Dieter Adrion ist Dialektforscher – und heißt dann Johann Martin Enderle. Foto: Bernklau

Kurz, knapp und knitz – so präsentiert sich Dieter Adrion alias Johann Martin Enderle. Den Pfleiderer-Keller in Degerloch hat der humoristische Dialektforscher überfüllt.

Degerloch - Rolf Walther Schmid, der Vorsitzende des Degerlocher Albvereins, versprach dem Publikum „mit das Beste, was es an schwäbischer Mundart gibt“. Und viele hatten das offenbar schon geahnt oder gar gewusst. Denn der Helene-Pfleiderer-Keller war vor Kurzem überfüllt wie noch nie bei einem Mundartbühnen-Abend. Mit „Gscheidla, Knicker, Glufamichl - Studien zur schwäbischen Befindlichkeit“ trat da Dieter Adrion auf. Der kann das wie keiner, locker wie aus „dem G’äder“ geschüttelt, dem Handgelenk. Der ist wahrhaftig eine Institution.

Dialektforschung trifft Poesiekunst

Eigentlich heißt der gebürtige Cannstatter, aufgewachsene Fellbacher Johann Martin Enderle und lebt in Bietigheim, war Akademischer Direktor an der PH Ludwigsburg und betreibt mit der gleichen Begeisterung schwäbische Dialektforschung wie er mit seiner geistreichen feinsinnigen Poesie-Kleinkunst Säle zum Schmunzeln, Lachen, Jubeln und zu schwäbischer Selbsterkenntnis bringt – also rundum glücklich macht. Insofern widerlegt er den zweiten Leitspruch des Abends: „’s Ärgschte sen d’Leut“. Viel Theaterarbeit hat er gemacht in seinem langen Leben. Und Gedichte vom Feinsten.

Zunächst erklärte er mal die mannigfachen Bedeutungen des schwäbischen Wortes „heben“: seltener kraftvoll hinauf, wie im Hochdeutschen, öfter als festhalten, halten, auch im Sinne von frisch und dauerhaft. Der Weisheit, dass Lachen gesund sei, schloss sich Dieter Adrion im Prinzip an, machte das aber von der Echtheit abhängig, die „Tübinger Forscher“ untersucht hätten. Als Beispiele für „ruckartiges“ und für „maskiertes“ Lachen präsentierte er dem johlenden Publikum die Konterfeis der Ministerpräsidenten Oettinger und Mappus.

Rhythmen, Reime und feine Beobachtung

Seine leichtfüßigen Rhythmen und Reime zeichnen Adrion-Enderle ebenso aus wie seine feine Beobachtung. „Was machen wir heut?“, fragt sich das Rentnerehepaar Martha und Gustav Löhlein beim Frühstück und geht alle Möglichkeiten von Wilhelma und Fernsehturm bis zu Markthalle, Museum und Besenwirtschaft eingehend und am Ende abschlägig durch, um sich dann vorzunehmen: morgen! Die Griechenland-Krise inspiriert den Dichter aus dem sonst eher knickrigen Schwaben zum Vorschlag einer dankbaren Acht-Milliarden-Spende für all die Segnungen aus Hellas von Dichten und Denken, Theater und Demokratie bis Gyros und Ouzo.

Erzählte Poeme wie „Wo druffdrucka?“ , die Ode über das Lebensziel „Mercedes“ und die Maultaschen-Hymne taugen ebenso zum Klassiker wie der Traktat „Wei macht gsond!“ oder die Elegien vom „Spätzle uffem Seiher“ und Mudders Kartoffelsalat. Zwischen all dieser niemals plumpen, nie verzwungenen Poesie wird es ihm fast wieder ganz ernst mit dem Nachweis, das Schwäbisch keinesfalls nur ein Dialekt, sondern eine ganz eigene Sprache – mit Phonetik (von Å bis ô), Wortschatz, Grammatik und Idiomatik, also Redensarten.

Das schwäbische Dreieck ist ein Mercedes-Stern

Und zwar kurz, knapp und knitz, was auf Reig’schmeckte wie maulfaul wirken mag. Ein langes „Au?“ als Antwort auf eine Begrüßung kann die halbe Welt an Bedeutungen enthalten. „Fernelen“ tun Frauen, auch Männer, die – altershalber – von weit weg besser aussehen als aus der Nähe. Wie alles bei Johann Martin Enderle war auch das aber viel mehr liebevoll beobachtet als „hälenga“ boshaft.

Sein schwäbisches Dreieck aus Kultur, Sprache und Lebensart präsentierte der Humorist in Form des Mercedes-Sterns – was keine Schleichwerbung war. Und für den übermütigen Applaus gab er im Anschluss an „Lore Bleyle“ nach Heine noch eine besinnliche Betrachtung über das schwäbische Schlüsselwort „g’schwend“ zu. Großartig.