Probebohrungen zur Erkundung der Kali-Lagerstätten laufen bereits am Rande des nordthüringischen Worbis. Der Rohstoff dient zur Düngemittelherstellung. Foto: dpa/Martin Schutt

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Rohstoffpreise explodieren lassen. Dabei geht es nicht nur um Öl und Gas, auch um Düngemittel. Und da könnte Deutschland ein großer Anbieter werden.

Rohstoffe aus 700 Meter Tiefe holen – in Deutschland? Irgendwie hat Bergbau in Zeiten von Kohleausstieg und Digitalisierung den Hauch des Vergangenen. Doch das könnte sich bald ändern, sagen Fachleute. Sie sehen ein Umdenken.

Hohe Rohstoffpreise, Engpässe nicht nur bei Gas durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und ein weltweit steigender Bedarf machten heimische Rohstoffe für Bau, Industrie, Landwirtschaft und Energiewende interessant. Eines der wohl größten Projekte: In Thüringen soll eine Kali-Lagerstätte für die Düngemittelproduktion neu erschlossen werden.

Es geht um Kaliumchlorid für mineralischen Dünger

Die Rede ist von einem Kali-Bergwerk, in das nach den Plänen der australischen Erkundungsfirma South Harz Potash Ltd. 620 Millionen US-Dollar (623 Millionen Euro) fließen sollen. Sie hat Bergbaulizenzen für das Ohmgebirge und andere Areale in Nordthüringen gekauft. Nach Angaben ihrer Regionaldirektorin Babette Winter wurden bisher etwa fünf Millionen Euro in zwei vielversprechende Erkundungsbohrungen bei Worbis und Haynrode gesteckt. Es geht um Kaliumchlorid für mineralischen Dünger.

Sollte das im August vorgelegte Konzept des Unternehmens mit der deutschen Tochter Südharz Kali GmbH aufgehen, wäre es wohl das erste neue Bergwerk dieser Dimension seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik.

Laut der Studie von South Harz Potash liegt allein im Ohmgebirge ein abbaubarer Vorrat an Kalisalz von mehr als 134 Millionen Tonnen – Rohstoffe für Jahrzehnte. Bis Ende dieses Jahres solle eine Standortentscheidung getroffen werden, sagt Winter. Mit dem Bau der Schächte bis in eine Tiefe von mehr als 700 Metern sowie eines Werks könnte angesichts aufwendiger Genehmigungsverfahren 2026/27 gerechnet werden. „Es gibt eine neue Perspektive!“ twitterte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), als die Studie im August vorlag.

Der Bedarf wächst

Schon jetzt ist Deutschland, das als eher rohstoffarm gilt, mit dem im M-Dax notierten Düngemittelproduzenten K+S AG (Kassel) und Bergwerken im hessisch-thüringischen Grenzgebiet an der Werra sowie in Zielitz in Sachsen-Anhalt eine Größe auf dem Kali-Markt. „Die Kaliproduktion in Deutschland liegt auf Weltrangliste vier, knapp zehn Prozent der Weltproduktion“, erläutert der Freiberger Professor für Rohstoffabbau, Helmut Mischo. „Bis heute ist nur ein geringer Teil der ausgewiesenen Reserven abgebaut.“

Mischo von der TU Bergakademie Freiberg, aber auch Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden, verweisen auf Marktverschiebungen bei Düngemitteln wegen des Kriegs in der Ukraine. „Die Preise sind massiv gestiegen“, so Ragnitz. Russland und Belarus seien neben Kanada die größten Düngemittelproduzenten weltweit – allerdings jetzt von Teilen des Marktes abgeschnitten. Gleichzeitig wachse der Bedarf an Dünger in der Landwirtschaft mit dem Ansteigen der Weltbevölkerung, sagte Mischo. „Dies sind zwei unabhängige, aber überlagernde Prozesse.“ Die potenziellen Investoren im Südharz gingen offenbar davon aus, dass die Preise für Düngemittel langfristig hoch blieben, erklärt Ragnitz.

Bergleute sorgten mit ihrem Hungerstreik 1993 weltweit für Schlagzeilen

Also wäre die Südharz Kali GmbH so etwas wie ein „Kriegsgewinnler“? Nein, sagt Winter. „Wir haben die Bergbaulizenz bereits 2017 erworben.“ Nach den Ergebnissen der Probebohrungen habe die Studie die Lagerstätte als „äußerst rentabel“ bewertet.

Derzeit ist Winter viel im Norden Thüringens unterwegs. Sie erklärt das Projekt, bei dem Abraum und salzhaltige Abwässer nach ihren Angaben wieder in die unterirdischen Hohlräume gebracht werden sollen. Bei vielen, sagt sie, gebe es „eine positive, neugierige Grundstimmung“. Schließlich soll das Bergbau-Großprojekt in einer Region mit einer langen Kali-Tradition umgesetzt werden.

Nach der Wiedervereinigung waren im Norden Thüringen mehrere Kali-Gruben geschlossen worden. Bergleute des Kali-Werks Bischofferode sorgten mit einem monatelangem Arbeitskampf und Hungerstreik 1993 weltweit für Schlagzeilen. Ironie der Geschichte: Direkt neben der Grube Bischofferode, die von der Treuhand geschlossen, inzwischen mit salzhaltiger Lauge geflutet und nun nicht mehr nutzbar ist, liegt die Lagerstätte, die abgebaut werden soll.

Hoffnung in der Region

Gerhard Jüttemann, einer der Protagonisten des Arbeitskampfes vor 30 Jahren und Vorsitzender des örtlichen Kali-Vereins, hofft auf einen positiven Ausgang des Projekts. „Wir haben schon damals gesagt, wir haben von der Qualität die hochwertigste Lagerstätte europaweit.“ Die Region könnte von einer Wiederbelebung des Kali-Bergbaus profitieren. „Ich habe da ein gutes Gefühl.“