Ex-Polizeipräsident Stumpf ist jetzt vorbestraft Foto: dpa

Jetzt ist es amtlich: Der ehemalige Polizeipräsident Siegfried Stumpf hat einen Strafbefehl in Höhe von 120 Tagessätzen à 130 Euro bekommen – wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt.

Stuttgart - Der völlig missratene Polizeieinsatz am 30. September 2010, der als Schwarzer Donnerstag in die Stadtgeschichte eingegangen ist, hat den ehemaligen Stuttgarter Polizeichef eingeholt. Was unsere Zeitung bereits am 21. Januar dieses Jahres exklusiv berichtet hatte, ist seit wenigen Tagen mit einem Amtsstempel versehen: Das Amtsgericht Stuttgart hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Siegfried Stumpf erlassen.

Der ehemalige oberste Polizist Stuttgarts sei schuldig der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in vier Fällen. Die 120 Tagessätze summieren sich auf 15 600 Euro, der 64-Jährige gilt damit als vorbestraft. Stumpf hat nun zwei Wochen Zeit. Er kann den Strafbefehl akzeptieren, dann ist die Sache strafrechtlich erledigt. Er kann Einspruch erheben – dann kommt es zu einem weiteren Wasserwerfer-Prozess. „Zum jetzigen Zeitpunkt wird keine Erklärung abgegeben“, sagt Stumpfs Rechtsanwältin Margrete Haimayer.

Stumpf habe es unterlassen darauf hinzuwirken, dass die Wasserwerferbesatzungen bei der Abgabe der Wasserstöße keine Köpfe von Demonstranten treffen, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft. Stumpf habe eine besondere Überwachungs- und Aufsichtspflicht, weil er den ersten Einsatz von Wasserwerfern in Stuttgart seit 40 Jahren freigegeben hatte. Das Amtsgericht hat diese Sicht der Dinge mit dem Strafbefehl bestätigt.

Ob Siegfried Stumpf den Strafbefehl annimmt, ist unklar. Im Januar hieß es, der mindestens bis zur Räumung des Stuttgart-21-Baufeld im Schlossgarten für die notwendigen Baumfällungen erfolgreiche Polizeichef werde sich wehren. Er wolle nicht als Vorbestrafter herumlaufen. Inzwischen gilt es als wahrscheinlicher, dass er sich und seiner Familie den Stress eines öffentlichkeitswirksamen Mammutprozesses wohl nicht antun werde. In knapp zwei Wochen wird darüber Klarheit herrschen.

Der Grund für den Strafbefehl ist in der akribischen Vorbereitung und in dem fundierten Aussageverhalten der im ersten Wasserwerfer-Prozess angeklagten Polizisten zu sehen. Die beiden Beamten, die am 30. September 2010 als Abschnittsleiter eingesetzt waren und wegen Körperverletzung im Amt angeklagt wurden, hatten gestützt auf Videomaterial ausgesagt, Stumpf habe als Chef des Einsatzes von den schweren Wasserstößen bereits kurz nach 14 Uhr gewusst.

Stumpf seinerseits hatte unter anderem vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, er sei von den Wasserstößen überrascht worden und habe lediglich harmlosen Wasserregen gesehen. Von Verletzungen durch die Wasserwerfer habe er erst in den Abendstunden erfahren. Die Vorsitzende Richterin im Wasserwerferprozess hatte Stumpf in ihrem Schlusswort in die Pflicht genommen. Er habe seine Einsatzleiter in der damaligen Situation alleingelassen.

Bei dem Einsatz waren laut Innenministerium insgesamt 160 Menschen – S-21-Gegner und Polizisten – verletzt worden. Aus den Reihen der S-21-Aktivisten heißt es, es seien viel mehr gewesen. Tatsache ist, dass beispielsweise der Rentner Dietrich Wagner fast sein komplettes Augenlicht durch einen Wasserstoß ins Gesicht verloren hat. Wagner hatte die Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen, ignoriert und sich einem Wasserwerfer in den Weg gestellt.