Im Lagezentrum der Polizei laufen in den Nächten des Wochenendes die Bilder der Videokameras am Neuen Schloss ein.Foto: 7aktuell/Oskar Eyb Foto:  

Die Videoüberwachung der Polizei in der Stadt zeigt erste Erfolge. Doch das eigentliche Konzept droht auch im Sommer 2022 nicht starten zu können.

Stuttgart - Da hinten braut sich offenbar etwas zusammen. Samstag, 2.44 Uhr, hektische Bewegungen unter zwei Personengruppen. Eine Videokamera am Neuen Schloss sendet verdächtige Livebilder vom Schlossplatz hinauf ins Führungs- und Lagezentrum der Polizei auf dem Pragsattel. Der diensthabende Videobeobachter verständigt die uniformierten Kollegen in der Stadt. Die sind rechtzeitig an Ort und Stelle, um eine Schlägerei zu beenden und drei Verdächtige im Alter von 15, 17 und 22 Jahren festzunehmen.

 

„Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, dass man verdächtige Bewegungsmuster frühzeitig erkennt“, sagt der Polizeivizepräsident Markus Eisenbraun. Mitte Juni hat die Polizei ihre provisorische Lösung einer Videoüberwachung mit Kameras am Neuen Schloss gestartet – ein erster Schritt. Doch was sich auch mehr als ein Jahr nach der Krawallnacht in der Innenstadt nachts oftmals zusammenbraut, bereitet Eisenbraun immer noch Sorge. Vor allem, weil die Polizei in den erkannten Problemzonen einige blinde Flecken hat – und das womöglich auch noch im Sommer 2022.

Weiterhin Probleme an Wochenenden

Es bleibt brenzlig rund um den Schlossplatz

Nach der Krawallnacht im Juni 2020 war der Begriff Videoüberwachung schnell in aller Munde – und gleich auch auf Papier: als Punkt sieben im Zehn-Punkte-Programm der Sicherheitspartnerschaft zwischen der Stadtverwaltung und dem Landesinnenministerium am 2. Juli 2020. Und als Gemeinderatsbeschluss für etwa 30 Kameras für circa eine Million Euro am 29. Juli 2020. Dabei wurde auch grünes Licht für eine Machbarkeitsstudie gegeben. Dann aber war Sendepause. Die Ergebnisse der EnBW liegen seit Mai 2021 vor. Zu spät für diesen Sommer. Derweil kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen. „Wir haben in den Nächten auf Samstag und auf Sonntag weiterhin eine Problemklientel. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Agitatoren, die provozieren, die etwas in Bewegung bringen wollen“, sagt der Polizeivizepräsident. Welche Größenordnung hinter „nicht unerheblich“ steckt, will er vorerst nicht beziffern. Wichtig sei es, so Eisenbraun, den Einfluss der Gewaltbereiten auf die Gewaltgeneigten zu verringern.

Die Zeit, in der Fäuste am häufigsten fliegen

Die aktuelle Videoüberwachung am Neuen Schloss ist ein Provisorium – und letztlich ein Zufallsprodukt, weil das Finanzministerium aus ganz anderen Gründen, wegen des Objektschutzes, ein Kamerasystem aufgebaut hatte. Die Polizei hat sich im Januar ins Projekt eingeklinkt, um überhaupt etwas für diesen Sommer zu haben.

Die Videoaugen sind nur an den Wochenenden und vor Feiertagen von 20 bis 6 Uhr eingeschaltet. „Das ist die Zeit, in der 43 Prozent aller Rohheitsdelikte in Stuttgart-Mitte begangen werden“, sagt der Vizepräsident. In der Innenstadt spielt sich überhaupt fast ein Drittel der Gewalt in Stuttgart ab.

Eigentlich geht es um 20 Blickwinkel

Da macht auch ein Provisorium reichlich Ausbeute. „Seit Juni haben wir 21 Anforderungen von Bildmaterial für laufende Strafverfahren bekommen“, sagt Sven Werbitzky vom Referat Technik der Stuttgarter Polizei über die bisherige Videobilanz. In zehn Fällen habe man Videosequenzen liefern können – und das bei ein paar Kameras mit vielen Einschränkungen.

Dabei geht es eher um 20 Kameras und Blickwinkel an fünf Standorten, zwei davon mit mobiler Einsatzmöglichkeit. Vor allem der Kleine Schlossplatz erweist sich als Brennpunkt, der viel mehr Einblicke braucht. Die Klagen der Geschäftsleute seien nicht aus der Luft gegriffen, ist zu hören. Doch wie sieht es mit den Planungen aus?

Wann wird denn nun losgelegt?

„Wenn wir gleich im Mai mit der ersten Ausbaustufe losgelegt hätten“, sagt Polizeiprojektleiter Werbitzky, „wären wir zum Jahresende 2021 bereit gewesen.“ Nun gehe es eher darum, für den Sommer 2022 nicht zu spät dran zu sein. Anders als bei der Videoüberwachung in den Jahren 2002 und 2003 am Rotebühlplatz glaubt die Polizei auch nicht, dass die Kameras bald wieder mangels Kriminalitätszahlen abgebaut werden müssen. „Da geht so schnell nichts zurück“, sagt Werbitzky, „wir haben nicht einmal die Drogendelikte berücksichtigt.“

Das Finanzministerium sieht seine Hausaufgaben gemacht. „Wir stellen die betreffenden Landesflächen zur Verfügung“, sagt Sprecherin Michaela Hornung, „alles Weitere sehen wir erst mal bei der Stadt.“

Die Stadt hat noch keinen Zeitplan

Im Stuttgarter Rathaus indes ist alles noch sehr unkonkret. Wer kümmert sich und koordiniert eine bauliche Umsetzung? „Das ist Gegenstand der noch laufenden Gespräche. Eine Entscheidung wurde noch nicht getroffen“, teilt der Stadtsprecher Martin Thronberens mit. Welche nächsten Schritte nun angegangen werden und vor allem bis wann, das bleibt offen: „Da mehrere Alternativen möglich sind, die je nach Ausbaustufe Kosten verursachen, und noch keine abschließenden Bewilligungen vorliegen, kann noch keine Zeitschiene dargestellt werden.“