Die S-Bahn fährt ein – nur leider oftmals zu spät. Foto: imago//Michael Weber

Die S-Bahn fuhr im November so unpünktlich wie noch nie. Und ist bundesweit nicht die Einzige mit großen Problemen. Wo es besonders hakt – und was dagegen getan wird.

Die Stuttgarter S-Bahn zählt zu den unpünktlichsten S-Bahnen in Deutschland. Das ergibt eine Abfrage unserer Zeitung bei den größten S-Bahn-Verbünden in Deutschland. Die Pünktlichkeitswerte im November liegen so niedrig wie bei den S-Bahnen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Auch sie haben im Herbst große Probleme. In allen drei Verbünden war im November gut jede fünfte S-Bahn mit mindestens sechs Minuten Verspätung unterwegs.

 

Die Stuttgarter S-Bahn ist mit ihrer aktuellen Misere also nicht allein. In wie vielen anderen S-Bahn-Verbünden es ähnlich schlecht läuft, lässt sich wegen der unterschiedlichen Trägerschaft nicht flächendeckend sagen. Nicht alle angefragten Bahnen geben monatsscharfe Pünktlichkeitswerte heraus, und nicht alle rechnen mit dem 6-Minuten-Wert. In Hannover und Dresden etwa gilt der 5-Minuten-Wert.

Deutlich besser als in Stuttgart läuft es ausweislich unserer Recherche in Hamburg und Berlin, wo die S-Bahnen eigene Schienennetze nutzen – und in Nürnberg mit nur sechs Prozent deutlich verspäteten Zügen im November.

Im Herbst ging es dann auch mit den Pünktlichkeitswerten der Stuttgarter S-Bahn bergab. Im November stellte sie einen bisherigen Negativrekord auf, es wurden zwölf „Chaostage“ gezählt – also Tage, an denen mindestens eine von fünf S-Bahnen mit einer Verspätung von sechs Minuten oder mehr unterwegs war. Das ergibt eine Auswertung von Daten des Portals „S-Bahn-Chaos“.

Im gesamten ersten Halbjahr waren sieben „Chaostage“ gezählt worden, im September vier und im Oktober zwei. Der November war nach dieser Definition in seiner Gesamtheit ein „Chaosmonat“ – so unpünktlich fuhr die Stuttgarter S-Bahn noch nie.

Pünktlichkeit sackt 2023 ab

Nach den teilweise sehr guten Pünktlichkeitswerten während der Pandemie mit weniger Fahrgästen und weniger ausgelasteten Netzen sinkt die Zuverlässigkeit der S-Bahnen bundesweit. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel fragt regelmäßig die Daten ab; im Juli erhielt er die Werte fürs erste Quartal. Von 2022 auf 2023 sackte der Anteil der maximal sechs Minuten verspäteten Züge in Stuttgart besonders stark auf 90,5 Prozent ab; noch niedriger war er nur bei den S-Bahnen Rhein-Neckar und Rhein-Ruhr. Letzterer gibt seine Pünktlichkeitswerte nur quartalsweise heraus.

Was sind die Gründe für die Misere in mehreren Ballungsräumen? Ein Sprecher der S-Bahn Rhein-Main führt technische Probleme und Bauarbeiten an, die teilweise nicht wie geplant stattfinden konnten und zu erheblichen Fahrplanabweichungen bei stark ausgelasteten Linien führten. Hinzu kamen „vor allem personalbedingte Ursachen wie fehlendes Fahr- und Stellwerkspersonal, aber auch GDL-Streiks“, so der Sprecher.

Auch im Raum Rhein-Neckar ist Personalmangel ein Thema. Beispielsweise der SWR berichtete über auch kurzfristige Einschränkungen infolge nicht oder nur teilweise besetzter Stellwerke. Bis Januar bedient die S-Bahn einzelne Verbindungen in den Nachtstunden nur noch mit Ersatzbussen. Und auch sonst kommt es immer wieder zu Ärger. „Kein Tag ohne Chaos“, schrieb jüngst der „Mannheimer Morgen“. „Was ist da kaputt gegangen?“, war der Beitrag überschrieben.

Überall dieselben Probleme?

Die Probleme und die Berichterstattung ähneln sich also. Doch die genannten S-Bahn-Netze hätten mit dem in Stuttgart nur wenig gemein, sagt ein Sprecher der S-Bahn – „außer, dass die Züge oft auf denselben Gleisen unterwegs sind wie Fern-, Regional- und Güterzüge. Das bedeutet, dass die Verkehre insgesamt sehr eng getaktet und die Strecken sehr stark befahren sind“.

Die Infrastruktur mit Gleisen, Weichen, Signalen und weiterer Technik sei nicht nur sanierungsbedürftig, sondern mit dem gestiegenen Bedarf an Mobilität nicht mitgewachsen, so der Sprecher weiter: „Die Bahn investiert aktuell massiv in mehr Kapazität, mehr Stabilität und mehr Zuverlässigkeit. Dies führt zu einer wachsenden Zahl an Baustellen, die den S-Bahn-Verkehr überall in Deutschland derzeit stark einschränken.“

Wie es besser werden könnte

Nicht nur in Stuttgart kollidieren zwei Zeile miteinander – möglichst viele Menschen mit einem dichten Takt von A nach B zu bringen einerseits, und das Ganze ohne größere Verspätungen hinzubekommen andererseits. Im Ergebnis wird nicht nur in Stuttgart der Fahrplan ausgedünnt – allerdings nur in den Randzeiten. Während der Rush Hour hält man am 15-Minuten-Takt fest und damit auch an den Verspätungen, weil das Netz die vielen Züge derzeit nicht aufnehmen kann.

Mantraartig wiederholt der Sprecher der Stuttgarter S-Bahn, dass mit dem Digitalen Knoten Stuttgart von 2025 an mehr Puffer etwa fürs Ein- und Aussteigen entstehe und die Pünktlichkeitswerte steigen würden. Auch der Verkehrspolitiker Matthias Gastel hat sich mit seinem Team Gedanken gemacht und im Herbst detaillierte Vorschläge vorgelegt, wie es bei der Stuttgarter S-Bahn besser werden könnte. In der Regionalversammlung dominieren derweil Ratlosigkeit und ein Hoffen auf die Zukunft – und bei den Bürgern der Ärger über den ÖPNV, wie eine Umfrage des Regionalverbands schon im Sommer ergab.

Wie geht es weiter? Im Dezember waren es bei der Stuttgarter S-Bahn bislang drei „Chaostage“, einer davon fiel ungewöhnlicherweise auf einen Samstag (2. Dezember). Wie viele bis Heiligabend dazukommen, darüber kann man nur spekulieren.