Die Geschwister Bernd und Claudia Allmendinger – er ist Steinmetz, sie ist Innenarchitektin – wollen sanft aus dem Leben scheiden. Ihr Sarg Lebens-Wiege steht für die Höhen und Tiefen des Lebens. Foto: Bestattungshaus Haller

Gebettet wie in einem Vogelnest, getragen von Flügeln oder von den schönsten Erinnerungen begleitet – so stellen sich Stuttgarter Bürger ihre Särge vor, die sie in einer Ausstellung präsentieren. „Sarg es selber“ zur Messe „Lebenswende“ findet im Haus der Wirtschaft statt.

Gebettet wie in einem Vogelnest, getragen von Flügeln oder von den schönsten Erinnerungen begleitet – so stellen sich Stuttgarter Bürger ihre Särge vor, die sie in einer Ausstellung präsentieren. „Sarg es selber“ zur Messe „Lebenswende“ findet im Haus der Wirtschaft statt.

Stuttgart - Gerlinde Schürpf-Mezger hat ein seltsames Möbelstück in ihrer Wohnung stehen – ihren eigenen Sarg. „Auf den ersten Blick denken die meisten, dass es sich um eine Kommode handelt“, sagt die 55-Jährige. Denn der Sarg – verziert mit einem hübschen Rosenmuster – dient als Fernsehtisch. Im Moment muss der Fernseher allerdings auf dem Boden stehen, denn das gute Stück wird im Haus der Wirtschaft als Teil der Ausstellung „Sarg es selber“ gezeigt. Die Schau ist Vorläufer der Messe „Lebenswende“, die am 23. November ebenfalls im Haus der Wirtschaft beginnt. „Der Tod soll nicht länger ein Tabuthema sein“, sagt Julia Schmauder, Projektleiterin der Messe. Die Ausstellung der acht individuell gestalteten Särge von Stuttgarter Bürgern sei ein humorvoller Weg, dem Thema zu begegnen.

Die Idee kam ursprünglich aus dem Bestattungsunternehmen Haller, das Christian Haller gemeinsam mit seiner Schwester Andrea Maria und Mutter Ilona führt. „Wir wollten damit erreichen, dass man einen gelassenen, unverkrampften Umgang mit der eigenen Sterblichkeit findet“, sagt Christian Haller. Für die Lange Nacht der Museen, an der sich das Bestattungshaus regelmäßig beteiligt, stellten die Mitarbeiter im Jahr 2010 zum ersten Mal selbst gestaltete Särge aus. Im darauffolgenden Jahr bastelten Menschen, die beruflich mit dem Tod zu tun haben, ihre Särge – so auch Gerlinde Schürpf-Mezger, die als Krankenpflegerin und in einem Altersheim arbeitet. Im vergangenen Jahr fand die Ausstellung wieder statt – doch dieses Mal kamen die Särge von Menschen, die keinerlei berufliche Berührungen mit dem Thema Tod haben. 1600 Besucher interessierten sich 2012 für die ungewöhnlichen Ausstellungsstücke. Die acht Särge, die nun im Haus der Wirtschaft zu sehen sind, stammen aus allen drei Ausstellungen. „Die Särge erzählen uns viel über die Personen, die sie entworfen haben“, sagt Christian Haller. In seinem Berufsalltag erlebe er es aber nur selten, dass jemand von den klassischen Modellen abweicht. „In der Trauer wählen selbst die kreativsten Menschen den Standard“, sagt er. Nur etwa zweimal im Jahr komme es vor, dass sich ein Kunde einen individuelleren Sarg aussucht.

Erstmal abweisend reagiert

Obwohl Gerlinde Schürf-Mezger beruflich oft mit Krankheit und Tod zu tun hat, hatte sie sich vor dem Projekt noch nie Gedanken über ihre eigene Beerdigung gemacht. Dementsprechend abwehrend reagierte sie auch im ersten Moment, als sie vom Bestattungshaus angesprochen wurde. Doch nach dem ersten Gespräch wollte sie mitmachen. „Die Idee, dass mein Sarg etwas mit mir zu tun haben soll, hat mir gefallen“, sagt sie. Für die Fassade wählte sie das Motiv ihrer Lieblingsblumen, der Rosen, innen schmückt ein Sternenhimmel die Sargdecke. Gefüllt hat sie ihn mit allen möglichen Erinnerungen, die in ihrem Leben wichtig sind – wie zum Beispiel mit Bildern ihrer Kinder, Reiseführern von geliebten Orten, aber auch der Lieblingshandtasche, einer Flasche Wein und Parfüm. „Das sind nur symbolische Gegenstände, die für die Erinnerungen stehen, die ich nach dem Tod mitnehmen will“, sagt Gerline Schürf-Mezger. „Seelentruhe“ nennt sie daher auch ihr Werk. Während der Arbeit an ihrem Sarg – in dem sie auch tatsächlich eines Tages bestattet werden will – wurde er ihr vertraut und verlor das Gruselige. Lediglich als er von dem Bestattungshaus in einem Leichenwagen für die Ausstellungen abgeholt wurde, beschlich sie ein mulmiges Gefühl: „Da dachte ich daran, dass es eines Tages genau so aussehen wird, wenn der Sarg mit mir drin nach meinem Tod abgeholt wird.“

Ähnlich ging es auch Sabine Kuster, die den wohl ungewöhnlichsten Sarg der Ausstellung gestaltete. Aus Weiden, Ästen und Gräsern flocht sie in mühevoller Handarbeit ihr „Feder-Nest“, füllte es mit Gänse- und Schwanenfedern und fertigte dafür einen Deckel, der optisch an eine Eierschale erinnert. „Während ich daran gearbeitet habe, war es für mich immer ‚das Nest‘“, sagt sie. Erst als ihre Projektarbeit in einem Leichenwagen abgeholt wurde, wurde sie auch in ihrem Bewusstsein zu einem Sarg. Doch die Ruhestätte entsprach nun genau ihren Vorstellungen. „Ich wollte weich liegen und nicht kerzengerade, sondern in einer Embryostellung.“ Weich, warm und geborgen, wie sie in das Leben gekommen ist, möchte sie sich auch wieder davon verabschieden.

Gerlinde Schürf-Mezger dagegen möchte nicht nur schöne Erinnerungen mit sich nehmen, sie will auch ihren Angehörigen Erinnerungen an sich hinterlassen. „Deshalb will ich mich mit meinen Lieben mal vor den Sarg setzen und ein Gläschen mit ihnen trinken, damit sie eines Tages auch Positives mit dem Sarg verbinden.“ Und plötzlich erscheint es nicht mehr außergewöhnlich, den eigenen Sarg als Fernsehtisch zu nutzen.

Die Ausstellung „Sarg es selber“ ist bis Montag, 25. November, im Haus der Wirtschaft, Willi-Bleicher-Straße 19, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und zu den Öffnungszeiten der Messe zu sehen. Die Messe „Lebenswende“ findet am Samstag, 14 bis 20 Uhr, Sonntag, 11 bis 20 Uhr, und Montag, 10 bis 18 Uhr, statt. Tickets sind für sieben Euro, ermäßigt fünf Euro, erhältlich. www.messe-lebenswende.de