Der Verband Region Stuttgart kauft noch einmal zehn Exemplare des umstrittenen neuen S-Bahn-Modells ET 430 Foto: Jan Reich

Die Regionalversammlung bestellt nun doch zehn zusätzliche S-Bahn-Züge des umstrittenen Modells ET 430 für gut 81 Millionen Euro. Sollte der ominöse Schiebetritt wieder ausgebaut werden müssen, zahlt die Region sogar 4,7 Millionen Euro dafür selbst.

Stuttgart - Die Beteiligten stecken in einer Zwickmühle. Der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn will unbedingt zehn zusätzliche Züge des für Stuttgart entwickelten Modells ET 430, obwohl die 87 bereits gekauften nicht richtig funktionieren.

Ein ausfahrbarer Schiebetritt zur Überbrückung des Spalts zum Bahnsteig für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen, der nach massiven Pannen im Frühjahr 2013 wieder abgeschaltet wurde, bleibt immer noch im Fahrzeug stecken. Der Verband will die Züge aber jetzt bestellen, damit sie spätestens Ende Mai 2017 da sind, wenn die Serienzulassung des Modells erlischt.

Mit den Zügen soll das S-Bahn-System pünktlicher werden, indem sie an den Endhaltestellen Vaihingen, Bernhausen, Schorndorf (alle S 2) und Weil der Stadt (S 6) im fliegenden Wechsel mit den einfahrenden losfahren. Wo es besonders eng in den Wagen zugeht, sollen drei anstatt bisher zwei S-Bahnen aneinandergehängt werden. Letztens bräuchte die Region auch zusätzliche Züge für die Verlängerung der S 2 nach Neuhausen, die zurzeit in der Planung ist.

Schiebetritt bleibt wohl vorerst drin

Der Hersteller Bombardier Transportation hat seit dem Sommer gezögert, weitere Züge mit dem problematischen Schiebetritt auf eigene Verantwortung zu produzieren, bevor die Lösung auch nur in der Testphase ist. Nun steht fest: Das kanadische Unternehmen mit deutschem Sitz in Berlin baut sie und lässt den Schiebetritt vorerst drin, wenn die Probleme noch nicht gelöst sein sollten. Es rüstet dann aber auf eigene Rechnung nach. Sollte das technische Detail wieder ganz ausgebaut werden müssen, zahlt jedoch der Verband Region Stuttgart pro zusätzlichem Zug 470 000 Euro. D

iese Konsequenz aus ihrer Bestellung haben 75 Regionalräte am Mittwoch gegen drei Nein-Stimmen gezogen. Die Bahn muss die Züge bis nächsten Mittwoch bei Bombardier bestellen, die Auslieferung soll im Juni 2016 beginnen und höchstens bis Mai 2017 dauern. Die Forderung der 4,7 Millionen Euro für den schlechtesten Fall, sagte Regionaldirektorin Nicola Schelling eingangs, „drückt die Vorfreude auf die neuen Fahrzeuge. Ich hätte bei Bombardier schon mehr Vertrauen in die eigene Kompetenz erwartet“. Erfreulich sei dagegen, dass die Bahn die Kosten für mehr Personal in zusätzlichen Zügen selbst trage.

Ausdehnung des 15-Minuten-Takts am Abend

CDU-Sprecher Rainer Ganske verwies darauf, dass ein Ausbau des kompletten Systems unwahrscheinlich erscheine, weil Bombardier bei den anderen 87 Zügen selbst auf rund 40 Millionen Euro sitzen bleiben würde. Die CDU wolle Mut zeigen und die „letzte Chance, den Fahrzeugtyp zu bestellen“ nutzen, zumal sie für „den massiven Ausbau des Angebots“ stehe. Im November wurde die weitere Ausdehnung des 15-Minuten-Takts am Abend ab 2017 beschlossen.

Da das Gremium auch den 323-Millionen-Euro-Haushalt für 2015 absegnen sollte, nutzte Grünen-Regionalrat Fritz Kuhn die Gelegenheit zu seiner ersten Haushaltsrede im Gremium. Kuhn empfahl, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, für die man zuständig sei: die Expressbuslinien einzuführen und zu einer richtigen Marke zu machen, ein schlüssiges Park&Ride-Konzept zu erarbeiten und die S-Bahn wieder pünktlicher zu machen. „Wir dürfen nicht nachlassen, das von allen einzufordern“ sagte Kuhn und befürwortete den Zug-Kauf zum hohen Preis: „Das kostet viel Geld, das darf ich als Stuttgarter Bürgermeister so sagen.“

Die Fraktionen von SPD, Freien Wählern, FDP und Teilen der Linken biss ebenfalls in den sauren Apfel, obwohl etwa der Waiblinger OB Andreas Hesky (FW) den Preis „nach unserer Einschätzung überhöht“ einstuft. Republikaner-Einzelkämpfer  Ulrich Deu-schle sprach von „total überhöht“. Abgesehen von Deuschle und den Linken befürworteten alle Fraktionen auch den Haushalt.