Die VfB-Fans werden Otto’s Vesperstüble vermissen. Foto: Facebook/Otto's-Vesperstüble

Nach ungezählten Jahren muss der Kult-Treff Otto’s Vesperstüble schließen. Den Fans des VfB Stuttgart blutet das Herz. Genauso wie seinem Besitzer. Der hat für das letzte Heimspiel nur einen Wunsch.

Stuttgart - Stuttgart – Hier trifft sich der Mechaniker mit dem Banker, der Jurist mit der Modefachverkäuferin, der Friseur mit der Mathematikerin. Sie alle kommen zusammen zu Schnitzel und Bier, zu Kartoffelsalat und Weinschorle. Ihr Alltag? Für ein paar Stunden nur Nebensache.

Wenn der VfB Stuttgart spielt und sich die Fans bei Richard Ilg in Otto’s Vesperstüble in der Mercedesstraße bei der Mercedes-Benz-Arena treffen, dreht sich (fast) jedes Gespräch um den Verein mit dem Brustring. Um die Liebe, die Leiden schafft. Um die Hoffnung, dass die schlechten Zeiten endlich mal ein Ende haben.

Kaum einer verkörpert diese Gefühle so gut wie Richard Ilg selbst. Seit elf Jahren führt der VfB’ler „durch und durch“ das Vesperstüble mit zwei Mitstreitern. Am Sonntag, nach dem Heimspiel gegen den FC Ingolstadt, schließen die Türen für immer.

"Eine Ära geht zu Ende"

Wenn Richard Ilg über die Jahre im Vesperstüble spricht – und es sind weit mehr als die elf, in denen er selbst die Verantwortung trägt – wird der Mann, der am Mittwoch seinen 70. Geburtstag feierte, wehmütig. „Eine Ära geht zu Ende.“

Zum Abschluss wird Samstag hinter verschlossenen Türen der 70. Geburtstag gefeiert – und am Sonntag das letzte Heimspiel begossen. Mit allen, die dem Vesperstüble in den vergangenen Jahren ihre Treue gehalten haben – so die Hoffnung von Richard Ilg.

Wer sich nun fragt, warum die Kneipe mit Charme schließen muss, und es auf geplante Systembauten für Asylsuchende schiebt, der liegt falsch. Richard Ilg erklärt: „Ich kann es einfach nicht mehr machen. Und alleine können es meine Mitstreiter auch nicht stemmen.“

Richard Ilg ist schwer krank, das ist der Grund. Er hat immer alles für das Vesperstüble gegeben. „Aber jetzt geht es halt nicht mehr“, sagt der Mann, der einst ein sehr guter Freund von Otto, dem ursprünglichen Besitzer und Namensgeber, war. Zusammen haben sie viele Jahre beim Karteln verbracht. Mit dem VfB gelitten. Und auch sonst jedes Thema rund um Stuttgart, Baden-Württemberg und die Welt beackert.

Otto starb im Jahr 2004

2004 war für Otto die Zeit gekommen. „Er starb in unseren Armen“, sagt Richard Ilg und breitet seine Gefühle aus: „Plötzlich hatten wir unsere Heimat verloren. Ich und viele meiner Freunde.“ Also haben sie sich entschlossen, das Vesperstüble in Ottos Namen weiterzuführen.

Wenn am Sonntag das letzte Bier gezapft und das letzte Schnitzel gebraten ist, wird es Zeit Tschüss zu sagen. „Dann fließen die Tränen“, sagt Richard Ilg. Die große Abschiedsparty mit dem Hofbräu-Regiment ist bereits ein paar Wochen her. Jetzt soll der VfB Stuttgart das große Finale mit drei Punkten schmücken. „Ich bin VfB-Fan seit Oberliga-Zeiten. Ich leide jedes Mal mit wie ein Hund. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt“, sagt Richard Ilg.

Und was gäbe es Schöneres, als zum Abschluss einen Sieg seines VfB? Einen Sieg des Mechanikers, des Bankers, des Juristen, der Modefachverkäuferin, des Friseurs und der Mathematikerin. „Dann“, sagt Richard Ilg, „ja, dann lassen wir auch die letzten Bierfässer leer laufen. Und jeder, der dann sein Glas hin hält, bekommt nochmal eine Halbe.“

Auf Otto! Auf Richard! Auf den VfB Stuttgart!