Der Trend geht zum pflegeleichten Garten. Wer keine Lust zum Jäten hat, kippt sich rasch eine Ladung Steine ans Haus. Viele Menschen sehen dies allerdings mit Sorge. In manchen Städten sind Schottergärten sogar schon verboten.
Filder - Es ist eine Entwicklung, die die Menschen beunruhigt. Unabhängig von einander haben sich mehrere Bewohner der Filderebene bei unserer Zeitung gemeldet, weil sie sich Sorgen machen. Sie beobachten, dass sich der Trend zum pflegeleichten Kiesgarten ausbreitet. Eine Form der Gartengestaltung, vor der auch Vertreter des Naturschutzbundes warnen, weil sie die Artenvielfalt zusätzlich gefährdet.
Sträucher haben Sicht für Autofahrer erschwert
Tiana Roth aus Plattenhardt war irritiert, als sie den Vorgarten der Volksbank-Filiale in ihrem Stadtteil gesehen hat, sagt sie. „Dort stand früher ein großer Baum.“ Der ist nun fort, und das komplette Beet ist mit Kies überschüttet. Gerade an einer so prominenten Stelle, sagt sie, sollte man die Artenvielfalt besser schützen. „Das ist weder eine Bienen- noch eine Augenweide“, sagt Roth. Ihren Unmut hat sie auch schon bei der Volksbank kundgetan.
Rainer Spannangel, der Vorstandssprecher der Volksbank Filder, erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, dass das Steinbeet aus verschiedenen Gründen angelegt worden sei. „Vor ein paar Jahren waren dort noch große Sträucher“, sagt er. „Wir wurden aber gebeten, diese zu entfernen. Sie haben die Sicht auf die anliegende Kreuzung für Autofahrer erschwert.“ Außerdem hätten die Leute die Grünfläche immer wieder mit einem Mülleimer verwechselt, und der Kies vereinfacht die Pflege.
Die Volksbank in Plattenhardt steuert nun gegen
Tiana Roth überzeugt all dies allerdings nicht. Ihre Idee: „Man könnte Rosmarin pflanzen oder Felsenbirnen, bei denen man den Stamm auskahlt, damit die Sicht der Autofahrer nicht beeinträchtigt wird.“ Roth berichtet, dass sie im Ort nicht die Einzige ist, die sich an den Steinwüsten stört. Die gute Nachricht für sie und die anderen: Die Volksbank-Filiale in Plattenhardt steuert gegen: „Wir werden dieses Jahr noch Lavendel einpflanzen“, sagt Spannagel.
Die Biologin Birgit Förderreuther aus Plattenhardt kennt die Probleme, die solche Schottergärten mit sich bringen. „Wenn keine Erde vorhanden ist, kann darin auch kein Leben stattfinden“, sagt sie. Wildbienen und andere Insekten fänden dort weder Futter noch Brutplätze und fehlen dadurch auch Vögeln, Fledermäusen oder Spinnen als Nahrung. Dass es weniger Insekten gibt, könne man an der Windschutzscheibe des Autos sehen. „Früher musste man nach jeder Fahrt die Scheibe putzen, weil tote Tiere daran klebten. Wie oft ist das heute noch nötig?“ Solche Schottergärten produzierten keinen Sauerstoff, Folien unter den Steinen behinderten den Wasserabfluss, und der natürliche Abkühlungseffekt durch Verdunstung über die Pflanzen falle weg, erklärt die Biologin. Vor allem dunkler Schotter heize sich bei Tag auf. Nachts verhindere die dann abgestrahlte Wärme ein erholsames Absinken der Umgebungstemperatur. „Aber egal, ob dunkle oder helle Steine, in beiden Fällen ist die Fläche tot“, sagt sie.
Es gibt Städte, die Verbote einführen
Aber was tun? Die neuartigen Schottergärten sind mittlerweile auch auf der politischen Ebene angekommen. Es gibt in Deutschland sogar schon Städte, die derlei Kieswüsten verbieten. Heilbronn zum Beispiel. Und auch andernorts wird aktuell ähnliches diskutiert.
Schwenk nach Plieningen. Anja Geißler ist erschrocken, als sie die Verkehrsinsel nahe der Stadtbibliothek gesehen hat. Und auch jene beim Optiker Fischbach ist ihr negativ ins Auge gestochen. Diese Stellen seien bisher bepflanzt gewesen. Aktuell sei dort hingegen nur noch Kies zu sehen. „Ich war irritiert, so etwas kann ich nicht verstehen“, erzählt Geißler.
Die Stadt Stuttgart gibt Entwarnung
Und sie ist nicht die Einzige. Ursula Schnabl ist auf dieselben Stellen aufmerksam geworden. Auch sie stört es, „dass dort kein Grün mehr ist“, wie sie sagt. Über das Nachbarschaftnetzwerk nebenan.de habe sie von anderen Bürgern erfahren, dass sie mit ihrem Frust über die Kiesbeete nicht allein ist. Also hat sie sich per Gelber Karte bei der Stadt beschwert.
Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin von Plieningen, kann die Bürger beruhigen. Die Flächen würden nicht so bleiben, wie sie derzeit sind, sagt sie. „Die Pflanzen sind schon bestellt.“ Es sollen Gewächse eingepflanzt werden, die speziell für Verkehrsinseln gedacht seien, um den Autofahrern die Sicht nicht zu versperren. Der Schotter sei eine mineralische Mulchschicht, teilt das Gartenamt zudem mit. Sie schütze den Boden vor dem Austrocknen und verhindere, das Unkraut sprieße. Sobald die neuen Stauden, Gräser und Zwiebelpflanzen austrieben, würden Insekten auf den Verkehrsinseln auch wieder Nahrung finden.