Gerät innerkirchlich unter Druck: Papst Franziskus. Foto: ZUMA Wire

Erzkonservative fordern offen den Rücktritt des Papstes wegen dessen angeblicher Nähe zu dem kriminellem US-Erbischof McCarrick. Die Intrige wirft viele Fragen auf.

Rom - Papst Franziskus hat einmal gesagt, der dritte Weltkrieg habe bereits begonnen; nur finde dieser „in einzelnen Stücken“ statt und falle deshalb als Ganzes nicht auf. Sicher ist: Seit dieser Woche hat Franziskus den Krieg im eigenen Haus. Der seit drei Jahren „in Stücken“ immer höher brodelnde Widerstand konservativer Bischöfe und Kardinäle gegen seine offenere Kirchenführung hat sich zu einer konzertierten Aktion verdichtet. Massive Stimmungsmache findet statt in den einflussreichen franziskusfeindlichen Blogs (bis in die deutsche AfD-Szene hinein) – und offen wird der Rücktritt des Papstes gefordert. „Ein unerhörter Vorgang“, wie der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering erklärt.

Ausgelöst hat den kirchenerschütternden Wirbel ein offener Brief, der gezielt zu Franziskus’ jüngstem Besuch in Irland übers Internet verbreitet worden ist – zeitgleich mehrsprachig, was auf ein organisiertes Vorgehen schließen lässt. Darin wird der Papst beschuldigt, die Missbrauchsaffären des US-amerikanischen Erzbischofs Theodore McCarrick vertuscht, ja den heute 88-Jährigen gar zu seinem Ratgeber gemacht zu haben. „Und wie viele schlechte Hirten unterstützt Franziskus immer noch bei ihrer Zerstörung der Kirche!“, heißt es in dem Brief. „Er ermutigt die Wölfe, die Schafe der Herde Christi zu zerfleischen.“

Geschrieben hat das – nun ja, wer? Als Autor bekennt sich der pensionierte italienische Erzbischof Carlo Maria Viganò (77). Sein „Gewissen“, sagt er, treibe ihn. Mittlerweile ist herausgekommen, dass sich Viganò beim Formulieren von einem bekannten Franziskus-Gegner hat helfen lassen, dem Journalisten Marco Tosatti, der schon darauf geachtet hat, was „journalistisch verwendbar“ war. Auf Deutsch: wie man Schlagzeilen produziert.

Kein Mensch weiß von Sanktionen Benedikts

Viganò behauptet also, Franziskus stehe im Bunde mit jenen unter Klerikern weit verbreiteten „homosexuellen Netzwerken“, welche „die Kirche strangulieren“. Und die Sanktionen, die Papst Benedikt XVI. gegen Erzbischof McCarrick verhängt habe („Leben in Buße und Zurückgezogenheit“), habe Franziskus aufgehoben. Das alles liest sich merkwürdig, denn genau Franziskus war es, der McCarrick vor wenigen Wochen in einer seit hundert Jahren nicht mehr vorgekommenen Bestrafung den Kardinalstitel entzogen hat – während offenbar kein Mensch von Sanktionen wusste, die Benedikt gegen McCarrick verhängt haben soll. Der Erzbischof bewegte sich jedenfalls zu Benedikts Amtszeit (2005–13) völlig frei in der Kirche.

Viganò wiederum war kirchlicher Karrierediplomat und im vatikanischen Staatssekretariat zuständig für die Kontakte für die Botschaften in aller Welt sowie für interne Personalfragen. Unter Benedikt eckte er aber mit seinem Ehrgeiz und seiner Aufdecker-Attitüde für Korruption dermaßen an, dass er 2011 als Vatikanbotschafter in die USA wegbefördert wurde – und alle seine Protestbriefe halfen nichts. Anders als erwartet wurde Viganò auch nicht Kardinal, sondern 2016 von Franziskus ganz regulär in die Rente entlassen.

Stark hat sich Viganò in den USA dem mächtigen rechtskonservativen Flügel der zerstrittenen Bischofskonferenz angenähert. Viganò steht auch in vorderster Reihe jener Bischöfe und Kardinäle, die Franziskus offen der „Ketzerei“ beschuldigen oder als „Antichrist“ bezeichnen, weil er die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene oder für evangelische Ehepartner für möglich erklärt hat oder weil er – vielleicht – die kirchlichen Verbote gegen Homosexualität aufweichen will. US-Bischöfe haben auch stark gegen Franziskus’ Kapitalismuskritik („Diese Wirtschaft tötet!“) opponiert – und dagegen, dass der Papst in Änderung der kirchlichen Lehre die Todesstrafe strikt verboten hat.

Hinter dem Kritiker stehen erzkonservative Kräfte

Dass hinter Viganò die größere erzkonservative Front steckt, lässt sich auch aus der Wortmeldung des Kurienkardinals Raymond Leo Burke (70) schließen, den Franziskus als einen seiner erbittertsten Gegner aus der Präsidentschaft des obersten Vatikangerichts entfernt und zum Hausgeistlichen des Malteser-Ordens degradiert hat. Burke sagt, die Rücktrittsforderung an den Papst sei erlaubt: „Wenn ein Hirte bei der Ausübung seines Amtes schwer versagt . . .“

Franziskus selber hat zu Viganòs Brief bisher nur eines vor Journalisten gesagt: „Lesen Sie das Schreiben aufmerksam und urteilen Sie selbst.“ So einfach wird er nicht davonkommen. Selbst papstfreundliche Medien in den USA und in Rom stellen dieser Tage die drängende Frage: Was war wirklich mit McCarrick? Und was wusste Franziskus von dessen Verbrechen?