Szene aus „Das Fest“ Foto: JU_Ostkreuz

So nah liegen Leid und Freud beieinander: Am Samstag verletzten sich zwei Darsteller auf der Bühne des Stuttgarter Schauspielhauses. Am Montag folgt die Nachricht, dass das Ensemble auch im zweiten Jahr der Intendanz von Armin Petras zum renommierten Theatertreffen nach Berlin eingeladen worden ist.

Stuttgart - Zigmal ist alles gut gegangen – doch als sich die Tänzerin Berit Jentzsch und der Schauspieler Andreas Leupold am Samstagabend für ihren Auftritt auf der Showtreppe von Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ aufwärmen, passiert es: Die Treppenstufen klappen auf, obwohl sie das gar nicht dürften, die Künstler stürzen. „Berit Jentzsch hat sich eine Unterarmprellung zugezogen, während sich Andreas Leupold an der Schulter verletzt hat“, sagt Theatersprecherin Doreen Röder. „Wir sind sehr froh darüber, dass nichts Schlimmeres passiert ist und beide in absehbarer Zeit wieder auf der Bühne stehen werden.“

Die Vorstellung wurde abgesagt. Ein Unfall, der an Wolfgang Michaleks Verletzung bei den Proben von „Pfisters Mühle“ und all die Malheure mit der neuen Bühnentechnik denken und Schlimmes vermuten lässt. Doch die Theaterleitung gibt Entwarnung: „Sowohl in diesem Fall, als auch bei dem letzten Bühnenunfall am Haus, handelt es sich um kein bühnentechnisches Versagen. Wolfgang Michalek, stürzte bei ,Pfisters Mühle‘ in eine Bühnenversenkung, die nur kurz geöffnet wurde, um wie gewohnt einen Kollegen aus der Versenkung auftauchen zu lassen. Im Fall von ,Der Besuch der alten Dame‘ liegt der Fehler in der Dekoration.“

Die Treppe in Armin Petras’ Dürrenmatt- Inszenierung ragt bis in den Zuschauerraum hinein. Die Stufen wurden deshalb klappbar konstruiert, damit im Notfall der Eiserne Vorhang dennoch herunterfahren könnte. Röder: „Die Konstruktion des Klappmechanismus, die bereits den strengen Sicherheitsbestimmungen entspricht, wird zusätzlich noch einmal überarbeitet, damit die volle Sicherheit auch in den kommenden Vorstellungen gewährleistet werden kann.“

Etwas gedämpft ist daher erst mal die Freude, als am Montag im Schauspielhaus gesunden werden durfte, „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“. Thomas Vinterbergs „Das Fest“, die Inszenierung des 1985 geborenen Regisseurs Christopher Rüping, wurde von der Kritikerjury als derart bemerkenswert eingeschätzt, dass sie die Produktion zum Berliner Theatertreffen eingeladen hat. Eine Theateradaption des Dogma-Filmes über eine Familienfeier: Der Sohn wirft vor versammelter Gästeschar dem Vater vor, ihn und die Schwester vergewaltigt zu haben – doch die feinen Gäste ignorieren dies, feiert einfach weiter, singen abends rassistische Lieder. Rüping interessierte diese harsche Gesellschaftskritik weniger als das mitunter naive Ausprobieren theatraler Mittel, so erzählte er die Geschichte aus der Perspektive der Kinder, verzichtete auf feste Rollenzuschreibungen. Wie schon „Onkel Wanja“ war auch dies eine Produktion, die nicht für ausverkaufte Vorstellungen sorgte.

„Das Fest“ ist nach Robert Borgmanns Inszenierung von Tschechows „Onkel Wanja“ 2014 bereits die zweite Produktion in dem von Armin Petras geleiteten Theater, die zum Bestentreffen nach Berlin reist. „Wir freuen uns sehr für Christopher Rüping, Dramaturg Bernd Isele und das gesamte Ensemble von ‚Das Fest‘“, sagt Intendant Armin Petras: „Die Inszenierung, die zum einen verrückt und knallig wirkt, hat ebenso viele aufrüttelnde und eindringliche Momente. Die Einladung zum Berliner Theatertreffen bestätigt unsere Ansicht, dass ‚Das Fest‘ ein großartiger und beeindruckender Theaterabend ist und unsere Schauspieler und Schauspielerinnen am Haus zu den Besten gehören.“

Der „Wanja“-Regisseur Robert Borgmann, der in Stuttgart im Herbst 2014 in Stuttgart einen sehr dunklen Shakespeare („Richard III“) inszeniert hat, ist in diesem Jahr übrigens auch wieder beim Theatertreffen: mit „die unverheiratete“ von Ewald Palmetshofer. Er hat das Stück fürs Wiener Burgtheater auf die Bühne der kleineren Spielstätte Akademietheater gebracht.

Nach Berlin wurden auch einige arrivierte Regisseure eingeladen, Nicolas Stemann mit Jelineks „Die Schutzbefohlenen“, Karin Henkel mit Ibsens „John Gabriel Borkman“ oder Frank Castorf mit Brechts „Baal“. Letzteres sicher auch eine theaterpolitische Setzung, da die Brecht-Erben zuletzt eine Absetzung der Inszenierung forderten.

So oder so: Stuttgart entwickelt sich so zu einem Haus, das für Nachwuchsarbeit steht. Die nächste Gelegenheit, „Das Fest“ in Stuttgart zu sehen, ist erst am 28. März. Und eine neue Zusammenarbeit mit Christopher Rüping ist schon vereinbart: seine Inszenierung von Henrik Ibsens „Peer Gynt“ feiert am 20. Juni Premiere im Schauspielhaus.