Nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko haben zahlreiche Länder ihre Hilfe angeboten. Die Regierung in Rabat nimmt bisher nur begrenzt Hilfe an. Deutschland ist nicht dabei. Warum?
Das verheerende Erdbeben in Marokko am 8. September hat weit über 2000 Todesopfer gefordert. Die betroffenen Gebiete liegen in Schutt und Asche, es fehlt an Strom und Wasser. Um die Menschen in den betroffenen Gebieten zu versorgen, hat das Bundesinnenministerium seine Hilfe angeboten. So könnte das Technische Hilfswerk (THW) eine Trinkwasseraufbereitungsanlage in das nordafrikanische Land schicken. Die Regierung in Rabat hat die Hilfe bisher nicht angenommen. Woran liegt das?
„Bislang sind diese Hilfsangebote nicht abgerufen worden“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Marokko habe sich aber für das Angebot bedankt. Auf die Frage, ob der Verzicht auf deutsche Hilfe politische Gründe haben könnte, antwortete er: „Ich glaube, politische Gründe kann man hier ausschließen für unseren Fall.“ Die diplomatischen Beziehungen zu Marokko seien gut.
Aber warum nimmt Marokko die Hilfe von Deutschland nicht an? Einem Bericht des Magazins „Stern“ zufolge könnte dies daran liegen, dass zu viele verschiedene Teams die Absprachen erschweren würden. Die marokkanischen Behörden hätten sorgfältig geprüft, was gebraucht werde. Eine fehlende Koordination wäre kontraproduktiv.
Schlechte Erfahrungen mit internationaler Hilfe
Viele Länder hätten schlechte Erfahrungen mit internationaler Hilfe gemacht, heißt es im „Stern“. So wurden zum Beispiel Hilfsgüter geschickt, die so nicht angefordert und auch nicht gebraucht würden. Deswegen sei es denkbar, dass sich Marokko derzeit auf Hilfskräfte vor Ort verlasse, die sich in der Region schon auskennen und die Bedürfnisse besser einschätzen können.
Spekulationen über die Hintergründe der Absage kamen auf, weil Marokko Hilfsangebote von nur vier „befreundeten Ländern“ annimmt: Spanien, Katar, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Politischer Hintergrund ist der Konflikt um die Westsahara, ein Gebiet im Nordwesten Afrikas. Das Gebiet war früher eine spanische Kolonie. Nach dem Abzug der Spanier 1975 beanspruchte Marokko das Gebiet für sich. Die Frente Polisario (eine militärische und politische Organisation in der Westsahara) wollte dort jedoch eine unabhängige Republik Sahara errichten. Dies führte zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Marokko und der Frente Polisario, der bis 1991 andauerte.
Der Streit um die Westsahara stürzte die deutsch-marokkanischen Beziehungen 2021 in eine tiefe Krise. Auf dem Höhepunkt zog Marokko seine Botschafterin für mehrere Monate aus Berlin ab. Im Sommer 2022 näherten sich die beiden Staaten dann wieder an. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reiste im August vergangenen Jahres in die Hauptstadt Rabat.
Schwerstes Erdbeben der letzten Jahrzehnte in Marokko
Mit einer Stärke von 6,8 auf der Richterskala war es das schwerste Erdbeben der letzten Jahrzehnte in Marokko. Das Epizentrum lag südwestlich von Marrakesch. Seither wurde das nordafrikanische Land von weiteren Nachbeben erschüttert. Nach bisherigen offiziellen Angaben kamen landesweit mindestens 2497 Menschen ums Leben, mindestens 2476 weitere wurden verletzt.