Schulleiter Rolf Bayer (vorne links) nimmt das Qualitätssiegel von Gerd Stehle, Lions-District-Govenor (vorne Mitte), und Georg Neumann, Lions-Quest-Beauftragter (vorne rechts), entgegen. Foto: Jürgen Bach

Wer bin ich und wie gehe ich mit Angst und Konflikten um? Mit einem besonderen Programm lernen Kinder am Johannes-Kepler-Gymnasium, selbstbewusst erwachsen zu werden.

Dass die Jugend schlechte Manieren hat und die Autorität verachtet, den Eltern widerspricht, Lehrer tyrannisiert und sonst die Beine übereinanderschlägt, beklagte schon der griechische Philosoph Sokrates zu seinen Lebzeit. Die Kritik an der „Jugend von heute“ ist wohl fast so alt wie die Menschheit selbst – ein Sermon, in den sich Rolf Bayer, Schulleiter am Weil der Städter Johannes-Kepler-Gymnasium, nicht einreihen will. Nicht besser, nicht schlechter, eben anders sei es, heutzutage aufzuwachsen, sagt er. „Vor 20 Jahren gab es kein Handy und vor zehn kein Whatsapp“, so der Schulleiter. Verändert habe sich im sozialen Umgang seiner Schüler etwa, dass sich die Kinder der Konsequenzen nicht bewusst sind, wenn sie etwa per Messenger gemeine Nachrichten verschicken.

Wie werden Kinder zu starken Erwachsenen?

Sozialkompetenzen wie diese – Umgang miteinander, Konflikte aushandeln, das Arbeiten im Team, selbstbewusst auftreten – will das Johannes-Kepler-Gymnasium Schulkindern der Stufen 5 und 6 mit dem Programm „Lions Quest“der Stiftung der Deutschen Lions näher bringen. Seit 2003 gibt es das Programm am Gymnasium, inzwischen hat die Schule dafür als eine von rund 50 in Deutschland sogar ein entsprechendes Sigel bekommen. In einer Unterrichtsstunde der Woche werden den Kindern im Rahmen des Programms Themen nahegebracht, die sie dabei unterstützen sollen, selbstbewusste und starke Erwachsene zu werden.

„Das passiert ganz unterschiedlich, aber immer in Interaktion mit den Kindern“, erklärt Schulleiter Bayer. Manchmal wird diskutiert, manchmal bekommen die Kinder einen Impuls und arbeiten dann eigenständig, schreiben etwa für sich auf, in welchen Situationen sie das Gefühl haben, dass ihre Taten eine Bedeutung oder Einfluss auf andere haben. Wichtig ist: „Nicht dozieren“, sagt Bayer. Die Stunden zielen besonders auf die Persönlichkeitsentwicklung ab. „Wer bin ich? Wie stehe ich zu meinen Eltern? Wie gehe ich mit Angst um?“ Mit Fragen wie diesen sollen sich die Kinder bei Lions Quest laut Bayer beschäftigen.

Für Streitschlichter gibt es inzwischen keinen Bedarf mehr

Oft unterrichten die Lehrkräfte, die die Lions-Quest-Stunden durchführen, auch in anderen Fächern – und können so nach Bedarf eine Lions-Quest-Stunde einlegen, wenn sie das Gefühl haben, die Kinder brauchen sie gerade. Für die Stunden wurden die Lehrkräfte in einem Wochenendseminar ausgebildet. Inzwischen sei ein Großteil des Kollegiums ausgebildet, sagt Bayer. Durchgeführt wurden die Stunden von Lions Quest während der Pandemie auch digital. „Es war ein echter Fehler, die Kinder nicht in die Schule zu lassen“, sagt der Schulleiter. Er glaubt, dass Lions Quest den Schülerinnen und Schülern in dieser Zeit geholfen hat. „Dadurch konnten wir viel auffangen.“

Für den Schulleiter ist das Programm seit seiner Einführung vor 20 Jahren: Erfolgreich. „Die Bedürfnisse der Kinder liegen eben nicht nur bei Deutsch, Mathe und Englisch“, sagt er. „Die haben auch andere Themen.“ Besonders lobend spricht er über die präventive Wirkung des Programms. Zwar gebe es an der Schule auch Drogenprävention oder Workshops mit der Polizei zu Sozialen Medien, diese seien aber immer fachbezogen. Selbstbewussten jungen Menschen müsse man aber eben nicht mehr beibringen, nein zu Drogen zu sagen. Als Bayer 2006 an das Johannes-Kepler-Gymnasium kam, habe es noch Streitschlichter gegeben. Inzwischen nicht mehr – weil man sich nicht mehr brauche. „Die Schüler haben gelernt, Probleme eigenständig zu klären.“ Sein Ziel sei es nicht, keine Konflikte mehr an der Schule zu haben, das sei utopisch. „Die Kunst besteht darin, sie zu lösen.“