Vor 450 Jahren geht mit der Seeschlacht von Lepanto nicht nur die Ära der Galeeren zu Ende, auch der Nimbus der als unbezwingbar geltenden türkischen Flotte versinkt im Ionischen Meer.
Lepanto - Venedig, 27. März 1570: Die Mitglieder des Großen Rates der Dogenrepublik trauen ihren Ohren nicht. Unerhört ist die Forderung, die der Gesandte des türkischen Sultans überbringt: „Wir verlangen von euch Zypern. Gebt uns gern oder notgedrungen, aber reizt nicht unser grausames Schwert, sonst werden wir überall Krieg gegen euch führen.“
Fast ein Jahrhundert weht das Banner Venedigs jetzt über der Insel, dem Vorposten der Lagunenstadt im östlichen Mittelmeer. Seit die Türken 1453 Konstantinopel erobert haben, machen sie der Kaufmannsrepublik das Gebiet streitig. Um sein Kolonialreich in der Ägäis zu sichern, zahlt Venedig seit 1540 Tribut an die Hohe Pforte. Eine Haltung, die der Markus-Republik in Europa den Namen „Hure der Türken“ eingebracht hatte.
Eine Allianz gegen die Ungläubigen
Doch jetzt zeigt man sich am Rialto entschlossen. Venedigs Aristokraten lehnen Selims Forderung brüsk ab und schauen sich nach Bundesgenossen um. Ein offenes Ohr finden sie bei Papst Pius V. Dem Pontifex ist der Zug gegen die Ungläubigen eine Herzensangelegenheit. Es gelingt ihm, eine Heilige Liga zu schmieden, bestehend aus dem katholischen Spanien, Venedig, Genua und der Kurie in Rom.
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Die christliche Allianz beschließt, eine Armada von 200 Galeeren und 100 Transportschiffen sowie eine Armee von 50 000 Mann aufzustellen. Das Oberkommando wird dem 24-jährigen Don Juan d’Austria, einem Halbbruder des spanischen Königs Philipp II., übertragen. Schließlich tragen die Habsburger den Hauptteil der Kosten.
Volle Breitseite aus 44 Kanonen
Der zum Einsatz kommende Schiffstyp, die Galeere, ist das Standardschlachtschiff im 16. Jahrhundert. Rund 40 Meter lang und 140 Tonnen schwer, besteht die Kampftaktik dieser Ruderschiffe nicht in der Ausnutzung des fernwirkenden Artilleriefeuers, sondern darin, durch Rammen und Entern den Nahkampf von Mann zu Mann zu ermöglichen. Der dafür über der Wasserlinie angehobene, drei Meter lange Rammsporn diente als Enterbrücke.
Für große Geschütze allerdings war wegen der Ruderbänke wenig Platz. Lediglich auf dem Bugkastell der Galeere, gleich über dem Rammsporn, standen drei bis fünf Kanonen. Dafür besaß die Liga-Flotte einen neuen Schiffstyp – die Galeasse. Diese Großkampfschiffe, doppelt so breit wie eine normale Galeere, glichen schwimmenden Festungen. Mit je 44 Kanonen bestückt, konnten sie Salven nicht nur nach vorne abfeuern wie die Galeeren, sondern dem Feind auch volle Breitseiten geben.
Mehr als sieben Kilometer Front
Am 16. September nehmen die Schiffe der Heiligen Liga von Messina aus Kurs auf das Ionische Meer. An den Riemen sitzen nicht freie Bürger, sondern Sträflinge, eine weitere Neuerung im Seekrieg des 16. Jahrhunderts. Bei Lepanto, im Golf von Patras, treffen sie am 7. Oktober 1571 auf die türkische Flotte unter Admiral Ali Pascha, der rund 260 Schiffe und 80 000 osmanische Krieger aufbietet. Gegen Mittag steuern die Geschwader auf einer Front von mehr als sieben Kilometer Breite aufeinander zu.
Die Liga hat sich sichelförmig in drei Geschwadern aufgestellt. Vor ihrer Hauptlinie beziehen die Galeassen Stellung, zwei vor jedem Geschwader. Sie sollen mit ihrer Feuerkraft die erste Angriffswelle brechen. Erst kurz vor dem Gegner soll Fahrt aufgenommen und das Feuer aus kurzer Distanz eröffnet werden, so nah am Gegner, „dass dessen Blut beim Schuss auf dich spritzt“, wie es in einer zeitgenössischen Quelle heißt. Als weitere taktische Maßnahme diente die Bildung einer Reserve, die im entscheidenden Moment ins Gefecht geschickt werden soll.
