Der Portugiese Cristiano Ronaldo bei seiner Vorstellung in Riad als neuer Spieler von Al-Nassr FC Foto: AFP

Saudi-Arabien kauft in großem Stil Topfußballer ein. Das ist Teil einer umfassenden Strategie, um das Land wirtschaftlich und politisch attraktiver zu machen.

Ein „Goldrausch“ hat Spitzenfußballer in Europa erfasst: Saudi-Arabien hat in diesem Sommer fast eine halbe Milliarde Euro für mehr als ein Dutzend Neuzugänge ausgegeben. Das sei erst der Anfang, sagen Insider. Der staatliche Investitionsfonds PIF mit seinem Vermögen von 600 Milliarden Euro hat vier saudische Fußballklubs übernommen, um sie mit Geld für weitere Spielerkäufe auszustatten.

An der Spitze des PIF steht der 37-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman, der die saudischen Klubs ermuntert, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Bayern-Trainer Thomas Tuchel spricht von einem „Goldrausch“, die Nachrichtenagentur Reuters von einem „Exodus“ europäischer Stars.

Den Anfang machte Weltstar Cristiano Ronaldo, der im Winter von Manchester United zum Verein Al-Nassr wechselte, wo er laut Medienberichten eine Million Euro pro Woche verdient. In den vergangenen Wochen folgten Spitzenspieler wie Karim Benzema von Real Madrid, der jetzt bei Al-Ittihad spielt, oder Sadio Mané von Bayern München, der den Verein Al-Nassr verstärkt. Al-Ittihad, Al-Nassr sowie Al-Hilal und Al-Ahli kamen im Juni unter den Schirm des PIF.

Außereuropäische Ligen, etwa in den USA oder in China, hatten schon in der Vergangenheit internationale Spitzenfußballer eingekauft, um sich einen Namen zu machen. Die saudische Initiative hat eine andere Dimension, weil sie wesentlich höhere Summen einsetzt und zu einer politischen Umgestaltung des ganzen Landes gehört.

Hightech-Land, internationales Finanzzentrum und Touristenmagnet

Mohammed bin Salman will den Ölstaat Saudi-Arabien in ein Hightech-Land, internationales Finanzzentrum und Touristenmagneten verwandeln. Große Sportereignisse wie Golfturniere, Formel-1-Rennen oder Boxkämpfe sollen dabei helfen und das Image des Kronprinzen aufpolieren.

MBS, wie der Thronfolger genannt wird, war laut UN-Ermittlungen für den Mord an dem Regimekritiker Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich und ließ nach Zählung von Menschenrechtlern allein im vergangenen Jahr fast 150 Menschen hinrichten. Kritiker sprechen deshalb von „Sportswashing“: Das Engagement im Sport solle von Menschenrechtsverletzungen ablenken. Vor zwei Jahren kauften die Saudis den englischen Spitzenverein Newcastle United für 300 Millionen Euro und schauen sich inzwischen nach einem weiteren Verein in Europa um.

Siebzig Prozent der saudischen Bürger seien jünger als 35 Jahre

„Sportswashing“ ist nicht der einzige Grund für die teuren Einkäufe. MBS „will auch die Bedürfnisse der jungen Bevölkerung in Saudi-Arabien nach Freizeitaktivitäten erfüllen“, sagt Kristof Kleemann, der als Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung im Libanon den Nahen Osten beobachtet. Siebzig Prozent der saudischen Bürger seien jünger als 35 Jahre, sagte Kleemann unserer Zeitung. „Mohammed bin Salman braucht die junge Bevölkerungsgruppe für die Akzeptanz seiner Reformagenda.“

In den vergangenen Jahren hatte der Kronprinz die lange geschlossenen Kinos im konservativen Königreich wieder geöffnet und Frauen das Autofahren erlaubt. Auch die Begeisterung über die neuen Fußballstars aus Europa kann MBS helfen, denn die saudischen Klubs haben eingeschworene Fangemeinden. Zudem hofft Saudi-Arabien, dass sich die Investitionen wirtschaftlich lohnen. Der britische Manager Peter Hutton, der im Vorstand der Saudi Pro League (SPL) sitzt, sagte der BBC, schon nach dem Transfer von Ronaldo im Winter habe es mehr Interesse von internationalen Fernsehsendern gegeben. Mit den Neuzugängen werde die SPL wahrscheinlich weitere Fernsehrechte verkaufen können. In neun bis zehn Jahren könnte die Liga mit einem „wirklich starken Einkommen“ rechnen.

Nahost-Experte Kleemann sieht das ähnlich. „Wenn es gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit der saudischen Profiliga zu steigern und eine größere weltweite Fangemeinde anzuziehen, könnten langfristig auch positive Wirtschaftseffekte erzielt werden“, sagt er. „Damit stünden die Investitionen im Einklang mit dem strategischen Ziel, die saudische Wirtschaft von der traditionellen Abhängigkeit von Öleinnahmen zu befreien.“

Geld für weitere Neuzugänge ist da. Dank der gestiegenen Energiepreise wegen des Ukraine-Krieges nahm der staatliche saudische Ölkonzern Aramco im vergangenen Jahr die Rekordsumme von 161 Milliarden Dollar ein.