WC-Gebühr an einer Raststätte: Ein Modell für den Flughafen? Das wird von den Chefs und vom Aufsichtsrat dort unterschiedlich beurteilt Foto: dpa

An Autobahnraststätten ist die Gebühr für die Toilettennutzung gang und gäbe - warum also nicht auch am Flughafen, dachten sich die Chefs des Stuttgarter Flughafens. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Aufsichtsrat gemacht.

Stuttgart - Im Aufsichtsrat der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) herrschten bei der letzten Sitzung klare Verhältnisse, als die Geschäftsführer Georg Fundel und Walter Schoefer ihre Pläne für die Toilettenanlagen vorstellten. Im Zuge von Umbauten wollten sie die WCs in den nächsten Jahren aufrüsten – und da und dort eine Gebühr verlangen. Die zahlreichen Männer in der Runde, darunter Stuttgarts OB Fritz Kuhn und Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (beide Grüne), lehnten die Einführung des Sanifair-Systems jedoch ab. Nur zwei Frauen, heißt es, hätten dafür plädiert: eine Betriebsrätin sowie CDU-Stadträtin Helga Vetter.

Die beiden Damen fanden die Vorstellung sympathisch, dass beim Toilettenbesuch auf dem Flughafen künftig ein Prozedere gilt wie in Autobahnraststätten. Man zahlt 70 Cent, wenn man durch ein Drehkreuz zur Toilette geht, und hat dafür Hintergrundmusik und das Versprechen von Sauberkeit und Komfort. Sanifair wirbt damit, dass geschulte Fachkräfte konsequent für Sauberkeit sorgen. Dass die WC-Spülungen, die Wasserhähne und die Handtuchspender ohne Berührung aktiviert werden – und die WC-Brillen nach jeder Nutzung automatisch gereinigt werden. Wenn man dann mit einem Gutschein aus dem Kassenautomaten einen Teil der Gebühr nachher in Läden oder in Lokalen einlösen kann, finden manche Nutzerinnen und auch manche Nutzer den Obolus erträglich – so lange die Versprechen eingelöst werden.

Den Flughafenchefs schien das System der richtige Weg zu sein, um knapp ein halbes Dutzend Toilettenanlagen auf Vordermann zu bringen. Die Gebühr wollten sie auf der Ankunftsebene in den Fluggastgebäuden 1 und 3 einführen: in Toilettenanlagen an den Gepäckbändern und draußen in den Wartezonen, außerdem in zwei Anlagen auf der Ankunftsebene der beiden Terminals. In sämtlichen Sicherheitsbereichen zwischen der Sicherheitskontrolle und dem Einstieg ins Flugzeug sollten die Passagiere auch künftig ohne Gebühr die WCs benützen können. Auch vor der Sicherheitskontrolle sollte es noch Anlagen ohne Zahlzwang geben. Die Neuerung hätte Anlagen betroffen, zu denen auch Abholer und Fahrgäste von Bussen Zugang haben. Außerdem Anlagen für Ankömmlinge, die am Gepäckband auf ihren Koffer warten und mal austreten müssen.

Fundel und Schoefer piekten sich Toiletten heraus, die besonders frequentiert werden, wenn sich beim morgendlichen Hochbetrieb auf dem Flughafen bis zu 3000 oder 4000 Menschen in den Terminals aufhalten. Allein an den beiden Gepäckbändern warten manchmal insgesamt bis zu 1200 Reisende. Weil heute größere Flugzeuge eingesetzt werden als früher, landen und starten halt mehr Reisende zur gleichen Zeit. Und viele zieht es nach oder vor dem Sitzen im Flugzeug zum stillen Örtchen. Aber das ist nicht mehr so still wie früher. „Es wird manchmal eng in den Toilettenanlagen und es kommt zu Wartezeiten“, sagt ein Sprecher des Flughafens. Daher hatten sich die Geschäftsführer vorgenommen, nicht nur die FSG rund 1,7 Millionen Euro in den Um- und teilweisen Neubau der Toilettenanlagen auf der Ankunftsebene stecken zu lassen, sondern auch Sanifair an Bord zu holen und in Spezialausrüstung und Personal für mehr Sauberkeit investieren zu lassen. Nun wird die FSG zwar weiter Umbaupläne verfolgen – aber in veränderter Form und ohne Gebühr.

Ein Flughafen sei eben keine Autobahnraststätte, zu der viele mal speziell für den Toilettenbesuch rechts rausfahren, hieß es in der nicht-öffentlichen Sitzung des Aufsichtsrats. Ein Flughafen stehe für Service und Kundenfreundlichkeit ohne WC-Gebühr. Um für Sauberkeit zu sorgen, brauche eine Flughafengesellschaft keinen privaten Dienstleister, das könne sie auch selbst hinkriegen. Die Gebühr wäre „provinziell“. Das eine oder andere Mitglied fand zudem den Vorschlag nicht ausgereift, wo man die Bons einlösen können soll. Wieder ein anderer störte sich an der zunehmenden „Monetarisierung aller Lebensbereiche“. Reisende, die mit dem Fernbus fahren und kurz am Flughafen halten, hätten vielleicht gar keinen Euro in der Tasche, hieß es von anderer Seite.

Im Übrigen fanden auch Vielflieger unter den Aufsichtsratsmitgliedern, dass die Lage nicht besonders ernst sei. Missstände gebe es auf den Toiletten am Flughafen eigentlich gar nicht.

Bleibt die Frage, ob die Diskussion noch einmal auflodern wird, bevor Ende 2015 der neue Fernbusbahnhof neben den Fluggastgebäuden öffnet. Im Busterminal oder der Umgebung könnte sich die Frage der Gebühr dann neu stellen. Ein Aufsichtsratsmitglied winkt jedoch ab: „Das Thema Sanifair wird so schnell nicht mehr aufgerufen.“