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Eine dänische Schule liefert Anschauungsunterricht für das Lernen von morgen.

Stuttgart - Zwei Wochen ist unser Autor unterwegs auf Deutschlands längster Autobahn, der A7. Beim Besuch einer Schule in Schleswig fühlt man sich in eine andere Welt versetzt - nicht nur, weil dort alle Dänisch sprechen.

Ein Palast. Etwas anderes kann das schlicht nicht sein. Grau ist es draußen, es schüttet wie aus Eimern in Schleswig, etwas südlich von Flensburg. Und dann das. Die schwere Glastür öffnet sich, und der Besucher betritt eine lichtdurchflutete Welt mit einer riesigen Eingangshalle. Dieses Reich gehört nicht zu einem Regierungssitz oder zu einer Fabrikantenvilla. Es ist eine Schule.

Staunende Gesichter ist Jørgen Kühl gewohnt. Der 44-Jährige ist Gebieter über den Palast, der offiziell A. P. Møller Skolen heißt. Erst im September 2008 ist die dänische Gesamtschule eröffnet worden, und seither hat der Rektor hier bereits sage und schreibe 34000 Besucher empfangen. Sie kommen, um zu lernen, wie der Unterricht von morgen aussieht. "Eine Schule von dieser Qualität und Ausstattung findet sich derzeit in Nordeuropa nirgendwo", sagt Kühl nicht ohne Stolz.

Das hat mit dem Hintergrund der Schule und der Region Südschleswig zu tun. Spätestens alle paar Jahre rückt der auch bundesweit ins Bewusstsein, nämlich dann, wenn in Schleswig-Holstein Landtagswahlen sind. Dann taucht regelmäßig eine ominöse Partei auf - der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Er ist nicht an die Fünf-Prozent-Hürde gebunden, sitzt also automatisch im Landesparlament. Er vertritt die dänische Minderheit.

1920 kam es in der Grenzregion zur Volksabstimmung. Nordschleswig votierte für Dänemark, der südliche Teil für Deutschland. Auf beiden Seiten der Grenze blieben Minderheiten zurück. In Deutschland leben heute rund 50000 Dänen. Sie genießen Sonderrechte wie etwa die Sorben in der Lausitz, sind aber bestens integriert und meist deutsche Staatsbürger.

Freiluftklassenzimmer und Steinway-Flügel - die Schule ist gut ausgestattet

1920 war auch das Geburtsjahr des Dänischen Schulvereins. Er betreibt heute in Schleswig-Holstein jeweils rund 50 Kindergärten und Privatschulen. Die A. P. Møller Skolen ist die neueste davon. Hier werden Schüler von der sechsten Klasse an unterrichtet und zum Hauptschulabschluss, zur Mittleren Reife oder zum Abitur geführt, das in beiden Ländern anerkannt wird. "Wir haben typische Gymnasiasten, die später vielleicht mal Atomphysiker werden", sagt Kühl schmunzelnd, "aber auch Schüler, die sich mit dem Lernen schwerer tun."

Schulgeld gibt es nicht. Träger ist der Dänische Schulverein, der sich durch Zuschüsse aus beiden Staaten und eigenen Mitteln finanziert. Der Schulbau selbst ist ein Geschenk eines dänischen Konzerns, dessen Stiftung auch das Opernhaus in Kopenhagen bezahlt hat. Zur Eröffnung kam die Königin vorbei. "Wir wissen nicht einmal genau, wie teuer die Schule war", sagt Kühl.

Die Kosten lassen sich erahnen, wenn man sich umschaut. Derzeit 430 Schülern und 60 Lehrern steht ein Gelände von 11 Hektar direkt am Wasser zur Verfügung. Es gibt einen Fußballplatz mit Leichtathletikbahn, einen Skatepark, von Bäumen umrandete Freiluftklassenzimmer, Sporthalle, Musiktrakt und einen Konzertsaal mit Steinway-Flügel. Beton ist hier nirgendwo zu sehen. "In den Unterrichtsräumen verwenden wir interaktive Tafeln", sagt Kühl. Die Lehrer können so ihre Materialien per E-Mail an die Schüler verschicken.

Über allem thront in der Aula das Modell des Sonnensystems vom isländischen Künstler Olafur Eliasson. Darunter liegt, völlig offen im Raum, die Bibliothek. "Unser Wissenszentrum", sagt Kühl. Überall stehen bequeme Sitzmöbel, in den Gängen verteilt finden sich Arbeitsplätze für die Schüler, die oft bis 15 Uhr hier sind. Sie nehmen bis zu zwei Stunden Anreise in Kauf, um hier den dänischsprachigen Unterricht zu besuchen.

Nun ist man an der A. P. Møller Skolen aber nicht der Verschwendungssucht verfallen. Alles hat seinen Zweck. "Wir glauben, dass diese Offenheit und Transparenz auf die Schüler abfärbt", sagt Kühl. Probleme mit Vandalismus oder Aggressionen gebe es so gut wie keine. Alles ist offen gestaltet, jedes Klassenzimmer verfügt über ein großes Glaselement, um vom Gang hineinschauen zu können. Wie in Dänemark üblich, duzt man sich - auch den Rektor. "Wir wollen den Kindern die Fähigkeit geben, in zwei Kulturen navigieren zu können", sagt der 44-Jährige. Deshalb öffnet sich die Schule auch nach außen, etwa für Veranstaltungen. Zäune gibt es nicht. Auf den Gängen hört man sowohl Dänisch als auch Deutsch.

Da möchte man fast nochmal zur Schule gehen. "So ein Projekt leiten zu dürfen, ist ein Privileg", schwärmt Kühl, der selbst nicht aus dem Schuldienst kommt, sondern zuvor als Historiker an der Universität gelehrt hat. "Ich habe den Elfenbeinturm verlassen und bin ins Laboratorium gegangen", sagt er lachend. Es hat sich gelohnt. Das Laboratorium liegt in einem Palast.