War es die letzte Zuflucht der Truppen des römischen Feldherrn Varus im Jahr 9. n. Chr.? Archäologen haben in der Fundregion Kalkriese bisher unbekannte Befestigungsanlagen entdeckt.
Osnabrück/Stuttgart - Archäologen der Universitäten Osnabrück und München haben in der Fundregion Kalkriese im Osnabrücker Land Überreste einer römischer Befestigungsanlage entdeckt. Die Wallanlagen und das Grabensystem könnten von den letzten überlebenden römischen Soldaten stammen, die unter dem Befehl des Feldherrn Publius Quinctilius Varus im Jahr 9. n. Chr. von den Germanen und ihrem Heerführer Arminius vernichtend geschlagen wurden.
Die Entdeckung eines weiteren Wall-Graben-Systems im Sommer 2016 und die neuesten Grabungen in dem Gebiet Kalkriese könnten ein neues Licht auf die Schlacht im Jahre 9 n. Chr. werfen und die These von der Varusschlacht stützen, heißt es seitens des Museums und Parks Kalkriese.
Der Tod des Varus
Irgendwo im Niemandsland zu Beginn unserer Zeitrechnung in der mehr oder weniger eroberten Provinz „Magna Germania“ – im heutigen Westfalen: Damals, um 9 n. Chr., starb Varus durch sein eigenes Schwert. Mit ihm wurden drei römische Legionen – ein Achtel des Gesamtheeeres des Römischen Reiches – von germanischen Stammeskriegern unter der Führung des früheren römischen Ritters Arminius – besser bekannt als Hermann, der Cherusker – abgeschlachtet. Das auch als „Schlacht im Teutoburger Wald“ bekannte Ereignis dauerte mehrere Tage und endete mit einer der größten Niederlagen der Römer.
Die Römer in Germanien
Während der ersten Jahrzehnte des ersten Jahrhunderts n. Chr. fanden im sogenannten „Germania magna“ eine Reihe großer Schlachten statt, unter anderem auch in Kalkriese. Die Fundregion Kalkriese ist ein Areal in der Kalkrieser-Niewedder Senke in Bramsche im Osnabrücker Land, in dem große Mengen an Funden aus römischer Zeit gemacht wurden.
Kalkriese gilt zum einen als ein möglicher Schauplatz der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. sowie der Schlacht des römischen Generals Caecina während der Germanicus-Feldzüge (14 bis 16 n. Chr.) im Jahr 15 n. Chr. und der Schlacht am Angrivarierwall – ebenfalls unter dem Oberbefehl des römischen Feldherrn Nero Claudius Germanicus – im Jahr 16. n. Chr..
Bei Kalkriese handelt es sich neben dem Römerlager Hedemünden, dem Fundplatz Bentumersiel, dem Römischen Marschlager von Wilkenburg und dem Harzhorn um eine der wenigen größeren römischen Fundstellen in der Nordhälfte Deutschlands.
Letzter Zufluchtsort der Römer
„In den Grabungsschnitten haben die Forscher eine provisorische römische Befestigungsanlage bestehend aus einer Wallanlage und vorgelagertem Graben lokalisiert“, sagt Salvatore Ortisi, wissenschaftlicher Leiter des Projekts Varusschlacht von der Universität München. Gemeinsam mit Archäologen der Universität Osnabrück hat er Reste eines Lagers entdeckt, das so gar nicht den üblichen römischen Standards entspricht. Ortisi: „Defensiv angelegt und ausgestattet mit einem nach außen gerichtetem Graben nutzten die Römer anscheinend die Topografie des Geländes, um sich zu verschanzen.“
Letztes Gefecht zwischen Römern und Germanen
Aufgrund der Größe gehen die Archäologen davon aus, dass hier höchstens 2000 bis 3000 Mann Schutz gesucht haben. Die Funde zeigten außerdem, dass hier auch Kämpfe stattfanden. „Das spricht womöglich dafür, dass wir es hier mit einem der letzten Gefechte zwischen den Römern und Germanen im Verlauf der Varusschlacht zu tun haben“, erklärt Ortisi.
Archäologen gehen davon aus, dass die Streitmacht des Varus die drei Legionen XVII, XVIII, XIX, drei Alen (Reitereinheiten) und sechs Kohorten mit insgesamt 15 000 bis 20 000 Soldaten, dazu 4000 bis 5000 Reit-, Zug- und Tragtiere, umfasste. Der Zug könnte 15 bis 20 Kilometer lang gewesen sein.