Kronprinz Mohammed bin Salman schien beinahe rehabilitiert. Foto: IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/Balkis Press/ABACA

Saudische Grenztruppen sollen laut Berichten hunderte Migranten getötet haben. Menschenrechtler fordern, die Taten müssen Konsequenzen für Saudi-Arabien haben. Riad dementiert die Berichte.

Menschenrechtler fordern internationale Konsequenzen für Saudi-Arabien wegen der Massaker an hunderten afrikanischen Migranten. Mit brutalen und sadistischen Methoden sollen saudische Soldaten die Flüchtlinge an der Grenze zu Jemen aufgehalten haben, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet. Die Regierung in Riad dementiert, doch Kritiker von Kronprinz Mohammed bin Salman sehen sich fünf Jahre nach dem Mord an dem Dissidenten Jamal Khashoggi in ihrer Meinung bestätigt, dass es keine normalen Beziehungen zu dem Regime des Thronfolgers geben dürfe.

Brutalität gegen Wehrlose

Brutales Vorgehen

HRW listet in einem 73-seitigen Bericht auf, wie afrikanische Migranten, die in Saudi-Arabien Arbeit oder Schutz vor Verfolgung suchten, an der saudisch-jemenitischen Grenze aufgehalten werden. Allein zwischen März des vergangenen Jahres und diesem Juni seien hunderte Afrikaner an der Grenze getötet worden, berichtet HRW auf der Grundlage von Gesprächen mit Flüchtlingen und der Auswertung von Videos und Fotos. Jemenitische Huthi-Rebellen, Kriegsgegner der Saudis, bringen die meist äthiopischen Flüchtlinge laut HRW an die Grenze und verdienen am Menschenschmuggel.

Dem Bericht zufolge schossen die saudischen Truppen mit Granaten auf die unbewaffneten Flüchtlinge. In einigen Fällen seien Flüchtlinge gezwungen worden, Frauen zu vergewaltigen – als sich ein Mann weigerte, wurde er erschossen. Saudische Grenztruppen sollen Flüchtlinge auch absichtlich mit Schüssen verletzt haben; manchmal fragten sie vorher, in welches Gliedmaß sie schießen sollten. Flüchtlinge sagten HRW, in der gebirgigen Grenzregion lägen Schwerverletzte und die Leichen von Opfern verstreut. Sollte die Gewalt auf eine politische Entscheidung Saudi-Arabiens zurückgehen, handele es sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, erklärte HRW.

Die saudische Regierung wies die Vorwürfe zurück. Der HRW-Bericht stütze sich nicht auf verlässliche Quellen. Ali Shihabi, ein regierungsnaher saudischer Autor, schrieb im Kurznachrichtendienst X, früher Twitter, es sei schwer, zwischen Flüchtlingen und bewaffneten Angreifern zu unterscheiden. Laut dem britischen Sender Sky News haben saudische Behörden eine Untersuchung eingeleitet.

Kronprinz Mohammed bin Salman bemüht sich, das Image des gewissenlosen Gewaltherrschers loszuwerden. 2018 wurde Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Mordkommando getötet, das nach Erkenntnissen der UNO und amerikanischer Geheimdienste vom Thronfolger befehligt wurde. Deshalb wurde er im Westen vorübergehend geächtet.

MBS war international wieder hoffähig

MBS war international wieder hoffähig

Heute ist der 37-jährige Kronprinz, genannt MBS, international wieder hoffähig, empfängt westliche Spitzenpolitiker wie US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz und besucht westliche Hauptstädte. Seine Regierung investiert Milliarden in den Umbau der Wirtschaft und in Sportprojekte. Gegner werfen ihm „Sportswashing“ vor: die Instrumentalisierung des Sports, um von Menschenrechtsverletzungen abzulenken.

Der Bericht über Massaker an wehrlosen Flüchtlingen verstärkt nun die Kritik an der Zusammenarbeit des Westens mit MBS. Sarah Leah Whitson, Chefin der von Khashoggi gegründeten Organisation Dawn, kommentierte, Saudi-Arabien handele in der Gewissheit, dass es von den USA unterstützt werde. Wenn Riad als Ergebnis laufender Verhandlungen mit Washington neue US-Sicherheitsgarantien erhalte, werde das Problem nur noch schlimmer, sagte Whitson dem Magazin Responsible Statecraft.

Der Nahost-Experte Nader Hashemi von der Georgetown-Universität in Washington warf die Frage auf, ob Großbritannien nach dem HRW-Bericht nun einen geplanten Besuch von MBS in diesem Herbst streichen wird. Es wäre der erste Besuch des Prinzen in London seit 2018. Die britische Regierung äußerte sich nicht dazu.