Verkeilte Schiffe und Nahkampf an Bord
Ali Pascha gibt seinen drei Geschwadern den Befehl, die sechs großen Schiffe der christlichen Vorhut zu umfahren, ohne diese zu attackieren. Ein schwerer Fehler, denn die Galeassen feuern mehrere Breitseiten auf die sie passierenden türkischen Schiffe und fügen deren Besatzung gleich zu Beginn der Schlacht empfindliche Verluste zu.
Das überraschte osmanische Geschwader gerät in Unordnung. Nun geht die christliche Linie zum Angriff über und die Galeassen schieben sich langsam in den Rücken der türkischen Flotte. Die Feuerkraft der Galeassen schlägt verheerende Breschen: Viele osmanische Galeeren kommen vom Kurs ab, weil die Männer an den Ruderpinnen getroffen sind. Im Zentrum entbrennt ein erbitterter Kampf, bei dem sich die Schiffe ineinander verkeilen.
Der Tod des Ali Pascha
Im Handumdrehen verwandeln sich die Schiffsdecks in Schauplätze eines kleinformatigen Landkampfes. Nahe genug am Gegner heran, beschießen sich die Kontrahenten mit den Bugkanonen, die teilweise mit Eisenschrott geladen waren, um möglichst viele Kämpfer an Deck des Gegners außer Gefecht zu setzen, ehe man mit Enterhaken zum Nahkampf übergeht. Als Ali Paschas „Sultana“ die „Real“ von Don Juan rammt, beginnt auf beiden Decks ein fürchterliches Gemetzel. Hohle Eisenkugeln mit brennbaren Substanzen sind im Einsatz, um das Schiff der anderen Seite in Brand zu setzen.
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Verheerende Wirkung zeigen auch die auf Drehlagern montierten leichten Geschütze der Liga-Schiffe, die sogenannten Drehbrassen, die die türkischen Decks mit einem Geschosshagel belegen. Als im Kampfgetümmel Ali Pascha von einer Kugel tödlich getroffen wird, erlahmt die Gegenwehr der Osmanen. Die Schlacht ist entschieden. Fünfeinhalb Stunden hat sie gedauert, in denen 30 000 osmanische Kämpfer und 8000 Soldaten der Liga den Tod fanden. So furchtbar soll das Gemetzel gewesen sein, dass man einem zeitgenössischen Bericht zufolge vor lauter Blut die natürliche Farbe des Wassers nicht mehr habe erkennen können.
Ein Veteran schreibt Weltliteratur
Dass die Flotte der Liga siegt, hat sie vor allem ihrer überlegenen Feuerkraft und der Ausrüstung der Truppen mit Harnisch, Arkebuse und Muskete zu verdanken. Die ohne Rüstung kämpfenden Türken waren zwar treffsichere Bogenschützen, aber den Christen und ihren Arkebusen, deren Bleikugeln sogar Harnische zerlöchern, sind sie nicht gewachsen. Eine entscheidende Rolle spielt zudem die taktische Reserve, die im richtigen Moment die zersprengten Geschwader an den Flanken attackiert.
Ein spanischer Soldat, der zwei Schüsse in die Brust und eine in die Hand abbekommt, beschreibt Lepanto als die „größte Tat unseres Jahrhunderts“. Er ist 24 Jahre alt und wird später als Dichter unsterblich: Miguel de Cervantes, Autor des „Don Quijote“. Doch der Sieg ist nur von kurzer Dauer: 1572 ist es mit der Eintracht der katholischen Mächte vorbei. Ein Jahr später schließt Venedig mit der Pforte einen Sonderfrieden, in dem sie den Verlust Zyperns anerkennt.
Das Ende der Galeere
Ausgedient hat auch die ruderbetriebene Galeere. Lepanto war die letzte große Schlacht, die mit diesem Schiffstyp bestritten wurde. Seit dem Sieg der Engländer über die spanische Armada 1588 wurde er vom Segelschiff abgelöst. Was bleibt, ist der 7. Oktober, den die Katholiken bis heute begehen, ohne dass ihnen das bewusst wäre: Das Rosenkranzfest des ersten Sonntags im Oktober ist nämlich eigentlich der Tag der „Madonna des Sieges“, zu dem ihn Papst Pius V. am 17. März 1572 erklärt hatte.
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