. Den Postkartenblick auf die Residenz aber bietet das Ende der Blütenkaskaden, die von einer Anhöhe zur barocken Anlage hinabfließen.

Schloss und See

Bezug auf die Buga nehmen auch die Staatlichen Kunstsammlungen. So zeigt das Museum am Alten Garten in Sichtweite des Schlosses nicht nur von Künstlern gestaltete digitale Gärten, sondern auch die Ausstellung "Blumenpracht – Niederländische Stillleben des 17. Jahrhunderts". 20 Werke sind aus eigenem Bestand, denn Schwerin besitzt aufgrund der Sammelleidenschaft seiner Großherzöge eine der europäischen Spitzenkollektionen niederländischer und flämischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts mit Werken von Rubens, Rembrandt, Jan Brueghel d. Ä. und Frans Hals. Die weltgrößte Sammlung des französischen Tiermalers Jean-Baptiste Oudry ist nach einzelnen Restaurierungen durch das Getty-Museum Los Angeles wieder vollständig in Schwerin zu sehen, darunter die berühmte Nashorndame Clara. Ein holländischer Kapitän hatte sie 1741 von Indien nach Europa gebracht, wo sie auf Jahrmärkten zur Sensation und zum Objekt für Künstler wurde.

Clara ist das Vorbild für hundert bunt bemalte Nashörner, die heute das Stadtbild beleben. Dank der damit verbundenen Spendenaktion hat der echte Nashornbulle Limpopo im Schweriner Zoo in diesem Frühling eine Gefährtin bekommen, die natürlich Clara heißt und neuer Besucherliebling ist. Kunstwerke, Möbel und Porzellane der reichen Staatlichen Sammlungen sind auch in den Wohnräumen von Friedrich Franz II. im Schloss zu sehen. Prunkstück sind der Thronsaal und die Ahnengalerie, die lückenlos die Herrscher des Hauses Mecklenburg- Schwerin seit der Verleihung der Herzogswürde 1348 präsentiert.

Als Hommage an die 1,8 Millionen Besucher, die Schwerin zur Buga erwartet, verdoppeln die Schlossfestspiele ihr Programm. Zusätzlich zur Opernaufführung im Juli – dieses Jahr Mozarts "Zauberflöte" – wird auf der Freilichtbühne am Alten Garten im August das Musical "Sorbas" gegeben.

Auch die Gastronomie nimmt sich des grünen Themas an: So bietet das Café Röntgen auf dem lichten Marktplatz grasgrüne Buga-Törtchen an. Das traditionsreiche Weinhaus Uhle serviert in der Altstadt ein Buga-Menü mit viel Gemüse, Kräutern und essbaren Blüten. Es lässt sich gut sitzen in den Cafés und Restaurants im Schloss und in den Altstadtgassen.

Reizvoll ist eine Fahrt über den viertgrößten deutschen See mit der Weißen Flotte, die auch am Zippendorfer Sandstrand andockt, wo sich Einheimische und Gäste sonnen können – mit Blick auf die fernen Türme des Schlosses, denn ohne das geht ja in Schwerin fast nichts.

Info: Buga-Rahmenprogramm: Bis zum Ende der Bundesgartenschau 2009 am 11. Oktober gibt es viele Veranstaltungen auf dem Ausstellungsgelände rund um Schloss und See, so ein Jazz- und ein Blaskapellenfestival, Folk und klassische Musik, ein Tanzfest und einen Volkstanztag, Gastspiele von Patricia Kaas und Zirkus Roncalli. Die Buga-Tageskarte kostet zwischen 14 und 16 Euro, Kinder zahlen vier Euro, Tel. 03 85/2 00 94 44, http://www.buga-2009.de

Schlossfestspiele: Das mecklenburgische Staatstheater bringt zur Buga zwei Inszenierungen auf die Freilichtbühne am Alten Garten: vom 26. Juni bis 31. Juli Mozarts "Zauberflöte", vom 8. bis 30. August das Musical "Sorbas" mit Gojko Mitic in der Titelrolle, Kartentelefon 03 85/5 30 01 23.

Allgemeine Auskunft: Die Touristinformation Schwerin organisiert auch Pauschalarrangements, darunter das Schwerin- Puzzle, mit dem man seinen Aufenthalt individuell zusammenstellen kann. Informationen zu den Paketen und zur Stadt allgemein gibt es dort unter Tel. 03 85/5 92 52 12, http://www.schwerin.com