Zwölf Schüler aus Indien lernen momentan durch einen Austausch am Rutesheimer Gymnasium die deutsche Kultur kennen. Das Programm soll die Verständigung fördern – und hat für lebenslange Freundschaften gesorgt.
Das Foyer des Gymnasiums in Rutesheim war am Montag um 11.15 Uhr plötzlich brechend voll. Denn für die Schüler gab es ein besonderes Pausenprogramm: Zwölf indische Austauschschüler führten gemeinsam Tänze und ein Gedicht auf. Gekleidet in weiße Saris schritten die Schülerinnen in einem Kreis mit gefalteten Händen aufeinander zu und tanzten den „Thiruvathirakali“. Dieser wird traditionell am Geburtstag des hinduistischen Gottes Shiva dargeboten. Gemeinsam mit ihren männlichen Mitschülern gaben sie anschließend ein Gedicht zum Besten, das für ihren Bundesstaat Kerala typisch ist.
Die zwölf indischen Schüler sind zusammen mit ihrem Schulleiter Pater Joseph noch bis zum 13. Mai am Rutesheimer Gymnasium zu Gast. Insgesamt drei Wochen leben sie in den Familien ihrer Austauschpartner und lernen die deutsche Kultur kennen. Im Herbst geht es für die Rutesheimer Schüler zum Gegenbesuch nach Indien.
Nicht vergleichbar mit einem Londonaustausch
Die indischen Gäste stammen von der Sacred Heart School in Changanassery im Bundesstaat Kerala, wie der Schulleiter des Gymnasiums, Jürgen Schwarz, erläutert. Der Staat im Süden Indiens sei ein besonderes Land: „Kerala ist nicht vergleichbar mit Mumbai oder Delhi“, so der Schulleiter. Der Staat sei sehr demokratisch, und es gebe keine Slums. Die Sacred Heart School sei katholisch geführt, wird aber von Angehörigen dreier Religionen besucht: Hindus, Muslime und Christen. „Da kann man Toleranz lernen“, fügt Schwarz hinzu.
Ein besonderer Austausch
Das Austauschprogramm zwischen dem Rutesheimer Gymnasium und der Sacred Heart School gibt es mittlerweile seit zehn Jahren. „Das ist ein lebensveränderndes Programm, ein ganz anderes Erlebnis als andere Austausche“, schildert Schulleiter Schwarz. „Wenn unsere Schüler im Herbst drei Wochen nach Indien gehen und dort ganz andere kulturelle Bedingungen erfahren, kann man das nicht mit einem London-Austausch vergleichen.“ Ziel sei nicht, das Englisch der Teilnehmer zu verbessern. Laut Schwarz geht es darum, die interkulturelle Kompetenz der Schüler zu fördern und zu lernen, Menschen aus anderen Kulturen zu respektieren. Der Austausch leiste einen Beitrag für die Verständigung von Menschen über alle Grenzen hinweg.
Viele Schüler wollen mitmachen
Das Programm stößt bei den Rutesheimer Schülern auf großes Interesse: Es gibt immer mehr Bewerber, als angenommen werden können, wie Schwarz erläutert. Die zwölf Teilnehmer sind vor allem Schüler der Klassen zehn, elf und zwölf. „Der Austausch ist eine gute Möglichkeit, in eine andere Kultur hineinzuschauen“, erläutert Tham seine Entscheidung, in diesem Jahr an dem Programm teilzunehmen. „Das ist eine einmalige Chance. An welcher Schule gibt es das sonst?“, fügt seine Mitschülerin Tarja hinzu.
Für die indischen Gäste steht in Rutesheim und Umgebung einiges auf dem Programm: Sie gehen beispielsweise in eine Bäckerei und auf einen Bauernhof, machen eine Schlossführung in Ludwigsburg und besuchen städtische Einrichtungen. Außerdem seien sie drei- bis viermal einen ganzen Tag im Unterricht dabei, erklärt Andreas Schwarz. So sollen die indischen Gäste andere Unterrichtsformen kennenlernen.
Die deutsche Kultur kennenlernen
In Deutschland gefalle es ihm sehr gut, erzählt einer der indischen Schüler. Das Land sei toll, die Menschen nett. Es ist nur etwas kälter als gewohnt. An dem Austausch hat er teilgenommen, um mehr über die deutsche Kultur, das Schulsystem und die Traditionen zu lernen, wie er erklärt. Drei Wochen in einer deutschen Familie zu verbringen sei dafür eine gute Möglichkeit.
Lebenslange Freundschaften
Die Verständigung zwischen deutschen und indischen Schülern scheint keine Probleme zu bereiten: „Manche Wörter sind mit ihrem Akzent schwierig zu verstehen, aber sie sprechen alle sehr gut Englisch“, erzählt die Schülerin Mona. Genau wie Tarja versteht sie sich super mit ihrem indischen Gast. „Dafür, dass wir komplett zufällig eingeteilt wurden, klappt es echt gut“, so Tarja. Mona kann sich sogar vorstellen, ihre Austauschschülerin auch später noch einmal zu besuchen. „Vielleicht kann man sich dann alle vier Jahre treffen.“ Laut Schulleiter Jürgen Schwarz ist es nicht unüblich, dass sich Austauschpartner auch nach Ende des Programms weiterhin besuchen: „Es entstehen oft lebenslange Freundschaften.“
Auch für Europa soll es mehr Austausche geben
Internationale Beziehungen sollen am Rutesheimer Gymnasium aber nicht nur durch den Indienaustausch entstehen. Auch im europäischen Bereich will die Schule interkulturelle Kompetenzen stärker fördern. Das Gymnasium ist als Erasmus+ Schule anerkannt, wie die Zuständige für Öffentlichkeitsarbeit, Andrea Frenzel, erklärt. Das bedeutet unter anderem, dass der Schule zusätzliche Mittel von der EU für Schüleraustausche bereitgestellt werden. Das soll auch genutzt werden: Laut Frenzel ist das Gymnasium gerade dabei, neue europäische Schulen für Austauschprogramme zu gewinnen. Ziel sei, allen Schülern in Klasse zehn einen Austausch zu ermöglichen.
Interkulturelle Kompetenzen zu erlernen sei insgesamt an der Schule sehr wichtig, fügt Schulleiter Jürgen Schwarz hinzu. „Wir verstehen uns als Weltbürger und wollen unsere Schüler dazu auch erziehen.“