Die SPD will in Thüringen ein Bündnis mit Linken und Grünen wagen: Bodo Ramelow könnte der erste Linke-Regierungschef werden Foto: dpa

Die SPD will ein Bündnis mit Linken und Grünen wagen. Bodo Ramelow könnte der erste Linke-Regierungschef werden. Bei der Union ist der Aufschrei groß, die Linke feiert die Signalwirkung für andere Länder und den Bund.

Berlin/Erfurt - Thüringen nimmt 25 Jahre nach dem Mauerfall Kurs auf einen Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün mit dem ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei. Die Mitglieder der thüringischen SPD stimmten am Dienstag mit einer deutlichen Mehrheit von 69,9 Prozent für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Linken und Grünen.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist bei diesem Gedanken gar nicht wohl. Da kann SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi tags zuvor noch so sehr betonen, dass es 25 Jahre nach dem Mauerfall wirklich an der Zeit sei, „die Linke zu akzeptieren als eine Partei, die Regierungsverantwortung auf Landesebene übernehmen kann“.

Hasselfeldt ist über so viel Geschichtsvergessenheit empört, auch wenn sie weiß: „Es ist die Entscheidung der SPD, speziell der SPD in Thüringen.“ Doch es falle ihr „schon auch schwer zu akzeptieren“, dass in Thüringen bald „die SED-Erben“ den Ministerpräsidenten stellen könnten. Wenn die Landes-SPD „mit den SED-Erben gemeinsame Sache macht“, werde dies bei zahlreichen SPD-Wählern auf Ablehnung stoßen.

Dabei können sich die SPD-Spitzen im Land wie im Bund bequem auf einen Beschluss des Leipziger Bundesparteitages vom November vergangenen Jahres zurückziehen. Dort hatte sich die Partei in ihrem Leitantrag „Perspektiven. Zukunft. SPD!“ mit Blick auf künftige Koalitionsoptionen mit großer Mehrheit für eine Öffnung auch hin zur Partei Die Linke ausgesprochen. „Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus.“ Vorausgesetzt, „eine stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit“, „ein finanzierbarer Koalitionsvertrag“ sowie „eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik“ seien gewährleistet. SPD-Vize Ralf Stegner, der an der Öffnungsklausel entscheidend mitgewirkt hatte, sagt dazu schlicht: „Es erweitert unser Spielfeld.“ Seine Partei befinde sich „nicht in babylonischer Gefangenschaft“ der Union.

Derweil sorgen die seit dem Wochenende heftig diskutierten Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck und dessen Frage, ob die Linke sich überhaupt schon weit genug von der früheren Staatspartei SED entfernt habe, weiter für Diskussionen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterstützt Gauck in der Debatte. „Das Amt des Bundespräsidenten ist doch nicht dazu da, um Belanglosigkeiten von sich zu geben“, sagte Kretschmann am Dienstag. Es sei genau Gaucks Aufgabe, die Dinge, die ihm kritisch erscheinen, zu benennen. „Dazu brauchen wir ihn. Deswegen schätzen wir ihn.“

Linke-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte in Anspielung auf die kritische Frage des Bundespräsidenten, die mögliche Wahl eines Linken zum Ministerpräsidenten scheine so zu irritieren, „dass manche Zeitgenossen ihre Funktion vergessen“.