Bürgermeister Jan Trost hat Saša Stanišić (Mitte) den Schillerpreis verliehen. Die Laudatio hielt der Journalist Andreas Platthaus (links). Foto: Werner Kuhnle

Bürgermeister Jan Trost hat dem Schriftsteller Saša Stanišić den mit 10 000  Euro dotierten Schillerpreis der Stadt Marbach verliehen. Die Preisverleihung erfolgte im Rahmen eines Festakts in der Stadthalle auf der Schillerhöhe.

Marbach - Vermutlich hätte selbst Friedrich Schiller große Augen gemacht, wäre er am Mittwoch bei der Schillerpreisverleihung zugegen gewesen. Und das nicht nur der Häufigkeit wegen, mit der das Wort Freiheit, für das Schiller wie „kein anderer stehe“, von den drei Rednern des Abends benutzt wurde. Der Preisträger selbst - Saša Stanišić – steuerte dem Begriff nämlich eine humanistisch konnotierte Erweiterung bei, die denkwürdig ist, driftet sie doch weg von einer allgemein vielfach egozentrischen Deutung.

Krieg und Flucht prägen den Debütroman

Doch der Reihe nach: Bürgermeister Jan Trost eröffnete den philosophisch anmutenden Reigen um die Freiheit und erinnerte daran, dass seit Beginn der Pandemie, „die Einschränkung der individuellen Freiheit plötzlich in den Fokus gerückt ist“. Seiner Überzeugung nach nehme Schiller mit seinen Freiheitsgedanken, Orientierung und Werten in diesen unsicheren Zeiten wieder zunehmend Platz in unserem Leben und Denken ein.

In Schillers freiheitlicher Tradition steht auch der Schillerpreis. Dies zeige sich mit der Preisverleihung an Saša Stanišić, so Trost. Der 1978 in Jugoslawien geborene Autor musste als 14-Jähriger „hautnah die Auswirkungen von Krieg, Vertreibung und der damit einhergehenden Einschränkung der individuellen Freiheit erfahren“. Mit Hilfe der Literatur von Kafka, Brecht, Eichendorff und Hölderlin hatte Stanišić die deutsche Sprache erlernt. Krieg und Flucht machte er anschließend auch zum Gegenstand seines Debütromans „Wie der Soldat das Grammofon repariert", der mittlerweile in 31 Sprachen übersetzt worden ist.

Der Laudator lässt die Bombe platzen. . .

Pointiert und mit dem Blick des freundschaftlich Verbundenen, blickte der Journalist, Autor und Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Andreas Platthaus, im Anschluss auf das Wirken von Stanišić. In seiner Laudatio teilte er mit Witz seine originellen Gedanken. Fast trat er damit ein wenig in Konkurrenz zum Hauptdarsteller des Abends: beide Autoren sind, was das betrifft, offenbar "birds of a feather" - also vom selben Schlag. Mit der Anrede „posthume Mitbürger Schillers und Mitfinanzierer des Preises“ sowie der augenzwinkernden Warnung „Sie müssen jetzt stark sein“ ließ Platthaus eine provokante Bombe platzen.

Saša Stanišić habe in seinen vielfach preisgekrönten Werken lediglich einmal den Namen Schiller erwähnt und zwar im Werk „Vor dem Fest“. Das Publikum reagierte erwartungsgemäß belustigt. Absolut d´accord ging es mit Platthaus´ Erkenntnis, was die Preisverleihungskriterien betrifft: Es kommen nur Persönlichkeiten in Frage, die in beispielhafter Weise den Denktraditionen Schillers verpflichtet sind oder die Einsatz für einen ethisch verantwortbaren Freiheitsbegriff im Sinne Schillers zeigen. „Auf dich trifft beides zu“, betonte der Redner und setzte noch eines obenauf: „Schiller wäre stolz auf ihn gewesen“.

„Das Individuelle verschwindet nicht, wenn man das Andere achtet“

Saša Stanišić hinterließ mit seiner Dankesrede – „Sie sehen mich gerührt“ – und dem bereits erwähnten Humor auch ein prachtvolles Lehrstück für ambitionierte Schreiber. Die hätten nämlich von Stanišić Elan auf der Bühne und dessen Art, sich an Muster und literarisch verwertbare Gedanken anzuschleichen, durchaus lernen können. Doch noch bemerkenswerter war die klare Botschaft des Geehrten an sein aufmerksam zuhörendes Publikum: „Schone fremde Freiheit – und zeige selbst Freiheit“. Diesen geistigen Extrakt wiederholte er mehrfach.

In einer Art „Pakt zwischen Erzähler und Zuhörer“ legte er dar, was ihn umtreibt: „Nämlich, dass wir alle etwas sein können für andere“. Sein sprachliches Lehrstück für humanes Agieren setzte „die Schönheit im Umgang miteinander“ an die Spitze seiner mitgeteilten Intention. Durch seine Worte: „Schiller wäre jemand, der wollte, dass wir eigene Interessen zurückstellen“ und „das Individuelle verschwindet nicht, wenn man das Andere achtet“, gewannen seine Aufforderungen dann sogar noch einmal an Deutlichkeit.